In Portugal sind rund 33.000 zugelassene Rechtsanwälte tätig. Rechtsanwalt und advogado Dr. Alexander Rathenau beantwortet im zweiten Teil seines Beitrages die am häufigsten gestellten Fragen zu diesem Berufsstand
8. Hat der advogado die Pflicht, sich fortzubilden?
Die portugiesische Berufsordnung sieht zwar die Pflicht des Rechtsanwaltes zur Fortbildung vor, konkretisiert diese jedoch nicht näher. Die regelmäßige Fortbildung wird (nur) als Teil der beruflichen Sorgfaltspflichten angesehen. Dabei ist die portugiesische Anwaltskammer für die Organisation und Koordinierung der Fortbildungsangebote zuständig. Auch das deutsche Berufsrecht sieht keine Pflicht zur Fortbildung vor. Eine Ausnahme hierzu bildet die in Deutschland eingeführte Pflicht für Rechtsanwälte, die ab dem 1.8.2022 zugelassen werden. Nur der portugiesische Fachanwalt (advogado especialista) muss sich regelmäßig fortbilden und dies auch nachweisen. Nur sehr wenige Rechtsanwälte haben in Portugal einen Fachanwaltstitel, da u. a. die Voraussetzungen für den Erwerb nicht attraktiv sind. So muss der Rechtsanwalt z. B. mindestens zehn Jahre ununterbrochen auf dem spezialisierten Gebiet tätig gewesen sein.
9. Welche Pflichten hat der advogado gegenüber Anwaltskollegen?
Der Rechtsanwalt ist im Umgang mit anderen Rechtsanwälten zu professionellem kollegialem Verhalten verpflichtet. Selbst wenn er sich durch Aussagen des Anwalts der Gegenseite beleidigt fühlt, darf er nicht auf die Provokation eingehen oder gar in gleicher Weise antworten. Kritik an dem Rechtsanwalt der Gegenseite ist aber in sachlicher Form zulässig. Der Rechtsanwalt ist außerdem zur besonderen Rücksichtnahme und Loyalität seinen Kollegen gegenüber verpflichtet. Er hat die Kontaktaufnahme mit der anwaltlich vertretenen Gegenseite zu unterlassen und auf den Kontakt mit dem Rechtsanwalt der Gegenseite zu beschränken.
10. Was kennzeichnet den Vertrag zwischen dem advogado und seinem Mandanten?
Der Anwaltsvertrag ist in Portugal normalerweise als Mandatsvertrag ausgestaltet. Hierbei handelt es sich um einen Geschäftsbesorgungsvertrag. Der Rechtsanwalt hat grundsätzlich den Weisungen seines Auftraggebers Folge zu leisten. Ausnahmen von der Weisungsgebundenheit ergeben sich in dringlichen Fällen und insbesondere aus dem Berufsrecht. Er hat den Mandanten jederzeit auf dessen Verlangen hin Auskunft über den Stand der Rechtsangelegenheit zu erteilen. Der Rechtsanwalt ist verpflichtet, die Übernahme solcher Rechtssachen abzulehnen, zu deren Bearbeitung ihm die fachliche oder zeitliche Kapazität fehlt (Art. 98 der Berufsordnung).
11. Kann der Anwaltsvertrag beendet werden?
Der Anwaltsvertrag ist grundsätzlich jederzeit von jeder Partei frei kündbar. Unberührt hiervon bleibt ein etwaiger Schadensersatzanspruch, sollte die Kündigung der Gegenseite einen Schaden verursacht haben, etwa weil sie ohne hinreichenden zeitlichen Vorlauf ausgesprochen wurde. Insbesondere kann auch dem Rechtsanwalt ein Anspruch auf Schadensersatz zustehen, etwa weil der Anwaltsvertrag für einen bestimmten Zeitraum geschlossen wurde und dieser noch nicht abgelaufen war. Besonderheiten bestehen bei einem Prozessmandat. Der Prozessbevollmächtigte darf sein Mandat hingegen nur bei Vorliegen von gewichtigen Gründen niederlegen (Art. 100 Abs. 1 e) der Berufsordnung). Eine Vertragsauflösung kommt in diesen Fällen nur in Betracht, wenn einer Partei die Zusammenarbeit nach Treu und Glauben nicht mehr zugemutet werden kann.
12. Wechselt der Mandant seinen Rechtsanwalt, was muss der neue Rechtsanwalt tun?
Wechselt der Mandant den Rechtsanwalt, darf der neue Vertreter das Mandat nach portugiesischem Berufsrecht erst aufnehmen, nachdem er Sorge dafür getragen hat, dass dem früheren Vertreter die ihm zustehende Vergütung gezahlt wird. Er hat dahingehend auf den Mandanten einzuwirken und dem früheren Vertreter mitzuteilen, inwieweit er sich für die Begleichung der Honorare eingesetzt hat (Art. 112 Abs. 2 der Berufsordnung). Das deutsche Recht kennt eine solche Regelung nicht.
13. Gewährt das portugiesische Recht Beratungs- und Prozesskostenhilfe?
Ja. Das Verfahren auf Bewilligung dieser Hilfe läuft in Portugal vor dem Sozialversicherungsamt. Der Antragsteller kann sich seinen Rechtsanwalt allerdings nicht selbst aussuchen. Das führt dazu, dass Antragsteller Rechtsanwälte beigeordnet bekommen, die weder fachlich geeignet sind noch die Sprache des Antragstellers sprechen. Die Beiordnung eines Pflichtverteidigers unterliegt nach portugiesischem Recht ähnlichen Voraussetzungen wie die Zuteilung eines Rechtsanwaltes. Mandatiert der Beschuldigte keinen Verteidiger seiner Wahl, wird ihm ein Verteidiger bestellt.
14. Wie hoch ist die Vergütung des Rechtsanwaltes?
Ein Anwaltsvertrag ist laut Gesetz entgeltlich, d. h. der Rechtsanwalt muss vor der Übernahme des Mandats sich nicht mit seinem Mandanten darüber einigen, dass er ein Honorar für seine Arbeit erhält. Der Rechtsanwalt hat seinen (potenziellen) Mandanten aber auf die voraussichtliche Höhe seiner Honorare hinzuweisen bzw. die gesetzlichen Kriterien zur Berechnung der Vergütung offenzulegen. Das portugiesische Berufsrecht sieht vor, dass die zu entrichtende Vergütung angemessen sein muss (Art. 105 Abs. 1 der Berufsordnung). Wurde zwischen Rechtsanwalt und Mandanten keine konkrete Vergütung vereinbart, ist diese in einem angemessenen Verhältnis zu den geleisteten Diensten festzulegen. Maßgebliche Kriterien für die Bestimmung der Höhe der zu veranschlagenden Vergütung sind gemäß Art. 105 Abs. 3 der Berufsordnung der zeitliche Umfang, die durch den Rechtsanwalt aufgewendeten Verbindlichkeiten, der Schwierigkeits- und Dringlichkeitsgrad der Sache, die erforderliche intellektuelle Kreativität, die Bedeutung der Sache, die erzielten Ergebnisse und die sonstigen beruflichen Bräuche und Sitten.
Die Angemessenheit der Vergütung ist also zunächst anhand des für das Mandat erforderlichen Zeitaufwandes zu bestimmen, der sich nach dem üblicherweise für eine Sache von vergleichbarer Bedeutung und Schwierigkeitsgrad aufzuwendenden zeitlichem Umfang bemisst. Außerdem sind die durch den Rechtsanwalt aufgewendeten Verbindlichkeiten zu berücksichtigen, wobei es sich zum einen um seine laufenden Verbindlichkeiten – wie etwa Festkosten für die Anmietung von Räumlichkeiten, Büromaterial und Personal – und zum anderen um die konkret in der Sache aufgewendeten Mittel handelt. Das Honorar bemisst sich ferner anhand des Umfangs, Schwierigkeits- und Dringlichkeitsgrades der Sache, der den notwendigen Arbeitsaufwand widerspiegelt, der zur Bearbeitung der Sache erforderlich ist oder dem zeitlichen Druck, der etwa von Eilverfahren ausgeht, des Weiteren anhand der erforderlichen intellektuellen Kreativität und der Bedeutung der Sache, die davon abhängen, wie kompliziert sich die Sache darstellt und mit welchem Aufwand die Lösungsfindung betrieben werden muss. Schließlich spielen die erzielten Ergebnisse eine ausschlaggebende Rolle, wobei hier alle durch den Anwalt in Gang gesetzten Kausalketten maßgeblich sind und nicht allein die möglicherweise bereits nach Ende der Mandatsbeziehung eingetretenen Endergebnisse. Schließlich sind außerdem die beruflichen Bräuche maßgeblich, wobei es sich um die allgemeine Handhabe innerhalb eines Gerichtsbezirks handelt, beispielsweise um die durchschnittlichen von den Rechtsanwälten eines Bezirks verlangten Vergütungen für bestimmte Angelegenheiten. Die Rechtsprechung stellt außerdem auf die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Mandanten ab.
Besteht Streit über die Höhe der zu entrichtenden Honorare, kann ein Gutachten bei der Kammer eingeholt werden. Diese kann aber nicht darüber entscheiden, ob ein Honorar oder Auslagen angefallen sind bzw. ob dieser Anspruch untergegangen oder verjährt ist. Dies festzustellen, obliegt den Gerichten.
Nach portugiesischem Recht können die zu entrichtenden Honorare gemäß Art. 105 Abs. 2 der Berufsordnung vorab schriftlich festgelegt werden. Anders als das deutsche Recht, kennt das portugiesische kein Verbot der sog. Gebührenunterschreitung. Dies ist damit begründet, dass es in Portugal keinen gesetzlichen Gebührenrahmen oder -tabelle vergleichbar mit dem deutschen Rechtsanwaltsvergütungsgesetz gibt. Es gilt also auch nach unten nur der Angemessenheitsgrundsatz.
In Portugal sind Erfolgshonorare grundsätzlich verboten. Hierbei handelt es sich um einen vor Abschluss der Rechtssache geschlossenen Vertrag, der das an den Rechtsanwalt zu zahlenden Honorar ausschließlich von dem Ergebnis abhängig macht und in dem sich der Mandant verpflichtet, dem Anwalt einen Teil des Ergebnisses zu zahlen.
Nach Beendigung des Mandatsverhältnisses ist der Rechtsanwalt grundsätzlich verpflichtet, dem Mandanten alle ihm übergebenen Wertgegenstände auszuhändigen. Bleibt der Mandant den Rechtsanwalt jedoch die Vergütung schuldig, ist der Anwalt berechtigt, von einem Zurückbehaltungsrecht zur angemessenen Deckung seiner Honorare und seiner Auslagen Gebrauch zu machen (Art. 101 Abs. 2 und 3 der Berufsordnung).
15. Hat die obsiegende Partei in einem Verfahren einen Anspruch auf Erstattung ihrer Anwaltskosten
Nein. Im Gegensatz zur Rechtslage in Deutschland trägt in Portugal jede Partei unabhängig vom Ausgang des Verfahrens ihre Anwaltskosten im Ergebnis meist selbst. Das ist eine verfassungsrechtlich bedenkliche Regelung, da dadurch viele Menschen davon abgehalten werden können, ihre legitimen Rechte geltend zu machen, da sie auch im Falle des Obsiegens auf – regelmäßig hohen – Kosten sitzen bleiben. Auf folgende prozessuale Besonderheit im portugiesischen Prozessrecht ist hinzuweisen: Die böswillig prozessierende Partei wird zu einer Geldstrafe und auf Verlangen der geschädigten Partei zur Zahlung einer Entschädigung verurteilt. Böser Wille liegt vor, wenn die prozessierende Partei vorsätzlich oder grob fahrlässig Ansprüche geltend macht, für die es offensichtlich keine Grundlage gab oder aber die Erfüllung von Ansprüchen ablehnt, obgleich es hierfür offensichtlich an einer Rechtsgrundlage fehlt. Darüber hinaus regelt das portugiesische Prozessrecht eine besondere Strafgebühr für prozessierende Parteien, die rechtsgrundlos und ohne die erforderliche Sorgfalt und Umsicht Prozesshandlungen vornehmen.
In ESA 07/2023
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