Eine starke Botschaft
Susana Cereja ist eine junge interdisziplinäre bildende Künstlerin, die traditionelle Techniken aufgreift und innovativ einsetzt, um zeitgenössische Kunst zu kreieren. Eine zentrale Rolle spielt bei ihrer Arbeit die Teppichkunst aus Arraiolos.
Es war ihr Werk Saudade, das unsere Aufmerksamkeit auf sich zog. Ein knallroter Arraiolos-Wandteppich, auf dem eine Frauenfigur in zarten Farben zu sehen ist. Nicht nur das Design weckte unsere Neugier, sondern auch die runden Linien, die für die traditionelle Teppichkunst aus Arraiolos, eine Kleinstadt im Herzen des Alentejo, ungewöhnlich sind. Wir machten uns auf die Suche und entdeckten eine ausgesprochen freundliche junge Künstlerin, die Feuer und Flamme für ihre Kunst ist.
Susana Cereja zeichnet und malt, sie arbeitet mit Grafikdruck und polychromem Gips und stickt Arraiolos-Wandteppiche. Eine Zeit lang setzte sie sich mit jeder einzelnen Technik getrennt auseinander, mittlerweile vereint sie alle mit der Teppichkunst aus dem Alentejo.
Arraiolos hat sie 2016 für sich entdeckt, als sie auf der Suche nach einer neuen Herausforderung war. „Ich wollte etwas im Textilbereich machen, mich jedoch einer Technik widmen, die in der zeitgenössischen Kunst keine Anwendung fand. Etwas, was in der Zeit stehen geblieben ist. So kam ich auf die Arraiolos-Teppichkunst, die sehr bekannt und beliebt für ihre Farbenvielfalt, ihre Akkuratesse und für ihre Langlebigkeit ist, sich aber in Sachen Design nicht entwickelt hat“, erklärt Susana. Über Monate versuchte sie eine Kunsthandwerkerin in Lissabon dazu zu überreden, ihr die Technik beizubringen, bis es ihr schließlich gelang. Danach beschloss Susana sich zum Ursprung zu begeben, um noch mehr über die uralte Technik zu erfahren.
In Arraiolos besuchte sie die Werkstätte und das Informationszentrum der Teppichkunst. Dabei fiel ihr auf, dass einige Teppiche kleinere Stiche aufwiesen und dadurch feiner wirkten. „Man sagte mir, dass es ein Stich aus dem 16. Jh. sei, der runde Linien ermöglicht“, so die Künstlerin.
Diesen Stich verwendet sie nun für die Konturen ihrer Tapisserien, und den traditionellen Arraiolos-Kreuzstich zum Füllen. Sie verzichtet auf die für Arraiolos so typische Rahmen sowie auf die rechteckige Form. Ständig experimentiert Susana mit den Stichen und derzeit testet sie, ob statt Jute eine andere Grundlage verwendet werden kann. „Aber natürlich ist es mir wichtig, dass man die traditionelle Technik als Basis meiner Werke erkennt“, betont sie.
Eines der wiederkehrenden Themen in Susanas Werken sind Frauen. Für die junge Künstlerin haben Frauen eine unglaubliche innere Stärke. „Eine innere Flamme“, so Susana, „die aber oft im Laufe des Lebens erlischt, weil uns die Familie und die Gesellschaft Lasten aufbürdet. Viele Frauen akzeptieren die Rolle, die die Gesellschaft ihnen als Ehefrau und Mutter auferlegt, sie stellen sich selbst an zweite Stelle und fühlen sich dann nicht erfüllt und oft depressiv. Ich möchte diese Frauen dazu ermutigen, ihre Flamme neu zu entfachen, an ihre innere Stärke zu glauben. Wenn wir unsere Flamme nicht erlöschen lassen, kann uns niemand aufhalten“, sagt Susana enthusiastisch.
Ebenfalls thematisiert werden Emotionen, „weil ich der Ansicht bin, dass die meisten Menschen ihre Emotionen nicht ausdrücken“, und Freiheit. „Wir leben in einer Demokratie und halten uns daher für frei, aber in Wirklichkeit gibt es viele Dinge in unserem Leben, die uns zu Gefangenen machen. Ich möchte die Menschen zum Nachdenken anregen. Sind wir frei oder nicht? Und was bedeutet Freiheit?“
Die Farbpallette wählt sie nicht willkürlich, sondern dient der Vermittlung ihrer Botschaft. Sie greift zu starken Farben, um die Menschen zu bewegen. Rot ist stets präsent, weil es eine starke Farbe ist und als Symbol für die „innere Flamme“ der Frau steht.
Susana besitzt diese Kraft und eine ansteckende Energie, die unerschöpflich scheint. Sie ist fest davon überzeugt, dass mit harter Arbeit, Engagement und Hingabe alles erreicht werden kann. Und Susanas bisheriger Werdegang beweist, dass sie ihre Ziele beharrlich verfolgt.
Sie wurde 1992 in Mafra geboren. Schon als Kind war sie energiegeladen und stets auf der Suche nach neuen Herausforderungen. Zeichnen und Malen gehörten zu ihren Leidenschaften. „Online Tutorials gab es damals noch nicht, dafür konnte man sich CDs aus aller Welt bestellen, um Maltechniken zu lernen. Das tat ich, lernte immer Neues dazu und verkaufte – mit nur zwölf Jahren – sogar meine Bilder“, erinnert sie sich. Den Schulabschluss machte sie mit Schwerpunkt Kunst, studierte dann aber, dem Rat der Eltern folgend, Architektur. „Sie sahen in diesem Studium eine sichere Zukunft“, erklärt sie lächelnd. Bereuen tut sie es keinesfalls. Nicht nur gefiel ihr die kreative Seite der Architektur, sondern das Studium verlieh ihr „Werkzeuge“ und öffnete Susana Möglichkeiten, die ihre Arbeit bis heute prägen.
Dennoch beschloss sie im dritten Jahr, parallel zu ihrem Architekturstudium, Illustration und Zeichnung an der Fakultät der Bildenden Künste zu studieren. Im selben Jahr wurde sie zudem eingeladen, als Architektin im Atelier der bekannten portugiesischen Künstlerin Joana Vasconcelos zu arbeiten, die für ihre raumgreifenden Installationen bekannt ist, und in ihrer knappen Freizeit verfolgte Susana ihre künstlerischen Bestrebungen. „Kurz gefasst, ich hatte kein soziales Leben“, fügt sie gut gelaunt hinzu. Mit Abschluss des Studiums im Jahr 2016 blieb sie als Architektin im Atelier von Joana Vasconcelos angestellt. „Aber mir fehlte etwas. Architektur an sich erfüllte mich nicht“, so Susana. Der nächste Schritt war ein Druckgrafik-Studium in Barcelona; es folgten die Arraiolos-Kurse in Lissabon und im Alentejo sowie eine Fortbildung in Zeichnen an der Kunstschule ArCo in Lissabon. 2019 beschloss sie die fünfjährige Kooperation mit Joana Vasconcelos zu beenden, um sich ihrem eigenen künstlerischen Projekt zu widmen.
Seitdem nahm sie an diversen Kollektivausstellungen teil und hatte drei Einzelausstellungen, zwei in der Algarve und eine in Lissabon. Ihr Werk „Boadicea“ kann derzeit im Rahmen der Ausstellung (IM)MATERIALITY im Centro de Artes in Águeda gesehen werden. Im vergangenen Monat nahm sie an einer Künstlerresidenz in Estland teil, um die estnische Webkunst zu erlernen. Nun stellt sie dort die während dieser Zeit kreierten Werke aus. Ihr Ziel ist es, durch die Welt zu reisen, um weitere traditionelle Techniken zu lernen und diese mit Arraiolos zu verbinden. Ihr Traum: ausschließlich von ihrer Kunst zu leben und diese weltweit auszustellen.
Susana freut sich über Besuch im Atelier. Man kann entweder über das Projekt Curated Cultural Experiences, organisiert vom Netzwerk Portugal Manual und der nationalen Tourismusbehörde, einen Termin buchen oder direkt Kontakt mit ihr aufnehmen.
Text: Anabela Gaspar; Fotos: Nelson Chantre; Susana Cereja in ESA 11/2022
Susana Cereja
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