Krippen gehören überall in Portugal zum Weihnachtsfest. Nicht nur in jedem Familienhaushalt,
sondern auch in den Gemeinden. Fast jede baut eine Krippe auf – mit kleinen oder lebensgroßen Figuren, mit echten Darstellern oder komplett aus Salz. Im Mittelpunkt steht stets das Jesuskind im Stall mit Maria und Josef. Für die weitere Kulisse sind der Phantasie keine Grenzen gesetzt
Azoren-Krippen zur Anschauung
Einzigartig und besonders schön und detailreich sind die sogenannten lapinha Krippen von der Azoreninsel São Miguel. Davon kann man sich bis zum 6. Januar bei der Ausstellung „Presépios – Lagoa dos Açores“ im Convento de S. José in Lagoa überzeugen. Die Ausstellung erfolgt im Rahmen einer Städtepartnerschaft zwischen Lagoa do Algarve und Lagoa dos Açores.
Diese exquisiten Miniaturkrippen in Glasglocken oder kästen erschienen auf der Insel São Miguel im 16. Jahrhundert mit der Niederlassung der ersten religiösen Orden und sind seitdem fester Bestandteil der kulturellen Identität der Inselbewohner. Den Aufzeichnungen zufolge wurde die berühmte lapinha Krippe, so wie man sie heute kennt, jedoch erst im folgenden Jahrhundert durch die Nonnen erschaffen. Diese schmückten die Krippe mit dem, was sie zur Hand hatten, nämlich mit kleinen Muscheln, vor allem mit lapas (Gemeine Napfschnecke), künstlichen Seidenblumen, Federn, Wachs, Papier oder Baumwolle, Fischschuppen und kleinen Tonfiguren, die das Jesuskind, Maria und Josef darstellten. Diese sind stets die zentralen Figuren, um die herum andere Elemente drapiert werden, die biblische Szenen darstellen oder Szenen aus dem Alltag der Inselbewohner wie die Schweineschlachtung, Prozessionen oder Wallfahrten.
Mit der Ankunft von Bildhauern vom Festland erfuhren diese Krippen eine Überarbeitung und wurden immer bekannter. Auch die Produktion der flores de freiras, unter denen die von den Nonnen hergestellten künstlichen Blumen bekannt sind, erlebte eine Entwicklung im 18. Jahrhundert. Dafür waren vor allem die Nonnen des Convento de Santo André zuständig. Zu ihren täglichen Aufgaben in den Klöstern gehörten Handarbeiten und dazu, die Herstellung von künstlichen Blumen, mit denen unter anderem Altäre und Traggerüste bei Prozessionen geschmückt wurden, die aber auch am Königshof sehr begehrt waren. Einige besonders begabte Nonnen erreichten einen Künstlerstatus, wie beispielsweise Madre Jerónima do Sacramento und Madre Maria do Céu, vom oben genannten Kloster.
In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, mit der Inbetriebnahme der ersten Tonfabriken in Lagoa dos Açores, wurden die Figuren nicht mehr wie bis dahin von anonymen Handwerkern per Hand modelliert, sondern gegossen, gebrannt, glasiert und anschließend per Hand bemalt. Die Herstellung der Figuren, die sogenannte arte bonecreira, ist bis heute ein angesehenes Kunsthandwerk der Azoreninsel.
Die Krippen wurden unter Glasglocken oder -kästen aufgestellt und das ganze Jahr über in den Häusern zur Schau gestellt. Heutzutage sind die lapinhas, die bis zu e 500 kosten können, tief in der lokalen Kultur verwurzelt und der Stolz der Inselbewohner.
Das Krippendorf
Vom 7. – 8. Dezember verwandelt sich das Dorf Odeleite im Hinterland der Ostalgarve erneut in die Aldeia Presépio.
Die Bewohner stellen schon seit vielen Jahren eine große Krippe auf, doch nachdem das Dorf am ersten Krippenwettbewerb der regionalen Entwicklungskommission CCDR im Jahr 2003 mit zehn weiteren Dörfern teilnahm und den zweiten Platz erhielt, erreichte das Weihnachtsfest eine neue Bedeutung und Größe. Seitdem organisiert die Junta de Freguesia zusammen mit dem Verein Associação Social da Freguesia de Odeleite und der Unterstützung des Rathauses von Castro Marim die Aldeia do Presépio. Die Bevölkerung ist weiterhin beteiligt, nicht nur die von Odeleite, sondern auch von den umliegenden Dörfern. Die einen tragen Weihnachtslieder vor, andere präsentieren traditionelles Handwerk wie die Korbflechterei oder die Herstellung von Schnüren aus den Agavefasern. Wieder andere bieten lokale Produkte wie frisches Gemüse, Honig, Mandeln, Marmeladen, trockene Feigen und Süßgebäcke an. Das besondere Augenmerk liegt dabei auf dem mit Zucker und Zimt bestreuten Schmalzgebäck filhóses, den mit Süßkartoffeln gefüllten Teigtäschchen oder den fatias douradas, in Milch und Ei gewendete und in Olivenöl gebackene Brotscheiben die dann mit Zucker und Zimt bestreut werden. Zudem gibt es frisch gebackenes Bauernbrot aus dem Holzofen. Für diejenigen, die es nicht nur essen möchten, sondern auch wissen wollen wie es noch bis vor nicht allzu langer Zeit jede Hausfrau in Odeleite und Umgebung wöchentlich backte, gibt es Workshops. Auch die Zubereitung der oben genannten Weihnachtsgebäcke kann man an beiden Tagen erlernen. Die Workshops finden in der Casa de Odeleite statt, dem ehemalige Handelsumschlagsplatz der Umgebung, der seit 2013 als eine Art Museum und Veranstaltungsort der Gemeinde fungiert. Die kleinen Besucher können den Weihnachtsmann besuchen oder im Centro Infantil Weihnachtsgeschichten lauschen und kleine Theaterstücke sehen.
Höhepunkt an beiden Tagen ist gegen 15 Uhr die dramaturgische Darstellung der Weihnachtsgeschichte, die mit der Ankunft des Jesuskindes, Maria und Josef auf dem Esel beginnt. Hinzu kommen Römer und natürlich die Heiligen Drei Könige.
Die Salz- und die Riesenkrippe
Auf dem Weg nach Odeleite sollte man einen kurzen Stopp in Castro Marim machen, um die dortige Salzkrippe zu besichtigen (1. Dezember bis zum 6. Januar). Ziel ist es, das Meersalz der von Salzgärten umgebenen Kleinstadt anzupreisen – mit Erfolg, denn die Krippe zieht immer mehr Besucher an.
Die 100 Quadratmeter große Salzkrippe ist in der Casa do Sal ausgestellt und besteht aus sieben Tonnen Meersalz und etwa 3.800 Figuren. Wie bei den Krippen von den Azoren werden auch hier neben der Weihnachtsgeschichte lokale Traditionen dargestellt. Die marnotos beim Schöpfen des Salzes in den Salinen dürfen natürlich nicht fehlen. Im letzten Jahr wurde das Salz gefärbt, um die umliegende Landschaft getreuer darzustellen. Unter uns: Ganz in weiß sah die Krippe schöner aus. Während der Ausstellung werden auch Konzerte und Vorlesungen für Kinder organisiert.
Im drei Kilometer entfernten Vila Real de Santo António wird im Centro Cultural António Aleixo vom 30. November bis zum 6. Januar zum 17. Mal in Folge die Riesenkrippe zu sehen sein. Sie ist 220 Quadratmeter groß und besteht aus 5.000 Figuren, 20 Tonnen Sand, 4 Tonnen Steinstaub und 2,5 Tonnen Kork. Nicht unbeachtet bleiben sollen 160 Quadratmeter Moos und eine komplexe Technik, um die Flüsse, Beleuchtung und Effekte zu steuern. Tausende Besucher erwarten jährlich Innovationen und spannende neue Details.
Text: Anabela Gaspar in ESA 12/2019