Zerstörung droht weiterhin
Zweieinhalb Jahre ist es her, dass die Behörden ein Bauvorhaben im Vogelgebiet bei Armação de Pêra genehmigten, das die Zerstörung des gesamten Habitats besiegelt. Was hat sich seitdem geändert? Es gibt Negatives und Positives zu berichten
Die Lagoa dos Salgados ist ein einzigartiges Biotop, das jährlich Tausende Vogelbeobachter an die Algarve lockt. Die Lagune im Küstengebiet gilt laut der Habitat-Richtlinie der EU als „natürlicher und naturnaher Lebensraum von gemeinschaftlichem Interesse“, für deren Erhalt besondere Schutzgebiete ausgewiesen werden sollen. Das gleiche gilt für die festliegenden Küstendünen mit krautiger Vegetation (Graudünen), die auch laut der portugiesischen Gesetzgebung, da Lebens- und Nahrungsraum verschiedener Arten, geschützt werden müssten. Zudem sind die Lagune und das angrenzende Gebiet Lebensraum verschiedener unter Schutz stehender Vögel, darunter zirka 40 Spezies, die im Anhang I der besonders gefährdeten Arten der EU-Vogelschutzrichtlinie aufgeführt sind und für deren Schutz so genannte Europäische Vogelschutzgebiete (auf Englisch: Special Protection Area, SPA) eingerichtet werden sollen. Doch obgleich all dies seit Jahren bekannt ist, hat Portugals Staat bislang die Lagoa dos Salgados weder als SPA noch als „Besonderes Schutzgebiet von Europäischem Interesse“ ausgewiesen oder ins nationale Natura 2000-Netzwerk aufgenommen. Statt dieses bedeutende Habitat zu schützen, haben die Behörden 2012 sogar das Tourismusprojekt Finalgarve der Gruppe Galilei für das Gebiet genehmigt und somit einen der letzten unbebauten Küstenstreifen der Algarve zur Zerstörung verurteilt (s. ESA 8/12).
Umweltschützer und Vogelfreunde vereinten sich und starteten eine internationale Petition zum Schutz des Vogelgebietes, die bereits von zigtausend Personen unterschrieben wurde. Wegen der Nicht-Umsetzung der oben genannten EU-Richtlinien wollten Umweltschutzvereine Klage gegen Portugals Staat bei der EU-Kommission einreichen. Doch hiervon wurde nie wieder ein Ton gehört. Trotz der Mobilisierung der Gesellschaft, der Proteste und der Klagen genehmigte Ende 2013 der Staatssekretär für Umwelt den Bau des umstrittenen Tourismusprojekts anhand einer Umweltstudie, die lediglich ein Fünftel der gesamten Anlage berücksichtigte und noch dazu vom Bauherrn der Anlage finanziert wurde (s. ESA 12/13). Gegen diese fragwürdige, dennoch in Portugal oft übliche Methode, Bauprojekte genehmigen zu lassen, wollten die Umweltvereine ebenfalls Klage bei der EU-Kommission einreichen. Auch zu diesem Thema wurde nie wieder ein Wort verkündet.
Mittlerweile wurden vom Wasserversorgungsunternehmen Águas do Algarve und der portugiesischen Umweltagentur APA Arbeiten zur Renaturalisierung der Lagune durchgeführt. Zum einen wurde eine Pipeline von der Wasserkläranlage bis zum Meer gelegt, zum anderen wurde die Lagune an einigen Stellen vertieft und an anderen künstliche Inseln angelegt. Zu den wichtigsten Änderungen gehört der Bau eines kleinen Damms auf Vorschlag der Mitglieder des portugiesischen Vereins für Vogelkunde SPEA und der Royal Society for the Protection of Birds, Europas größter Wildvogelschutz-Organisation, die bei den Arbeiten mitwirkten. Der Damm teilt die Lagune in Nord und Süd auf und ermöglicht es, das Wasser des einen Teils abzulassen oder die Lagune zum Meer zu öffnen, ohne sie dabei vollkommen auszutrocknen. In der Vergangenheit war dies eines der größten Probleme, da die Lagune oft auch während der Brutzeit zum Meer geöffnet wurde, um z.B. die Überschwemmung des angrenzenden Golfplatzes zu verhindern.
Ornithologen wie Dr. Manfred Temme, Rui Eufrásia oder Frank McClintock zeigen sich mit dem Ergebnis der Arbeiten zufrieden.
Dr. Temme, der die Lagune seit 1993 jährlich mehrmals besucht, hebt hervor, wie wichtig es ist, ein Mosaik verschiedener Lebensräume wie bei Salgados zu haben. „Für viele Menschen beginnt der Naturschutz erst bei Bäumen, dabei sind auch Sandbänke wichtig für viele Spezies, die ihre getarnten Eier im Sand ablegen“ erklärt er. Auch McClintock hebt Positives hervor: Nach den Arbeiten konnte er erstmals Dünnschnabelmöwen – eine Rarität in der Algarve – in der Lagune beobachten. Zudem sei die Anzahl der hier brütenden Spezies enorm gestiegen. Rui Eufrásia, SPEA-Mitglied, bestätigt dies, „und das obwohl sich die Bauarbeiten stark verzögerten“. Auch er weiß von einer Premiere in der Lagune zu berichten: Rotflügel-Brachschwalben sollen dort dieses Jahr erstmals gebrütet haben. Alles klare Zeichen dafür, dass die Arbeiten positive Auswirkungen hatten.
Doch es gibt auch Negatives zu berichten. „Wie bei öffentlichen Bauarbeiten in Portugal stets üblich, sprengten die Baukosten das Budget und es reichte nicht mehr für alle Maßnahmen“, so Eufrásia. „Auf der Strecke blieben die geplanten Vogelbeobachtungsposten und Schattenspender entlang des Holzstegs“. Ein Beobachtungshaus am Nordende der Lagune wurde zwar gebaut, doch kurz darauf geplündert. „Irgend jemand brauchte Holzbretter und dachte sich wohl, er könnte diese abmontieren“, bedauert Eufrásia. Dr. Temme und Frank McClintock teilen die Meinung, dass die vorhandenen Einrichtungen – wenn man sie überhaupt als solche bezeichnen kann – im bedeutendsten Gebiet für Vogelbeobachtung der Algarve lächerlich sind. Dr. Temme meint, dass die Behörden sich ein Beispiel an Quinta do Lago hätten nehmen sollen und McClintock bekräftigt, dass sie sich unter den Vogelbeobachtern, die jährlich mit Werbung für die Lagune angelockt werden, lächerlich machen, sobald diese hier einen Fuß hinsetzen. „Sollte die Tourismusanlage wirklich gebaut werden ist es sowieso das Ende der Lagune, denn die Vögel werden nicht mehr kommen, wenn 100 Meter davon entfernt alles bebaut ist“, so McClintock. Was bedeuten würde, dass die Investition in die Lagune Geldverschwendung gewesen wäre.
Doch bislang sind – zum Glück – weit und breit keine Bagger zu sehen, obwohl laut anfänglicher Pläne von Galilei die Bauarbeiten dieses Jahr hätten beginnen sollen. Die Gruppe scheint nicht über die nötigen finanziellen Mittel zu verfügen, um das Projekt zu starten. Darauf können sich die Umweltschützer jedoch nicht verlassen, damit das Vogelparadies erhalten bleibt. Ihre letzte Hoffnung, das Projekt zu stoppen, beruht auf der Linaria Algarviana: Eine kleine, endemische Pflanze der Familie der Braunwurzgewächse (Scrophulariaceae), die im Anhang II der europäischen Habitat-Richtlinie und im Anhang I der Berner Konvention (Übereinkommen über die Erhaltung der europäischen wildlebenden Pflanzen und Tiere und ihrer natürlichen Lebensräume) sowie auf der Roten Liste gefährdeter Arten der Weltnaturschutzunion IUCN aufgeführt ist und in Portugal unter Schutz steht. Komischerweise wurde ihr Vorkommen rund um die Lagune nicht in der durchgeführten Umweltstudie erwähnt. Trotz positiver Entwicklungen ist die Zukunft der Lagoa dos Salgados also weiterhin ungewiss.
Petition unter: secure.avaaz.org
Neue Seite von SPEA zu Vogelbeobachtung in Portugal:
birdwatching.spea.pt(u.a. wichtigste Gebiete in Portugal)
Info zur Lagoa dos Salgados auf der Webseite von Birdlife:datazone.birdlife.org
Wanderweg Praia Grande / Lagoa dos Salgados
Die 5,5 km lange Route führt zuerst durch eine Agrarlandschaft, dann an einem kleinen Pinienwald und am Wattgebiet der Ribeira de Alcantarilha vorbei, weiter entlang der imposanten Dünen und dann über einen Holzsteg paralell zur Lagune bis an dessen Ostende, wo die Ribeira de Espiche ins Meer fließt und ca. 70. Blässhühner darauf warten gefüttert zu werden. Ein kleiner Rundgang, der es ermöglicht, eine Vielfalt von Landschaften und Pflanzen und vor allem von Vögeln zu entdecken.
Text: Anabela Gaspar
Fotos: Dr. Manfred Temme
ESA 01/15