Ergreifende Lebensgeschichten
Die Geschichte des Fußballstars Eusébio faszinierte Michael Longerich seit jeher und inspirierte ihn schließlich dazu, einen Roman zu verfassen. Doch Eusébio tritt nur am Rande auf. Im Mittelpunkt steht das Kindermädchen Maria, dessen Erlebnisse Einblicke in die jüngere Geschichte Portugals gewähren
Als Siebenjähriger verfolgte Michael Longerich begeistert die Fußball-Weltmeisterschaft von 1966 in England. Nicht nur die deutschen Spieler, sondern auch Eusébio fesselten ihn. Mehr als 40 Jahre später führte ihn Pascal Merciers Bestseller „Nachtzug nach Lissabon“ erstmals gedanklich nach Lissabon. Um sich auf eine reale Reise vorzubereiten, tauchte er in Bücher über Portugal ein und stieß dabei auf die Geschichte des Fußballspielers aus Lourenço Marques (heute Maputo) in Mosambik, der Ende der 1960er Jahre nach Portugal kam, um bei Benfica zu spielen. „Die Tatsache, dass er quasi von Benfica ‚entführt‘ und von Salazar zum Staatseigentum erklärt wurde, hat mich tief beeindruckt“, erinnert sich der Autor. „Ursprünglich plante ich, einen historischen Artikel über ihn zu schreiben, doch dann reifte die Idee eines Romans. Während sich die Handlung entfaltete, rückte allerdings Maria in den Fokus“, erläutert Longerich.
Maria, ebenfalls aus Mosambik nach Lissabon gereist, um als Kindermädchen für eine wohlhabende Familie zu arbeiten, lernt Eusébio im Flugzeug kennen. Sie nimmt den Leser mit auf eine Fahrt in der Straßenbahn 28. Jedes Kapitel trägt den Namen einer Haltestelle. Während der Fahrt von Prazeres, wo sie vom Tod des Fußballstars erfährt, bis zu Martim Moniz, blickt sie auf 53 Jahre in Portugal zurück – angefangen von ihrem Ankunftstag und dem Treffen mit Eusébio bis hin zu dessen Tod im Jahr 2014. Dabei teilt sie nicht nur ihre eigene Geschichte und die von Eusébio, sondern gewährt auch Einblicke in das Leben in Portugal während der Salazar-Diktatur, der Nelkenrevolution und der Auswanderung vieler Portugiesen Ende der 70er. Das Schicksal des Kindermädchens spiegelt viele Erfahrungen wider, die Immigranten aus den Kolonien und Portugiesen jener Zeit durchlebten. Eusébio gibt ihr immer wieder die Kraft, ihr schweres Los zu bewältigen. Dabei zeigen sich stets Parallelen zwischen Marias Leben und dem des Fußballstars. Beispielsweise: Er wird ausgenutzt, ebenso sie; er darf nicht ausreisen, ihr gelingt die Flucht aus dem Haus des Bankdirektors nicht; nach der Nelkenrevolution emigriert er in die USA, Maria nach Deutschland.
Dem Autor wurde vorgeworfen mit dem Titel „Maria und Eusébio“ den Leser in die Irre zu führen. Tatsächlich handelt es sich weder um eine Liebesgeschichte zwischen Maria und Eusébio, noch ist es ein ausschließliches Porträt des Fußballstars, obwohl seine Geschichte vollständig erzählt wird. Es geht vielmehr um Marias berührende Geschichte, die gleichzeitig die vieler „einfacher“ Menschen ist.
Anabela Gaspar in ESA 01/24
Der Autor
Michael Longerich wurde 1959 in Freiburg im Breisgau geboren. Nach dem Abitur studierte er Geschichte, Germanistik sowie Politikwissenschaften. Er wohnt seit 1989 mit seiner Familie in Tønder (Dänemark) und arbeitete dort als Gymnasiallehrer. Neben Kurzgeschichten hat er zwei Romane veröffentlicht: „Immer wieder“ (2018) und „Maria und Eusébio“ (2022).
Zum Buch
Maria und Eusébio
1960 sitzen sie nebeneinander im Flugzeug nach Lissabon: Der kommende Fußballstar Eusébio und Maria, die als Kindermädchen in der Familie da Maia arbeiten soll. Die Ablehnung der Kinder, der Bankdirektor Ernesto da Maia, für den sie mehr sein soll als nur das Kindermädchen, die Diktatur Salazars, ein Pfarrer, der sie verrät… Kann Maria sich von diesen Einflüssen befreien und zu einem selbstbestimmten Leben finden? Und welche Rolle spielt Eusébio dabei?
Maria und Eusébio
von Michael Longerich
Kid Verlag
ISBN: 9783947759910
€ 22
(bei ESA erhältlich)