Fischer in Szene gesetzt
Von Ellwangen in Süddeutschland zum Big Apple und nun in der Algarve. Angelika Grundler fotografierte Rockstars und Schauspieler, nun sind die Fischer von Armação de Pêra ihr Lieblingsmotiv.
Wir treffen uns mit Angelika Grundler am Ostende der Promenade von Armação de Pêra an dem Strandabschnitt, wo die Boote, Netze, Fanggeräte und Baracken der Fischer ihren Platz haben. Sonnenanbeter müssen sich den Strand mit den Fischern teilen. Badetücher und Sonnenschirme werden zwischen den Booten und Fanggeräten platziert. Ab und zu kommt es vor, dass das Badetuch zur Seite geschoben wird, weil der Traktor ein Boot ins oder aus dem Wasser zieht. Hier und da flicken alte Seebären die Fangnetze.
Möwen laufen – angezogen vom starken Fischgeruch – über den Strand. Ein eher seltenes Bild in der Algarve, denn im Laufe der Jahrzehnte mussten die Fischer von ihren Stränden weichen, um für die internationale Schar von Sonnenhungrigen Platz zu schaffen. Beim Großteil der Gemeinden liegen die Fischerboote nun im Hafen. Ausnahmen sind u. a. Senhora da Rocha, Monte Gordo oder Armação de Pêra – kurioserweise der Ort, in dem in den 1950er Jahren die nationale Tourismusbehörde des Salazar-Regimes eines der ersten Kasinos im Lande als eine der Säulen des aufkommenden Tourismus errichten ließ.
Angelika entdeckte den Strand der Fischer vor etwa einem Jahr, kurz nachdem sie in die Algarve gezogen war. Ihr „fotografisches Auge“ war begeistert. „Ich dachte mir sofort, das ist ein großartiges Motiv! Sehr charmant, kräftige Farben, interessante Gesichter“, fasst die Fotografin zusammen. Seitdem ist Angelika regelmäßig vor Ort, kennt praktisch alle Fischer mit Namen und hat eine gute Beziehung zu ihnen aufgebaut. Jeder grüßt sie herzlich, ruft und winkt ihr zu. Normalerweise lassen sie sich ungerne fotografieren, aber für Angelika posieren sie sogar stolz.
Bis vor Kurzem war die Fotografin noch in einem ganz anderen Milieu unterwegs. In einem Dorf in Süddeutschland geboren und aufgewachsen, stand für Angelika früh fest, dass sie auswandern würde. Nach ihrer Ausbildung zur Fotografin in Stuttgart spezialisierte sie sich auf Porträtfotografie und arbeitete eine Zeit lang als Fotojournalistin, bevor sie 1994 nach New York ging. Am Big Apple assistierte sie über mehrere Jahre bekannten Mode- und Werbefotografen und erhielt nach einem Aufenthalt in Frankreich erste Aufträge von Pariser Verlagen und Modehäusern. Ihr Stil erregte daraufhin die Aufmerksamkeit europäischer und US-amerikanischer Magazine sowie verschiedener Plattenfirmen, für die sie die Albumcover fotografierte. Im Laufe der Jahre arbeitete Angelika für Magazine wie People Magazine, Elle, French Marie Claire, Jeune et Jolie und Seventeen sowie für TV-Shows wie America´s Next Top Model.
Nach vielen erfolgreichen Jahren kam es zu einer Wende in ihrem Leben. „Aus gesundheitlichen Gründen musste mein Mann seine Musikkarriere abrupt beenden. Dann kam noch die Pandemie dazu. Da wir seit vielen Jahren ein Ferienhaus in Caldas da Rainha besaßen, beschlossen wir nach Portugal zu ziehen“, fasst Angelika den Umzug zusammen. Während eines Aufenthaltes in der Algarve, entdeckten sie Alcantarilha. „Wir wurden in diesem noch traditionellen Dorf herzlich von den Bewohnern aufgenommen, dazu die wunderbaren Strände in der Nähe, die Möglichkeit fast das ganze Jahr im Meer zu schwimmen und das Klima. Als Fotografin war ich von dem besonderen Licht entzückt, vor allem von der rosaroten Stunde nach dem Sonnenuntergang“, erzählt sie. Dennoch waren es die Fischer, die Angelikas Herz gewannen.
„Meine Leidenschaft war schon immer Fotodokumentation. Als ich hier ankam war alles neu und ungewohnt, ich war auf Entdeckungstour und immer wieder begeistert. Dann bin ich den Fischern begegnet und war total fasziniert von diesen Persönlichkeiten“, erinnert sich Angelika. „Es sind nicht nur die von der Sonne gegerbten Gesichter mit tiefen Furchen, die mich begeistern. Es ist ihr Lebensstil und ihre -einstellung, das, für was sie stehen. Die Fischer sind die Essenz der Algarve, sie verkörpern das Traditionelle der Region“, so Angelika enthusiastisch. „Auch das Handwerk, wie sie ihre Netze flicken und Fanggeräte reparieren und sich den Naturgewalten aussetzen. Es sind starke Männer mit viel Charakter. Außerdem gefällt mir der Kontrast zwischen der Skyline von Armação und den Baracken und Fischerbooten am Strand. Zwei unterschiedliche Welten, die an einem Ort koexistieren“, erzählt sie weiter.
Mit ihren Fotografien möchte Angelika die Tradition der Fischer festhalten. „Ich finde es sehr wichtig, dass man das den Menschen vor Augen führt. Viele kommen und verbringen hier ihren Urlaub, nehmen die Fischer aber nicht wahr. Selbst hier, wo sie den Strand mit ihnen teilen. Hinzu kommt, dass das Durchschnittsalter der aktiven Fischer hoch ist. Die Jungen wollen nicht mehr aufs Meer raus. Irgendwann werden die bunten Fischerboote und diese Lebenskünstler verschwinden“, gibt Angelika zu bedenken. „Daher setze ich die Fischer kunstvoll in Szene und hoffe, dass ich mit den Fotos Aufmerksamkeit errege und auch die Jungen inspiriere diese Tradition weiterzuführen“.
Text: Anabela Gaspar; Fotos: Angelika Grundler, Anabela Gaspar in ESA 09/2022
Angelika Grundler
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