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You are at:Home»Nachrichten»Portugals Verfassungsgericht kippt zentrale Teile der Staatsangehörigkeitsreform
Nachrichten

Portugals Verfassungsgericht kippt zentrale Teile der Staatsangehörigkeitsreform

By agasparDi. 16. Dezember 20255 Mins Read

Das portugiesische Verfassungsgericht (Tribunal Constitucional, TC) hat die Reform des Staatsangehörigkeitsrechts in wesentlichen Punkten für verfassungswidrig erklärt. Insgesamt beanstandete das Gericht vier Bestimmungen der neuen Nationalitätsgesetzgebung, drei davon einstimmig. Anlass war ein Antrag der Sozialistischen Partei (PS) auf präventive Normenkontrolle zu Änderungen im Staatsangehörigkeitsrecht sowie zu einer Zusatzregel im Strafgesetzbuch über den Verlust der Staatsangehörigkeit nach strafrechtlichen Verurteilungen.

Als verfassungswidrig eingestuft wurde zunächst die Regel, die Personen mit einer Verurteilung zu zwei oder mehr Jahren Haft den Erwerb der Staatsbürgerschaft verwehrt. Dies stelle eine unverhältnismäßige Einschränkung eines Grundrechts dar und verstoße zudem gegen den verfassungsrechtlichen Grundsatz, wonach Strafen nicht automatisch zum Verlust ziviler, beruflicher oder politischer Rechte führen dürften, erklärte TC-Präsident José João Abrantes.

Auch eine Bestimmung, wonach die Konsolidierung der Staatsangehörigkeit bei „offenkundigem Betrug“ nicht greife, wies das Gericht zurück. Der Begriff sei rechtlich nicht hinreichend bestimmt. Eine weitere Norm, die Anträge an das Datum der erteilten Aufenthaltserlaubnis und nicht an das Antragsdatum knüpft, verletze den Vertrauensschutz und enttäusche legitime Erwartungen der Betroffenen. Schließlich erklärte das Gericht auch jene Regelung für verfassungswidrig, die den Entzug der Staatsangehörigkeit bei Verhaltensweisen erlaubt, die eine Ablehnung der nationalen Gemeinschaft und ihrer Symbole darstellen – mangels konkreter Definition solcher Verhaltensweisen.

Unabhängig davon erklärte das Verfassungsgericht einstimmig auch eine im Strafgesetzbuch vorgesehene Nebenstrafe des Staatsangehörigkeitsentzugs für unzulässig. Diese verstoße gegen den Gleichheitsgrundsatz, da sie zwischen gebürtigen und eingebürgerten Portugiesen sowie nach der Dauer des Staatsangehörigkeitsbesitzes differenziere.

Die Gesetze gehen nun an das Parlament zurück. Aufgrund der bei der Verabschiedung erreichten Zweidrittelmehrheit könnten sie jedoch trotz der festgestellten Verfassungswidrigkeiten erneut bestätigt werden.

Verschärfte Kriterien für den Erwerb der Staatsangehörigkeit

Das Parlament hatte die Reform am 28. Oktober mit 157 Stimmen von PSD, Chega, IL, CDS-PP und JPP verabschiedet; 64 Abgeordnete von PS, Livre, PCP, BE und PAN stimmten dagegen. Die PS beantragte anschließend die verfassungsrechtliche Prüfung. Ziel der Reform war eine Verschärfung der Einbürgerungskriterien, darunter die Verlängerung der Mindestaufenthaltsdauer von fünf auf zehn Jahre – beziehungsweise sieben Jahre für Bürger aus portugiesischsprachigen Ländern und aus der EU – sowie die Einführung des Staatsangehörigkeitsentzugs als Nebenstrafe bei schweren Verbrechen.

Es ist bereits das zweite Mal innerhalb von vier Monaten, dass das Verfassungsgericht Gesetze mit Bezug zu ausländischen Staatsangehörigen beanstandet. Im August hatte es im Zusammenhang mit der sogenannten Ausländergesetzgebung mehrere Bestimmungen für verfassungswidrig erklärt. Daraufhin legte Staatspräsident Marcelo Rebelo de Sousa sein Veto ein und verwies das Gesetz an das Parlament zurück.

Reaktionen der Parteien auf das Urteil zur Staatsangehörigkeitsreform

  • Die Sozialistische Partei (PS) kritisiert das Vorgehen der Regierung, zeigt sich aber gesprächsbereit. Die Partei ist offen für neue Verhandlungen mit PSD und CDS, um die beanstandeten Punkte zu korrigieren und eine verfassungskonforme Reform ohne „Radikalismus“ zu erreichen. Die PS lehnt insbesondere den Entzug der Staatsangehörigkeit als Nebenstrafe im Strafrecht ab und macht die Annäherung der PSD an Chega für das Scheitern verantwortlich.
  • Die Sozialdemokratische Partei (PSD) bewertet das Urteil insgesamt positiv. Nach Ansicht der Partei hat das Verfassungsgericht die „zentralen und strukturellen Punkte“ der Reform bestätigt. Die als verfassungswidrig erklärten Bestimmungen will die PSD prüfen und gegebenenfalls überarbeiten, sieht aber keinen Grund zur grundsätzlichen Kursänderung.
  • Die Iniciativa Liberal (IL) zeigt sich teilweise „perplex“ über die Entscheidung des Gerichts. Sie betont, dass die Verlängerung der Fristen für den Erwerb der Staatsangehörigkeit – aus ihrer Sicht die wichtigste Maßnahme – nicht beanstandet wurde. Kritisch sieht die Partei jedoch, dass das Gericht den Ausschluss schwerer Straftäter vom Erwerb der Staatsangehörigkeit zurückgewiesen hat.
  • Livre wirft den rechten Parteien vor, die Reform bewusst trotz bekannter Verfassungswidrigkeiten verabschiedet zu haben, um anschließend das Verfassungsgericht und letztlich die Verfassung selbst anzugreifen. Die Partei warnt vor einer politischen Strategie, die auf eine Verfassungsrevision abzielt.
  • Die Kommunistische Partei (PCP) hält die Entscheidung für folgerichtig und spricht von „offensichtlichen“ Verfassungswidrigkeiten. Sie zeigt sich erstaunt darüber, dass die Initiatoren der Reform mit keinem anderen Ausgang gerechnet hätten, und kritisieren das Vorgehen als politisch verantwortungslos.
  • Die Bloco de Esquerda bezeichnet das Urteil als „klare und deutliche Niederlage“ der Regierung und der extremen Rechten. Die Partei hält die Staatsangehörigkeitsfrage für ein künstlich geschaffenes Thema und kritisiert, dass sie die Aufmerksamkeit von drängenden sozialen Problemen wie dem Gesundheitswesen ablenke. Die Partei kündigt an, die Reform weiterhin entschieden abzulehnen.
  • Die rechtsnationale Partei Chega verurteilte die Entscheidung des Verfassungsgerichts scharf. Der Abgeordnete Francisco Gomes sprach von einem „Verrat an Portugal“ und warf dem Gericht sowie den Linksparteien eine völlige Entfremdung von der Lebensrealität der Bevölkerung vor. Nach Ansicht von Chega verschärft das Urteil soziale Desorganisation und Unsicherheit im Land. Gomes stellte zudem die Verfassung selbst infrage und forderte deren Überarbeitung, falls sie das Volk nicht mehr schütze. Chega wirft der Linken vor, über die Gerichte Politik zu machen, und betont, Portugal könne nur mit harten Einwanderungs- und Staatsangehörigkeitsgesetzen „im Dienst des Volkes“ ein ernstzunehmender Staat werden.

Insgesamt zeigt sich ein deutliches politisches Spannungsfeld: Während die rechten Parteien das Urteil relativieren und an der Reform festhalten wollen, sehen die linken Parteien ihre Kritik bestätigt und fordern eine grundlegend andere Herangehensweise.

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