Ein kostbares Gut
Im Rahmen des Aufbau- und Resilienzplans sind € 200 Mio. für den Wassereffizienzplan der Algarve vorgesehen. Die geplanten Maßnahmen, um der chronischen Wasserknappheit in der Region die Stirn zu bieten, sind umstritten und nun fordert Alcoutim den Bau eines weiteren Stausees
Um die anhaltenden Wasserprobleme der Algarve zu lösen, soll eine Entsalzungsanlage gebaut und bei Pomarão nahe Mértola vom Guadiana-Fluss Wasser entnommen werden und über ein Rohrleitungssystem in den Odeleite-Stausee umgeleitet werden, die sogenannte Guadiana-Lösung. Für die Entsalzungsanlage steht bislang kein Standort fest. Weitere Maßnahmen sind u. a. die Sanierung der Bewässerungsinfrastruktur, um Netzverluste zu beseitigen, den Wasserbedarf in städtischen Grünflächen zu reduzieren sowie die Wiederverwendung von Abwässern. Ausgearbeitet wurden zudem Pläne zum Bau von Leitungen zwischen bestehenden Stauseen (ESA berichtete).
Die Guadiana-Lösung wurde in Portugals Aufbau- und Resilienzplan aufgenommen, doch das Vorhaben trifft auf Kritik. Nachdem bereits im April 2021, kurz nach Bekanntgabe des Projekts, die von mehreren Umweltschutzorganisationen gebildete Plataforma Água Sustentável (PAS) sich dagegen aussprach, kritisiert nun der Wasser- und Klimaexperte Afonso do Ó von der Associação Portuguesa da Natureza/World Wide Fund for Nature (ANP/WWF) das Vorhaben.
Der Wasserentnahme im Guadiana sollte eine Bewertung der Wasserverfügbarkeit durch Portugal und Spanien vorausgehen, die es ermöglicht, bei Ausleitungen eine ökologische Restwassermenge sicherzustellen, die der Fluss für seine typische ökologische Struktur braucht, warnte der Wasserexperte während des iberischen Webinars „Grenzüberschreitende Zusammenarbeit, Nutzung und Wasserknappheit im Baixo Guadiana“, das von ANP/WWF organisiert wurde. Laut Afonso do Ó ist die politische Zusammenarbeit zwischen den beiden Ländern zwar „ausgezeichnet“, aber auf technischer Ebene müssten noch Fortschritte erzielt werden. Eine iberische Kommission müsste eingerichtet werden, die die Wasserverfügbarkeit und den Wasserbedarf zur Erhaltung der ökologischen Nachhaltigkeit des Flusses ständig überwache. Das Problem bestehe darin, dass „es zwar für den Tejo und den Douro festgelegte Durchflussmengen gibt, aber nicht für den Guadiana“. Der WWF-Vertreter betonte, dass „nicht einmal ökologische Durchflussmengen festgelegt sind, die zur Gewährleistung der Wasserqualität auf der gesamten Strecke bis zur Mündung des Guadiana obligatorisch sein sollten“. Dies liege an Interessenskonflikten zwischen den beiden Ländern, da Spanien ohne Portugals Zustimmung bereits Wasserentnahmen in der Nähe von Pomarão vornimmt, in der sogenannten Boca do Chança, der Mündung des Chança-Flusses, erklärte Afonso do Ó. Genau dort planen nun auch die portugiesischen Behörden Wasser zu entnehmen. Der Experte bedauerte, dass es in diesem Gebiet bereits eine „illegale Wasserentnahme“ zur Versorgung der Landwirtschaft in der andalusischen Provinz Huelva gebe, die „von Portugal nie akzeptiert und in die diesbezüglichen Vereinbarungen zwischen den beiden Ländern“ nicht aufgenommen worden sei.
„Portugal hat es nicht nur versäumt, dies zu erreichen, sondern bereitet sich nun darauf vor, das gleiche zu tun“, kritisierte er und meinte, dass „die Dinge umgekehrt geschehen müssen“. „Wir können nicht erst hingehen und – wie Spanien – Wasser schöpfen und dann sehen, wieviel übrig bleibt. Noch dazu in einem Gebiet, das regelmäßigen Trockenperioden ausgesetzt ist, die aufgrund der Auswirkungen des Klimawandels immer häufiger auftreten werden. Wir laufen Gefahr, dass es in Dürreperioden an Wasser mangeln wird. Und die Landwirte werden die ersten sein, denen der Zugriff zu Wasser untersagt wird“, warnte der Experte. Er verteidigte die Notwendigkeit von „Sicherheitsintervallen“ für die Wasserentnahme, aber auch von „politischem Mut“ und „Fähigkeit des Staates“, zu verstehen, dass „der Bewässerungslandwirtschaft kein Wasser garantiert werden kann, von dem wir bereits wissen, dass es die Hälfte der Jahre fehlen wird“. In anderen Gebieten möge es Versorgungssysteme geben, die eine Ausweitung der Bewässerungslandwirtschaft ermöglichen, dies sei allerdings nicht der Fall im Guadiana-Gebiet.
Die Plataforma Água Sustentável (PAS) hatte bereits darauf hingewiesen, dass die Wasserentnahme vom Guadiana den von diesen Wasserströmen abhängigen Ökosystemen großen Schaden zufügen würde und die Wasserverfügbarkeit nicht garantiert sei, da alle Prognosen auf anhaltend geringe Niederschläge und damit auf eine Verringerung der Wassermengen hindeuten, die, selbst wenn sie vorhanden seien, höchstwahrscheinlich von Spanien zur Nutzung freigegeben werden müssten. Außerdem sei eine technische Machbarkeitsstudie und eine Bewertung der ökologischen und wirtschaftlichen Auswirkungen sowie internationale Verhandlungen nötig. Zudem würden die Rohrleitungen ein ökologisch sensibles Gebiet durchqueren. Für PAS liegt die Lösung in der Bodenkonservierung durch Zuführung organischer Substanzen sowie in der Wiederaufforstung mit endemischen, widerstandsfähigen Arten und im Bau kleiner Wasserreservate zur Versorgung kleiner Plantagen, zur Hydratisierung der umgebenden Landschaft und zur Wiederauffüllung unterirdischer Aquifere.
Auch im Alentejo wird die Guadiana-Lösung kritisiert. Die Landwirte des Baixo Alentejo sind dagegen sowie das Verwaltungsunternehmen des Alqueva-Stausees (EDIA), das der Ansicht ist, dass dieses Vorhaben das sogenannte Alqueva-Mehrzweckprojekt (EMFA) gefährdet. Keiner lässt sich die Butter vom Brot nehmen… Laut dem EDIA „wird in der überwiegenden Mehrheit der Jahre in diesem Flussabschnitt (Pomarão) nicht ausreichend Wasser für den vorgesehenen Zweck zur Verfügung stehen. Es sei denn, stromaufwärts wird Wasser freigegeben, was die Verfügbarkeit von Wasser für das Alqueva-Projekt gefährdet, die angesichts der Bewässerungsfläche und der Konzession für die Energieerzeugung eh schon gefährdet ist“. Zudem ist das EMFA dazu verpflichtet, ökologische Durchflussmengen einzuhalten, die bei Pomarão gemessen werden. „Wenn dort Wasser entnommen wird, wird das EMFA höhere Durchflussmengen vom Alqueva aus gewährleisten müssen“, so EDIA. Der Verband der Alqueva-Landwirte (APBA) argumentiert daher, dass „enorme private Investitionen, die viel zur regionalen Entwicklung sowie zur Schaffung von Wohlstand auf regionaler und nationaler Ebene beitragen“, auf dem Spiel stehen könnten, denn Portugals größter Stausee sei dann nicht mehr in der Lage, die Wasserversorgung in dreijährigen Dürreperioden zu garantieren, wie es jetzt der Fall ist.
Für das Verwaltungsunternehmen und die Landwirte des Alqueva könnte die Lösung für die Wasserknappheit der Ostalgarve darin bestehen, „einen Teil der Zuflüsse des Foupana in das Wasserversorgungssystem zu integrieren. Dafür wäre der Bau eines kleinen mobilen Wehrs nötig. Die Verbindung zum Odeleite-Stausee könnte über eine hydraulische Pumpstation erfolgen, deren Kosten durch die Installation einer Photovoltaikanlage kompensiert werden könnten“. Eine Lösung, bei der „die Kosten und Umsetzungsfristen viel geringer wären“, versichert EDIA.
Allerdings hat das Rathaus von Alcoutim andere Pläne für den Foupana. Der Gemeinderat der Hinterlandgemeinde hat einstimmig beschlossen, die Regierung und die für Umwelt und Wasserressourcen zuständigen Stellen aufzufordern, einen Staudamm beim Foupana zu bauen. In dem Antrag werden die Regierung und die zuständigen Stellen aufgefordert, „nach Lösungen zu suchen“, um die verfügbaren Wasserreserven zu erhöhen, anstatt „Schuldige“ zu benennen und Aktivitäten wie Golf oder Landwirtschaft einzuschränken. „Menschliche Eingriffe haben unweigerlich Auswirkungen, ob positiv oder negativ. In Bezug auf die Umwelt hat jedes Bauvorhaben, das in den Wasserkreislauf eingreift, ebenfalls Folgen. Es ist wichtig, die negativen Auswirkungen zu minimieren und die positiven zu verstärken“, so die Gemeinde.
Alcoutim, die zu den am stärksten von der Desertifikation und der Überalterung der Bevölkerung betroffenen Gemeinden gehört, betont, dass die Algarve die Region ist, „die jedes Jahr am meisten unter Wasserknappheit leidet“, und dass es daher notwendig sei, alternative Reserven zu finden, ohne die Wirtschaftstätigkeit zu beeinträchtigen. „In den Medien wird die Landwirtschaft stets an erster Stelle als Hauptverursacher dieser Situation genannt, gefolgt vom Golfsport“, heißt es im Antrag der Stadtverwaltung. Doch die Landwirtschaft sei „nicht nur eine grundlegende Tätigkeit für die Ernährung, sondern auch die Hauptwaffe im Kampf gegen die Landflucht sowie eine wichtige Wirtschaftstätigkeit in der Region“ und habe daher „einen strategischen Wert für die Diversifizierung der Wirtschaft“ auf regionaler und nationaler Ebene. Auch auf Golfplätze könnte die Algarve nicht verzichten, da „Golf eine bedeutende Rolle in der wichtigsten Tourismusregion des Landes spielt und einen großen Beitrag zur Deviseneinnahme leistet“.
Laut dem Gemeinderat ist es „demagogisch zu glauben, dass das Problem der Wasserknappheit in der Region durch die Verringerung der Landwirtschaft und der Golfplätze oder durch die Einschränkung des Wasserverbrauchs gelöst werden kann“, da „die Bereiche mit dem größten Wasserverbrauch ein dynamisches Wachstum aufweisen und ihre Begrenzung oder Konditionierung die gesamte Entwicklung der Region gefährdet“. Der neue Staudamm soll laut der Gemeinde Alcoutim dazu beitragen, „die Verfügbarkeit von Wasser im Wasserversorgungssystem zu erhöhen und die Wasserreserven für landwirtschaftliche Zwecke zu vergrößern, wie es in der Gegend um den Alqueva-Staudamm im Alentejo geschehen ist“. Der Alqueva soll bereits dafür gesorgt haben, dass Portugal vom Importeur zum Nettoexporteur von Olivenöl geworden ist, wie das Alqueva-Verwaltungsunternehmen Ende März bekannt gab. Die Gemeinde Alcoutim ist daher der Ansicht, dass es „dringend notwendig ist, den Bau des Foupana-Damms voranzutreiben“. Doch der Staudamm ist ein altes Vorhaben der Gemeinde, das bislang auf starken Widerstand der für Umwelt- und Wasserressourcen zuständigen Stellen stieß.
Ebenfalls im regionalen Wassereffizienzplan eingetragen – und somit durch den Aufbau- und Resilienzplan finanziert – ist ein mit etwa € 4 Mio. veranschlagtes Projekt für die Ostalgarve, das Wasser aus drei unterschiedlichen Quellen schöpfen soll. Nach Angaben des Regionaldirektors für Landwirtschaft und Fischerei, Pedro Valadas Monteiro, sieht das Projekt „die Sanierung von Bohrlöchern vor, um Zugang zu Grundwasserleitern zu erhalten, deren Kapazität in den letzten Jahren gestiegen ist, sowie die Leitung von aufbereiteten Abwässern der Kläranlage in Vila Real de Santo António zu den Reservoirs von zwei naheliegenden, großen Landwirtschaftsunternehmen, die Avocado-Plantagen betreiben. „In der Praxis wird die Ostalgarve die erste hydro-landwirtschaftliche Anlage im Land haben, die über drei verschiedene Wasserquellen verfügt: Oberflächenwasser, Grundwasser und aufbereitetes Abwasser“, so Monteiro, der das Projekt als eine der „strukturellsten Maßnahmen“ beschreibt, die im regionalen Wassereffizienzplan vorgesehen sind.
Die Entsalzungsanlage habe keine direkte Anwendung für die Landwirtschaft, da „das Meer sehr weit von den meisten landwirtschaftlichen Flächen entfernt ist und die Energiekosten mit Pumpstationen sehr hoch sind“. Doch dadurch, dass andere Verbraucher über die Entsalzungsanlage versorgt werden könnten, würde mehr Wasser in den Staudämmen für die Landwirtschaft übrig bleiben. „Die Nutzung dieses Wassers, zusammen mit dem aus den Grundwasserleitern und aufbereiteten Abwässern, ist ein innovatives Projekt auf nationaler Ebene, das die Bewässerung von 500 bis 600 Hektar Anbaufläche, u. a. von Avocados, ermöglichen soll“, so Monteiro.
Partner des Projekts sind der Verband der Bewässerungslandwirte der Ostalgarve, die Regionaldirektion für Landwirtschaft und Fischerei der Algarve, die portugiesische Umweltagentur/ARH Algarve und die Generaldirektion für Landwirtschaft und ländliche Entwicklung sowie das Wasserversorgungsunternehmen Águas do Algarve, das für die Verwaltung der Stauseen Odeleite und Beliche in der Ostalgarve zuständig ist.
Text und Fotos: Anabela Gaspar in ESA 06/2022