Umweltverschmutzung im Naturreservat
Im Dezember führte das Muschelfangverbot innerhalb der Ria Formosa zu Aufruhr unter der Bevölkerung und brachte das Thema Umweltverschmutzung in der Ria in die öffentliche Debatte. Nachdem der Staat den Fang wieder erlaubte, verstummten die selbsternannten Umweltschützer. António Terramoto macht jedoch, getreu seinem Namen, weiter Krach
Trotz der Ernennung zum Naturreservat im Jahr 1987 werden weiterhin fast täglich Abwässer in die Ria Formosa geleitet. Die Situation verschlechtert sich von Tag zu Tag und bedeutet somit für die Zukunft dieses einzigartigen Biotops, das noch vor drei Jahren bei der Wahl der Sieben Naturwunder Portugals ausgezeichnet wurde, eine Gefahr. Die Ria Formosa ist nicht nur ein Vogelparadies und eine der wichtigsten „Visitenkarten“ der Region, sondern hat auch einen wichtigen wirtschaftlichen Stellenwert dank der Vielfalt an Fischen, Meerestieren und Muscheln. 80 Prozent der in Portugal produzierten Venusmuscheln kommen aus der Ria Formosa. Doch die Kontamination der Gewässer der Ria zerstört langsam dieses Naturreservat. Seit über 20 Jahren werden an einigen Stellen Abwässer direkt in die Ria Formosa geleitet. Bewohner, Muschelfänger und Umweltschützer kritisieren die Verzögerung der Lösung des Problems. Auch die Kläranlagen scheinen nicht einwandfrei zu funktionieren. „Die westliche Kläranlage von Olhão, die seit 1993 in Betrieb ist, leitet täglich 5.000 Kubikmeter Abwässer in die Ria. Oft kommt es zu versehentlichen Ableitungen von ungeklärten Abwässern. Mal ist das Wasser blau, mal rot, mal grün. Immer sehr schaumig, und es stinkt in der gesamten Umgebung”, so António Terramoto von der Umweltschutzorganisation Somos Olhão. Das regionale Wasserunternehmen Águas do Algarve gibt Probleme mit dem Vorkommen von Fäkal-Coliforme im Wasser zu. Pro Liter Wasser dürfen nicht mehr als 87 Milligramm Fäkal-Coliforme auftreten. Wasseruntersuchungen in der Ria ergaben an einigen Tagen des letzten Jahres 200 Milligramm. Die niedrigsten gemessenen Werte lagen bei 90 Milligramm pro Liter. Des Weiteren ergab eine Studie der Universität der Algarve, dass die Sauerstoffkonzentration der Gewässer der Ria weit unter den normalen Werten liegt. Ende 2013 führte die hohe Anzahl der Fäkal-Coliforme zu einer neuen Einstufung sämtlicher Fang- und Zuchtgebiete von Muscheln innerhalb der Ria. Ein spanisches Unternehmen aus Galizien hatten 250 Tonnen Muscheln von der Ria Formosa gekauft, durch Untersuchungen Biotoxine festgestellt und Klage eingereicht. Die portugiesischen Behörden mussten daraufhin die Muscheln selbst untersuchen, stellten auch Fäkal-Coliforme fest und „sahen sich gezwungen, die Fanggebiete neu einzustufen“, so António Terramoto. „Denn die Wahrheit ist, dass diese neue Einstufung schon längst fällig war“, fügt er hinzu. „Die Behörden wissen seit langem, dass Abwässer in die Ria geleitet werden und dass die erlaubten Werte überschritten werden. Doch da es in der Gegend keine Tierzuchten gibt, denen man die Schuld zuweisen kann, hätten sie zugeben müssen, dass es an den schadhaften Kläranlagen und den illegalen Abwasserleitungen liegt. Der Staat hätte die Muschelzüchter entschädigen müssen, denn diese zahlen dem Staat nicht nur hohe Summen, um eine Fläche innerhalb der Ria zu nutzen, die scheinbar nichts wert ist, sondern auch noch eine Gebühr für die Nutzung des Wassers abtreten, das ihre Muscheln tötet! Daher haben sie bislang alles geheim gehalten. Aber nach der Klage der Spanier war dies nicht mehr möglich“, erklärt Terramoto, der seit Jahren auf die Umweltverschmutzung in der Ria aufmerksam macht und bereits 2009 deswegen bei der EU-Kommission eine Klage gegen den portugiesischen Staat einreichte. Zwischen Olhão und Vila Real de Santo António wurden alle Gebiete von A auf B und C herabgestuft. Nur in A-Gebieten gefangene Muscheln dürfen direkt verzehrt werden. Muscheln aus B-Gebieten müssen zuerst weitere Prozesse durchlaufen und Muscheln aus C-Gebieten dürfen nur der Verarbeitungsindustrie verkauft werden. 1.600 Muschelzüchter und weitere hunderte Muschelsammler sahen sich behindert „ihr tägliches Brot“ zu verdienen, da die meisten vom direkten Verkauf an den Endverbraucher leben. Sie protestierten in Olhão gegen die Herabstufung. An ihrer Seite standen die Bürgermeister von Faro, Tavira, Vila Real de Santo António und der von Olhão, António Pina, der selbst Muschelzuchten in der Ria hat. „Die Rathausangestellten von Olhão sind mitverantwortlich an der Situation“, hebt António Terramoto hervor, „Sie wissen, dass es in der Stadt Abwasserleitungen gibt, die an die Regenwasserableitungen angeschlossen sind und das Abwasser somit unbehandelt in die Ria fließt, unternehmen jedoch nichts. Sie wissen, dass auf den Inseln, wie Armona, kein Abwassersystem vorhanden ist, denn das Rathaus kassiert zwar Grundsteuer, hatte aber scheinbar bislang nie die finanziellen Mittel, um dringend nötige Infrastrukturen zu bauen. Derzeit werden jedoch einige Plätze in Olhão verschönert. Die Kosten dieser Arbeiten? Eine Millionen Euro!“, berichtet er empört. „Die Gewässer der Ria müssen Vorrang haben. Denn schöne Plätze bringen den Bewohnern, anders als die Ria, kein Brot auf dem Tisch!“, fasst António zusammen. Nach einem Treffen der regionalen Bürgermeister und der Vertreter der Muschelzüchter mit dem Staatssekretär für Meeresangelegenheiten Anfang Januar wurden sämtliche Gebiete von C auf B hochgestuft. Der Staatssekretär Manuel Pinto de Abreu versicherte zudem, im März die Einstufung noch einmal zu überarbeiten, um eine maximale Produktionsfläche zu erreichen. Das Versorgungsunternehmen Águas do Algarve will eine Umweltstudie durchführen lassen, anhand der ein neues Abwassersystem gebaut werden soll. Die schadhaften Kläranlagen von Olhão und Faro sollen ersetzt werden, die Bauarbeiten der neuen Kläranlagen jedoch erst 2016 beginnen. Terramoto warnt davor, die neuen Kläranlagen in der Ria zu bauen: „Es ist längst bewiesen, dass Abwässer von Kläranlagen nicht mit einem Naturschutzgebiet und vor allem nicht mit der Zucht von Muscheln kompatibel sind. Die Kläranlagen müssen nördlich von der EN 125 gebaut werden und den illegalen Ableitungen von Abwässern in die Ria ein Ende gesetzt werden!“ Bei dem Treffen mit dem Staatssekretär meinte der Vorsitzende des Meeresinstituts IPMA, dass man in Zukunft die Muschelzuchten nicht nahe den Kläranlagen und Abwasserabflüssen erlauben sollte. António Terramoto meint dazu entschlossen: „Die Ria und die Muschelzucht bestehen seit längerer Zeit als die Abwassersysteme oder die Kläranlagen. Zudem bringt die Muschelproduktion jährlich viel mehr Geld ein, als der Bau einer ordentlichen Kläranlage kosten würde. Es geht ja auch nicht nur um die Muscheln, sondern um den Schutz der gesamten Fauna und Flora der Ria“. António Terramoto fordert zudem dringend eine Ausbaggerung der Priele, um den stetigen Zufluss von frischem Meereswasser zu gewährleisten, das „nicht nur die Fäkalien wegschwämmt, sondern auch die Sauerstoffkonzentration erhöhen würde“. Er wird „trotz seiner fortgeschrittenen Jahre“ weiter für den Erhalt der Ria kämpfen.
Anabela Gaspar
ESA 02/14