Es lebe Portugal und sein Volk!
Am Todestag des Dichters Luís de Camões gedenken Portugiesen weltweit ihrem Dia de Portugal, de Camões e das Comunidades Portuguesas
Am 10. Juni feiern Portugiesen und portugiesische Emigranten weltweit ihren Nationalfeiertag Dia de Portugal. In Toronto in Kanada finden gleich an mehreren Tagen Paraden und Feierlichkeiten zu Ehren des Portugal Day statt. In London lädt die portuguese community zum Musikfestival im Kennington Park ein. In Hamburg trifft sich in diesem Jahr die „Portugiesische Gemeinschaft Deutschlands“ anlässlich ihres 50-jährigen Bestehens mit Feierlichkeiten unter der Schirmherrschaft der Portugiesischen Botschaft Berlins, im Portugiesenviertel an den Landungsbrücken. In Portugal findet die Gedenkfeier, mit Ansprache des Republikpräsidenten Anibal Cavaco Silva, dieses Jahr in Guarda statt. Dia de Portugal, de Camões e das Comunidades Portuguesas. Portugal Tag, Tag des Camões und der Gemeinschaft aller Portugiesen. So heißt der portugiesische Nationalfeiertag seit 1978. Nach der Konstitution der ersten Portugiesischen Republik 1910 betrachteten die Republikaner den Todestag des berühmten portugiesischen Dichters Luís de Camões zunächst nur als städtischen Feiertag. Später wurde der 10. Juni dann zum Nationalfeiertag erhoben und blieb aber gleichzeitig für Lissabon auch weiterhin der Städtefeiertag. Im Estado Novo, unter der Regierung von Salazar, hieß der Nationalfeiertag bis zur Nelkenrevolution 1974 „Tag der Portugiesischen Rasse“. Luis Vaz de Camões, geboren 1524, der Mann, dem Portugal den 10. Juni als Nationalen Feiertag, als Dia de Portugal, geweiht hat, vereinte gleich mehrere Herzen unterschiedlichster Größe in seiner Seele. Er war Humanist, Dichter, Soldat und Herzensbrecher. In erster Linie war Camões Humanist mit großer Tendenz zum Zeitalter der Erneuerung geprägt, durch sein Humanistisches Studium bis 1542 an der Universität von Coimbra. Camões befasste sich vor allem mit Literatur, mit neuen wissenschaftlichen Lehren und Theorien, er vertiefte sich in revolutionäre Visionen der Renaissance und ihrer Denker. Doch er war nicht nur ein wissbegieriger Student, er war auch ein junger Mann, der sich heftig verliebte, leider in die falsche Dame: Die Rede ist von der Infanta Dona Maria, Tochter des Königs Dom Manuel, der er etliche Balladen widmete. Anscheinend, so wird gesagt, sei sein poetisches Werben durchaus auf offene Ohren gestoßen und so kam es, dass Camões 1545 auf Geheiß des Königs den Militärdienst in Afrika antreten musste und auf dem Schlachtfeld um das Geringe von Ceuta landete, wo er im Kampf sein rechtes Auge verlor. Drei Jahre später kehrte er nach Lissabon zurück und sein Werben um die Angebetete, die ihren Verehrer fortan nur noch „Gesicht ohne Augen“ nannte, begann erneut. Auch blieb besagte Dame nicht die einzige, die das Herz des Dichters höher schlagen ließ, was zwangsläufig zu Konflikten führte. Nach einem Degenduell mit einem „gehörnten“ Edelmann landete Camões für neun Monate im Kerker im Turm von Lissabon. Nach einem Gnadengesuch wurde er unter der Bedingung entlassen, an Bord der São Bento nach Indien zu segeln. Camões akzeptierte und kämpfte viele Jahre und viele Schlachten als königstreuer Soldat in Ostafrika, in Indien, in Indochina, in Asien und kehrte erst 1570 nach Lissabon zurück. Seine Erlebnisse und Beobachtungen im Kampf um die Eroberung Neuer Welten verarbeitete Camões in seinem Meisterwerk mit literarischer und historischer Weltgeltung: Os Lusíadas – Die Lusíaden. Das Werk umfasst ein homerisch orientiertes, poetisch verfasstes Epos in zehn Gesängen mit 1.102 Strophen. Jede Strophe „besingt“, chronologisch aufgeführt, die portugiesischen Entdeckerexpeditionen. Ein authentisches Mammutzeugnis für literarisch genutzte Emphase hinsichtlich Sprache, Mythologie, Form und Sinn, in der damals gerade erst erblühenden portugiesischen Literaturlandschaft. Eine Inititialzündung für portugiesische Dichtung überhaupt. Im Gegensatz zu vergleichbar umfassenden Werken oder Heldensagen fokussiert Camões sich nicht auf die Errichtung eines Weltreiches durch Gewalt, er konzentriert seine erzählende Verdichtung auf die Menschen im Kriegsgeschehen und besingt den Mut der Soldaten, ihre großen und kleinen Heldentaten, ihre Ängste, ihre Leiden. Er selbst hatte Gewalt erfahren und hatte Gewalt angewendet, er wusste worüber er schrieb. Camões behauptete, er sei kein Poet, er habe die Lusíaden nicht erdichtet, er hätte Geschehenes berichtet. Auf diese Weise schuf Camões ein unvergleichbar wertvolles Paradigma für die sich erneuernde Kulturidentität der Portugiesen im Zeitalter der Renaissance. Camões schuf, literarisch aufbereitet, ein Volk. Er gab den Menschen ein Gesicht, ein Herz, eine Form. Strophe für Strophe schildert Camões kontinuierlich seine Erinnerungen an die glorreichen Entdeckerfahrten und lässt den Lesenden parallel dazu immens viel Raum für Gefühl und Intuition hinsichtlich der Interpretation zwischen den Strophen und ihrer Metapher. Die Entdeckerfahrten von Vasco da Gama gaben Camões die Rahmenhandlung für sein Werk am Übergang der Antike zur Neuen Welt und er widmete sein Epos dem König Dom Sebastião. Camões hat dem kleinen Land am Ende von Europa mit den Os Lusíadas den Atem der Ewigkeit angedichtet und die lusitanische Seele entblättert. Sein Epos gilt bis heute als Synonym für Portugal und sein Volk, als Hommage für Gloria und Sieg, für Patriotismus und für Saudades. Der Dichter selbst kann als Gesandter seines humanistisch orientierten Denkens betrachtet werden, sein Schaffen als starkes Echo bis in die Gegenwart. Viva Portugal – Es lebe Portugal und sein Volk.
Catrin George
ESA 06/14