Seit 1997 wird am 2. Februar, in Gedenken an die Ramsar-Konvention, ein internationales Übereinkommen über Feuchtgebiete von internationaler Bedeutung, der Welttag der Feuchtgebiete begangen. In der Algarve gibt es vier Ramsar-Gebiete
Die Ramsar-Konvention wurde 1971 in der gleichnamigen iranischen Stadt geschlossen und ist somit eines der ältesten internationalen Vertragswerke zum Naturschutz. Mit der Vereinbarung soll der Schutz der Feuchtgebiete als Lebensraum für Wasser- und Watvögel sowie als Grundwasserfilter und Überschwemmungsschutz sichergestellt werden. Portugal ist der Konvention 1980 beigetreten und verpflichtete sich somit dazu, die geeigneten Maßnahmen zu treffen, um die biologische Vielfalt in den ausgewiesenen Gebieten zu erhalten sowie weitere naturschutzwürdige Gebiete zu melden. Mittlerweile wurden 31 Feuchtgebiete ausgewiesen. Den Start machten die Ria Formosa und das Tejo-Ästuar, beide am 24. März 1981. 15 Jahre später wurden acht weitere Gebiete ausgewiesen, darunter die Ria de Alvor und der Sapal de Castro Marim e Vila Real de Santo António. 2001 und 2005 wurden Feuchtgebiete im Norden und in Zentral-Portugal in der Ramsar-Liste aufgenommen; 2008 erstmals Gebiete auf den Azoren. Zuletzt wurden 2012 drei Gebiete ausgewiesen, darunter die Ribeira do Vascão
Ria Formosa
Die Geister sollen sich heute noch darüber streiten, wie sich das komplexe Lagunensystem und die Inseln der Ria Formosa bildeten. Einig ist man sich darüber, dass es weltweit ein einzigartiges Ökosystem ist. Auch Portugals Behörden haben dies früh erkannt und die Ria Formosa 1978 zum Naturreservat und 1987 zum ersten Naturpark des Landes erklärt. Auf internationaler Ebene wurde die Ria 1980 als Ramsar-Gebiet ausgewiesen und zehn Jahre später zum „Besonderes Schutzgebiet von Europäischem Interesse“ erklärt. Seit 1999 ist es auch europäisches Vogelschutzgebiet und Teil des Natura 2000-Netzwerkes, ein EU-Netzwerk von Naturschutzgebieten, dessen Ziel es ist, das langfristige Überleben seltener und bedrohter Arten sowie deren Lebensräume in Europa zu sichern.
Die Ria Fomrosa erstreckt sich über 60 km von Quinta do Lago im Westen bis Manta Rota im Osten und nimmt eine Fläche von 18.000 Hektar auf. Die fünf Inseln und zwei Halbinseln, aus denen das Feuchtgebiet besteht sowie ihre Wasserläufe sind Lebensraum vieler Vögel, darunter unter Schutz stehende oder vom Aussterben bedrohte Spezies, und Raststätte für viele Zugvögel. Zu den Zugvögeln, die hier beobachtet werden können, zählt die Zwergseeschwalbe. Mit einem Gewicht von nur 45 g und einer Länge von 20 cm sind sie die kleinsten und die in Mitteleuropa seltensten Seeschwalben. In Deutschland gilt die Art als vom Aussterben bedroht und sie ist in der EU-Vogelschutzrichtlinie gelistet. In der Ria Formosa fühlt sie sich wohl und ist von April bis Juni oft zu sehen. Auch Knuttstrandläufer, Seeregenpfeifer, Alpenstrandläufer und Seidenreiher können gesichtet werden. Diesen und vielen anderen Vögeln sowie vielen Fischen und Krustentieren dient die Ria Formosa als natürliche Zuchtstätte. Daher ist es so wichtig dieses Ökosystem zu schützen – und daher gibt es viele Regeln zu beachten, für die innerhalb des Lagunensystems ausgeübten Aktivitäten. Nicht nur für touristische Aktivitäten, sondern auch Fischerei, Austernzucht und Salinen. So ist zum Beispiel der Einsatz von schwerer Maschinerie streng verboten.
Sapal de Castro Marim e VRSA
Die Reserva Natural do Sapal de Castro Marim e de Vila Real de Santo António (RNSCMVRSA) ist Portugals ältestes Naturreservat (1975), Schutzgebiet nach der Ramsar-Konvention und ebenfalls europäisches Vogelschutzgebiet. In Portugal gehört es zweifellos zu den bedeutendsten Lebensräumen für Wasser- und Watvogelarten. 169 Vögel können hier regelmäßig und weitere 17 sporadisch beobachtet werden. Einige davon sind unter Schutz stehende Arten. Stammgast und Symbol des Naturschutzgebietes ist der Stelzenläufer, ebenfalls ständig zu beobachten ist der Weißstorch. Zwei europaweit gefährdete Vogelarten, die sich praktisch das ganze Jahr über in Castro Marim aufhalten, sind der Löffler und der Rosaflamingo. Auch die Zwergseeschwalbe lebt hier das ganze Jahr über. Eine Rarität in Portugal, die in Castro Marim regelmäßig zu beobachten ist, ist die Dünnschnabelmöwe. Ebenfalls wurde hier eine Eisente gesichtet – ein eher seltener Gast in Portugal. Auch seltene und gefährdete Entenvögel fühlen sich wohl. So die Brandgans, die Schnatter-, die Kolben- und die Knäkente. Weitere gefährdete Vogelarten die hier leben und brüten sind die Stummellerche, der Kampfläufer oder der Dunkle Wasserläufer. Zudem fühlen sich 36 Säugetiere, zirka 120 Wirbellose und 22 Fischarten im Naturschutzgebiet der Ostalgarve wohl, so die Angaben des Instituts für Naturschutz ICNF, das für die Reserva zuständig ist.
Unter den 462 Pflanzenarten, die im RNSCMVRSA vorkommen, sind vor allem die Picris algarbiensis hervorzuheben, eine zur Familie der Astern gehörende Pflanze, die nur in der Algarve wächst sowie die Beta macrocarpa, ein Fuchsschwanzgewächs, und das Bleiwurzgewächs Limonium diffusum, die alle als gefährdet, beziehungsweise bedroht gelten. Ebenfalls nennenswert sind die in der europäischen Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie genannte Salzwasser-Moospflanze Riella helicophylla, die in Portugal nur in Castro Marim vorkommt und das Bitterkraut Picris willkommii, eine endemische Pflanze der Iberischen Halbinsel, die lediglich in der Nähe des Guadiana-Flusses wächst.
Doch nicht nur die biologische Vielfalt dieses Gebietes ist einzigartig. Auch seine Landschaft.
60 Prozent des 2.089 Hektar großen RNSCMVRSA ist Feuchtgebiet. Davon sind 30 Prozent Salinen. Das Muster, das diese von Menschen bereits im 8. Jh. vor Christus zur Salzschöpfung geschaffenen Becken bildet, ist genauso beeindruckend wie die hier anzutreffende Tierwelt. Vor allem die höher gelegenen Aussichtspunkte, wie die Burg oder die Festung von Castro Marim, gewähren einen fesselnden Blick auf die Salzgärten. Für die Vögel sind die Salinen lebenswichtig. Sie bieten ihnen ideale Schutz-, Nahrungs- und Brutbedingungen. Würde die Salzschöpfung eingestellt werden, würde die Anzahl der geflügelten Wintergäste hier dramatisch zurückgehen, so das ICNF. Das hier vorherrschende Gleichgewicht zwischen der wirtschaftlichen Aktivität und der Natur ist selten und deshalb umso beeindruckender.
Ria de Alvor
Das drittgrößte Feuchtgebiet der Algarve, die Ria de Alvor, ist ein bedeutendes Ästuarsystem, das sich zwischen Odiáxere (Lagos) und Alvor (Portimão) erstreckt. Hier münden die Flüsse Ribeira de Odiáxere und Rio Alvor. Das 1.700 Hektar große Gebiet besteht aus Dünen, Salzwiesen, Salinen und den Halbinseln Quinta da Rocha und Abicada.
Das harmonische Zusammentreffen der verschiedenen Landschaften, die hier gesehen werden können, wie Agrar-Anbauland, Wattgebiet, Salzgärten, Fischzuchten und das aquatische Ökosystem, ist das, was der Ria de Alvor ihre Bedeutung und Schönheit verleiht und bietet zudem einen einzigartigen Lebensraum für verschiedene Tierarten. 290 Vogel-, über 500 Pflanzen-, 500 Schmetterlings- sowie 200 Käferarten und 104 verschiedene Fische leben in der Ria de Alvor. Darunter Tiere, die in der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie aufgelistet sind, wie der Otter, die Fledermaus Rhinolophus ferrumequinum, die Maurische Bachschildkröte, die Unechte Karettschildkröte, der Mittelmeer Laubfrosch, das Chamäleon oder der Seeregenpfeifer. Im Winter wird das Gebiet zudem von Zugvögeln aufgesucht, die dem kalten Winter im Norden entfliehen. Wie die Ria Formosa ist auch die Ria de Alvor dank der Graudünen, die die Lagune vom Meer trennen und schützen, eine natürliche Zuchtstätte für Fische und Krustentiere. Seit den 1990er Jahren gehört die Ria de Alvor auch zum Natura 2000-Netzwerk.
Ribeira do Vascão
Der Fluss Ribeira do Vascão ist Portugals längster Fluss ohne künstliche Unterbrechungen, wie Dämme oder Risikoquellen, wie verlassene Minen. In weiten Teilen seines Verlaufes bildet dieser Zufluss des -Guadiana die Grenze zwischen dem Alentejo und der Algarve. Seine Gewässer sind Lebensraum vieler bedrohter Süßwasserfische, darunter der Anaecypris hispanica (Port.: Saramugo), der Europäische Aal (Anguilla anguilla), das Meerneunauge (Petromyzon marinus) oder der Maifisch (Alosa alosa) und die Finte (Alosa fallax). Diese Fische – die im Anhang II und IV der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie ausgewiesen sind – leben zwar auch in der nahe liegenden Ribeira da Foupana und der Ribeira de Odeleite, doch ihre Bestände sind in der Ribeira do Vascão größer. Dieses Feuchtgebiet ist nicht von der Bebauung, Massen-tourismus oder Industrie bedroht, wie die an der Küste, sondern weil es in den benachbarten Dörfern oft kein Abwassersystem gibt und es an Kläranlagen fehlt. Der Bau dieser, sowie die Bekämpfung von invasiven Tieren und Pflanzen ist im Raumordnungsplan des Parque Natural do Guadiana, durch das der Ribeira do Vascão fließt, vorgesehen.
Das knapp über 44.000 Hektar große, naturbelassene Einzugsgebiet der Ribeira do Vascão bietet ideale Bedingungen für Outdoor-Aktivitäten und ist reich an archäologischen Funden aus der römischen und islamischen Zeit.
Ramsar-Gebiete
Weltweit sind derzeit 2.290 Feuchtgebiete in 169 Ländern als Ramsar-Gebiete ausgewiesen; insgesamt knapp über 225 Millionen Hektar. Davon liegen 1.092 in Europa; Deutschland zählt 34 Ramsar-Gebiete und Portugal 31. In der Algarve wurden vier Feuchtgebiete in die Liste der Ramsar-Konvention aufgenommen: Ria Formosa (seit 1981), Sapal de Castro Marim e Vila Real de Santo António, Ria de Alvor (beide seit 1996) und Ribeira do Vascão (seit 2012).
Text und Fotos: Anabela Gaspar in ESA 02/2018