Im Karnevalsmekka Loulé, in dem die Stadtverwaltung das Faschingsfest organisiert, liefen die Vorbereitungen Mitte Januar auf Hochtouren. Der Korso zieht jährlich tausende Besucher an und ist in der Nebensaison eine der wichtigsten touristischen Attraktionen der Stadt und der Algarve
In der Oficina Museu Carnaval, einer großen Lagerhalle im Industriegebiet von Loulé, herrscht trotz der Kälte beste Stimmung und buntes Treiben. Überall hängen und liegen überdimensionale Köpfe und Körper herum, darunter viele bekannte Gesichter, Styropor-Blöcke und Kisten voller Papierblumen in allen möglichen Farben. Die Zeit rennt davon und vieles muss noch erledigt werden, damit die bunt geschmückten Umzugswagen samt Figuren am 11., 12. und 13. Februar ab 15 Uhr durch die Straßen von Loulé ziehen können, um großen und kleinen Narren Freude zu bereiten. „Dieses Jahr hatten wir wirklich wenig Zeit, um alles umzusetzen, knapp eineinhalb Monate“, so Paulo Palhó. Er ist seit 18 Jahren das kreative Genie hinter den Karnevalszügen von Loulé. Aus seiner Feder stammen alle Figuren und Umzugswagen. „Eine Kommission des Rathauses legt das Thema fest, dieses Jahr ist es Carnaval Summit de Loulé, wegen der Web Summit, die in Lissabon stattfand. Ich denke mir dann dazu sowie zu anderen nationalen und internationalen aktuellen Themen Satiren aus. Denn alles was wir darstellen, ist satirisch“, erklärt Palhó. An den Wänden seines Büros hängen dutzende Skizzen und Zeichnungen; von vergangenen Umzügen und auch für dieses Jahr. Für die Umsetzung seiner Ideen erhält er die Unterstützung von zirka 50 Personen. Ein bunt gemischtes Volk verschiedener Altersklassen, Nationalitäten und Talenten. Die Gruppe ist ebenfalls für die Weihnachtsdekoration, die der Umzüge zu Ehren der Volksheiligen im Juni oder anderen Veranstaltungen, wie die Noite Branca, zuständig. „Das Rathaus hat in den letzten Jahren immer mehr in diesen Bereich investiert. Einerseits freuen wir uns natürlich darüber, andererseits bedeutet dies, dass wir weniger Zeit haben“, so Palhó. Daher gibt er offen zu, viele der Figuren wiederzuverwerten. „Frau Merkel oder Ronaldo sowie viele nationale Politiker und Fußballvereinsvorsitzende sind immer wieder dabei“, gibt er als Beispiel, „deshalb benutzen wir die Köpfe wieder, ändern nur die Körperposition und bemalen sie anders.“ Damit wird Geld und Zeit gespart, denn für eine Figur brauchen sie im Schnitt vier Tage.
Allzuviel wollen wir nicht verraten, aber dieses Jahr werden sich die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel und der neue Vorsitzende der Euro-Gruppe Mário Centeno einen Umzugswagen teilen. Ein anderer Wagen ist der derzeitigen Ermittlung gegen Benfica wegen Korruption gewidmet. Ronaldo, seine Mutter Dolores und sein fünfter Goldener Ball sind ebenfalls dabei sowie Messi und Putin, als Gastgeber der nächsten Fußball-Weltmeisterschaft. Donald Trump und eines seiner Wahlversprechen sind auch dabei. Nach den verheerenden Waldbränden im vergangenem Jahr durfte eine Hommage an die Feuerwehrmänner und -frauen des Landes nicht fehlen. Am Steuer des Löschwagens sitzt Staatschef Marcelo Rebelo de Sousa. Auch ein lokaler Narr, der letztes Jahr verstarb, wird geehrt. „Semião war Narr mit Leib und Seele und nahm stets mit seinem Pony und seinem alten Eselskarren am Karnevalsumzug teil“, erinnert sich Palhó. Exotisch bunt wird der brasilianische Wagen sein. „Wir haben in Quarteira eine große brasilianische Gemeinde, die gerne am Korso teilnimmt, aber ich bin auch der Meinung, dass ein bisschen Rio de Janeiro-Stimmung mit brasilianischen Tänzerinnen unbedingt zum Faschingsfest gehören. Schließlich wird der Umzug auch von Samba begleitet und nicht von portugiesischer Folklore-Musik“, so Palhó.
Wer den Umzug sieht, hat nur eine kleine Ahnung von der Arbeit, die dahinter steckt. Unter anderen sind Schreiner, Schmiede, Schneiderinnen und Künstler involviert sowie die sogenannten Blumenfrauen. Ein feststehender Begriff im Karneval von Loulé, denn es sind Frauen, die seit Jahrzehnten für das Basteln der etwa 500.000 Papierblumen zuständig sind, die die Umzugswagen verzieren. Die Blumen sind eine Besonderheit des Karnevals von Loulé. Anderorts werden die Wagen bemalt oder besprüht. Nicht in Loulé. Hier sind sie komplett mit Blumen aus Seidenpapier überzogen. Zuerst werden sie ausgeschnitten, dann gefaltet und zuletzt jede einzelne an die Wagen geklebt, sodass die gewünschten Muster und Bilder entstehen. Dona Libânia ist seit 20 Jahren dabei und lehrt den jungen Mädchen die Blumenkunst. Ihre Hände sind so geübt, dass sie um einiges flinker als die der anderen sind und die Hälfte der Blumen eventuell von ihr gebastelt werden.
Zu den mitwirkenden Künstlerinnen zählen Siann, eine seit ihrer Kindheit in Loulé lebende Engländerin, die für das Bemalen der Figuren mit Spray- und Acryl-Farben sowie Airbrush zuständig ist, und Teresa Santos, die überall Hand anlegt, aber am liebsten Figuren aus Fasern herstellt. Radoslav Pavlov aus Bulgarien und seit zehn Jahren in Loulé ansässig, beteiligt sich auch seit fünf Jahren an den Karnevalsvorbereitungen. Ihm liegen vor allem Schreiner- und Schweißarbeiten. Miguel Santos schafft zusammen mit Palhó die Figuren aus Styropor. Für ihn, wie auch für alle anderen Beteiligten, ist der Umzug sehr lohnend. „Die strahlenden Kinderaugen und das Lächeln der Erwachsenen sind die größte Anerkennung für unsere Arbeit. Früher wurden die Umzugswagen oft beschädigt, heute merken wir, dass die Besucher sich darüber bewusst sind, wie viel Arbeit dahinter steckt“, so Miguel, der sich stets darüber freut, wenn Bilder der Figuren und Umzugswagen in den sozialen Netzwerken geteilt werden. „Ein Ansporn, um sich im nächsten Jahr noch mehr Mühe zu geben“, fügt Teresa Santos hinzu.
Zu Karneval gilt überall das Motto „É carnaval, ninguém leva a mal“ (Es ist Karneval, niemand nimmt nichts übel). Gefeiert wird zu Ehren des Königs Momo, der seinen portugiesischen Hofstaat zum Fröhlichsein und Spaßhaben während seiner dreitätigen Herrschaft aufruft. Folgen Sie dem Aufruf! Schließlich heißt es ja auch „A vida são dois dias e o carnaval são três“!
Text: Anabela Gaspar in ESA 02/2018