Poetische Bilder
Cyanotypie ist wie Zauberei. Sofort ist man gefesselt, von dem Vorgang wie diese blauen Bilder entstehen. Christina Kuhn führt uns in diese magische Welt ein. Bis Ende September ist eine Auswahl ihrer Werke im ESA-Büro zu sehen
Der Begriff Cyanotypie dürfte vielen unbekannt sein. Es handelt sich um ein altes fotografisches Edeldruckverfahren mit typisch cyanblauen Farbtönen, das auch Eisenblaudruck oder umgangssprachlich Blau- oder Sonnendruck genannt wird. Egal für welchen Begriff man sich entscheidet, alle sind passend, da die blauen Bilder durch die Verwendung einer chemischen Eisenlösung und der Einstrahlung von UV-Licht entstehen. Entdeckt wurde die Cyanotypie 1842 von dem Naturwissenschaftler John Herschel, große Verbreitung fand das Verfahren allerdings erst durch die Naturwissenschaftlerin Anna Atkins, die damit ihre Pflanzenentdeckungen dokumentierte. Die Düsseldorferin Christina Kuhn widmet sich dem Sonnendruck seit einem Jahr. „Zwei Jahre ging ich mit der Idee schwanger, bevor ich die ersten Bilder erstellte“, erinnert sie sich lächelnd.
Licht spielte schon immer eine große Rolle im Leben der ausgebildeten Innenarchitektin und Lichtdesignerin. „Vielleicht auch genetisch bedingt, da meine Mutter Italienerin ist und wir die Sommerferien stets in ihrer Heimat verbrachten. Es war jedes Mal sehr traurig wieder nach Hause fahren zu müssen“, erzählt sie. Früh stand daher für sie fest, dass sie im sonnigen Süden leben wollte. 2004 war es so weit. Christina zog mit ihrem Mann und ihrem Baby nach Odeceixe an der Westküste. „Aber als wir feststellten, dass es dort im Winter sehr einsam sein kann, sind wir nach Lagos gezogen und später in Praia da Luz gelandet, dem Strand des Lichtes. Was sehr passend ist, da mein Bedürfnis nach Licht sehr groß ist“, so Christina.
In Portugal hat sie viel Freiraum, um sich kreativ zu verwirklichen und probiert stets Neues aus, wie töpfern oder häkeln. Fotografie hat sie hingegen schon immer begleitet. Eine Zeit lang machte sie Fotostories. „Das sind konzeptionelle Arbeiten, bei denen ich über einen gewissen Zeitraum immer das gleiche Motiv fotografiere und danach eine Komposition erstelle, um zu sehen, welche Geschichte die Zeit erzählt“, erklärt Christina. Die meisten ihrer Fotografien zeigen Küstenlandschaften und das Meer bei Sonnenauf- und -untergang. „Es geht mir um das stimmungsvolle Licht und auch um die Reflexionen bei Ebbe am Strand. Das Schöne in Praia da Luz ist, dass im Winter die Sonne über dem Meer aufgeht und am Abend im Meer versinkt. Das sind für mich die spannendsten Momente der Fotografie“, berichtet sie begeistert.
Das Christina auf Eisenblaudrucke stoßen würde, war nur eine Frage der Zeit. „Sie vereinen meine Liebe zur Natur, zur Sonne und zu Blau, meiner Lieblingsfarbe“, fasst sie zusammen. Der erste Schritt besteht darin, bei Spaziergängen Blumen, Blätter, Gräser oder Algen zu sammeln, die sie anschließend trocknet und presst. Dabei schaut sie nach Pflanzen, die eine natürliche Transparenz, eine besondere Struktur oder Form haben. „Die Wilde Möhre und eine, die wie eine Pusteblume aussieht, aber kein Löwenzahn ist, gehören zu den spektakulärsten“, so Christina enthusiastisch.
Danach geht sie in die Dunkelkammer, um das Papier mit einer lichtempfindlichen Lösung zu beschichten, die sie aus zwei Eisensalzen mischt. Nachdem die Lösung trocken ist, arrangiert Christina die Kompositionen. Mal sind es klassische Blumenmotive, mal erstellt sie Fische für ihre Unterwasserwelten oder Tänzerinnen. „Ich versuche die Pflanzen möglichst fest auf das Papier zu pressen, damit die Konturen schärfer sind. Aber man kann auch mit verschiedenen Ebenen spielen, indem einige Pflanzen nur als Schatten sichtbar sind bzw. nur verschwommen als dunkler Hintergrund“, erklärt sie.
Es folgt die Belichtung im Freien, bei der das Eisen unter dem UV-Licht blaue Kristalle bildet. Christina nutzt den Höchststand der Sonne, wenn die UV-Strahlen am stärksten sind. Somit ist nur eine kurze Belichtung nötig. Zuletzt wäscht sie die Bilder aus. Dort wo kein Kontakt zum Licht war, wäscht sich die Eisenlösung aus und das weiße Papier erscheint. „Zu sehen, wie sich Konturen und Formen auf dem Papier bilden ist magisch! Es entstehen wunderschöne poetische Bilder“, berichtet Christina begeistert. Abhängend von der aufgetragenen Menge der Eisenlösung, sind die Motive Mal heller Mal dunkler. „Auch wenn ich zehn Papierblätter gleichzeitig beschichte, entstehen unterschiedliche Blautöne, denn es kann sein, dass ich auf einem mehr Eisenlösung aufgetragen habe als auf dem anderen. Es ist eben ein handgemachtes Produkt. Jedes Bild ist ein Unikat“, schließt Christina ab.
Text: Anabela Gaspar; Fotos: Anabela Gaspar; Christina Kuhn in ESA 08/2022
Christina Kuhn
c.kuhn@ablelabel.eu
Instagram: deluz351
Wo findet man Christinas Bilder:
Stand an der Promenade von Praia da Luz (nach Absprache)
In „Lindas Atelier“
in Lagos & „Kailuz“ in Burgau