Die dekorativen Objekte von Maria Pratas sind eine Fusion aus traditionellem Kunsthandwerk und modernem Design. Sie lässt außergewöhnliche Stücke entstehen, die davon zeugen, dass aus Tradition Neuartiges geschaffen werden kann
Die Kunstlehrerin und Textilkünstlerin Maria Pratas will traditionelles Kunsthandwerk ins 21. Jahrhundert bringen und zeigen, dass Portugals Volkskunst „viel mehr zu bieten hat als den Hahn von Barcelos oder die Keramik von Vista Alegre“. Dafür schöpft sie aus der Tradition und kreiert daraus Neues.
„Wann alles begonnen hat, kann ich nicht mehr sagen. Nur, dass mein künstlerisches Schaffen stets präsent sein muss. Der Entwurf und die Umsetzung eines Objektes sind für mich vital“, so Maria. Im Laufe der Jahre experimentierte sie mit unterschiedlichen Materialien, Objekten und Dimensionen. Heute arbeitet sie am liebsten mit Textilien, die sie mit Details aus Holz vereint. Fasern wie Wolle, Jute, Hanf, Palmblätter, Sisal oder Baumwolle werden in altherkömmlicher Web- und Flechttechnik verarbeitet sowie verstrickt, verhäkelt und verknotet. „Die Fasern haben unterschiedliche Eigenschaften. Sisal ist ein raueres, stärker strukturiertes Material als Jute oder Hanf. Diese Eigenschaften mache ich mir zunutze. Wenn ich eine weichere Struktur erreichen will, arbeite ich mit Hanf, wenn sie steifer werden soll, benutze ich Sisal“. Oft wählt sie das Material auch anhand der Farbe und greift gerne auf die portugiesische Arraiolos-Wolle zurück, die in allen erdenklichen Farbtönen erhältlich ist. Sie scheut sich auch nicht davor Ungewöhnliches auszuprobieren. So kam es, dass ihre letzte Kollektion aus Kunstfaser und Arraiolos-Wolle entstand. „Ein Besuch im Baumarkt ist für mich immer sehr inspirierend“, erzählt sie lächelnd. „Letztens entdeckte ich dort ein Seil aus Polyester und dachte mir, dass es ideal für mein jüngstes Vorhaben sei. Ich wollte Vasen entwerfen, die an typisch mediterrane Krüge und Amphoren, gleichzeitig aber auch an Portugals Keramik erinnern sollten. Das leicht glänzende, weiße Material war perfekt.“ Die Struktur besteht aus dem Seil und wird mit Arraiolos-Wolle zusammengehalten; seitlich ist ein Henkel aus Holz angebracht. Es entstanden gleich mehrere Stücke in unterschiedlichen Farben, die an das Mittelmeer erinnern: mit dem Blau des Ozeans, dem Grün der Algen oder dem leichten Rosa der Korallen. Den Namen dieser Kollektion wählten Marias Follower auf Instagram: Roliça, zu Deutsch rundlich. „Der Name gefiel mir auf Anhieb. Zum einen, weil er zur Form der Stücke passt. Zum anderen, weil es ein sehr portugiesisches Wort ist und mir in meiner Arbeit die Verbindung zu Portugal und seinen Traditionen sehr wichtig ist.“
Ebenfalls bedeutend ist es für Maria, das Interesse für traditionelles Kunsthandwerk in anderen zu wecken und ihr Wissen weiterzugeben. Das macht sie nicht nur bei ihren Schülern, sondern auch in ihren Workshops. „Dann verstehen die Schüler oder Teilnehmer, dass Häkeln und Stricken nicht nur für Omis ist, sondern man mit diesen Techniken auch andere Objekte kreieren kann. Es macht mich sehr glücklich zu sehen, dass sich die Mentalitäten ändern und es immer mehr Menschen gibt, die handgemachte Unikate gegenüber den Massenprodukten bevorzugen und Kunsthandwerk wertschätzen“.
Aus beindruckenden und auffallenden Unikaten besteht ohne Zweifel auch ihr Wandschmuck. Dabei handelt es sich um überdimensionale Halsketten oder Broschen – eine „Weiterentwicklung“ der Schmuckstücke, die Maria zu Beginn kreierte.
Die dekorativen Objekte der ursprünglich aus Coimbra stammenden Künstlerin, die ihr Atelier inmitten der Natur zwischen Monchique und Portimão hat, werden wiederholt in namhaften Inneneinrichtungsmagazinen wie Elle Decoration oder Attitude veröffentlicht und können in Lissabon und Porto bei Banema Studio erworben werden. Diese Concept-Stores sind bekannt für ihre internationalen Architektur- und Designtrends. Bis Ende Januar ist eine Auswahl von Marias Produkten im Pop-Up-Shop des Kunsthandwerkernetzwerkes Portugal Manual im Lissabonner Centro Cultural de Belém zu erwerben und im Oktober wird sie im Rahmen der London Craft Week in der portugiesischen Botschaft in London an einer Ausstellung teilnehmen.«
Aber am liebsten ist es Maria, wenn Interessierte sich direkt mit ihr in Verbindung setzen. „Das ist persönlicher. Außerdem steht hinter jedem Objekt eine Geschichte und ich bin der Ansicht, dass der Käufer diese kennen sollte. Schließlich ist es diese Geschichte, die ein handgefertigtes Objekt von einem Massenprodukt unterscheidet“, so Maria überzeugt.
Text: Anabela Gaspar in ESA 09/2021
Fotos: Maria Pratas; André de Matos; Anabela Gaspar
Maria Pratas
olamariapratas@gmail.com
mariapratas.com
Instagram: _maria_pratas_