Nahezu alle Betriebe die Waren, Werke oder Dienstleistungen anbieten und demnach mit Verbrauchern in ständigem Kontakt stehen, müssen ein Beschwerdebuch führen. Diese Pflicht wurde im Jahre 2006 von dem portugiesischen Gesetzgeber eingeführt und im Jahre 2017 ausgeweitet, Rechtsanwalt und advogado Dr. Alexander Rathenau beantwortet die häufigsten Fragen
1. Welche Betriebe unterliegen der Pflicht zur Führung eines Beschwerdebuches?
Alle Betriebe, die dauerhaft, öffentliche Service, wie Warenverkauf, Werk- oder Dienstleistungen Verbrauchern anbieten unterliegen der Beschwerdebuchführungspflicht. Insbesondere muss das Beschwerdebuch in Restaurants, Bars, Hotels, Ferienapartments, sowohl staatlichen als auch privaten Campingplätzen, Tourismusagenturen, Thermen, Betrieben für touristische Attraktionen, Freizeitparks, Immobilien-maklerbüros, Banken, Taxibetrieben, Kinos sowie in allen gesundheitlichen Einrichtungen und sogar Polizeistationen, vorhanden sein. Dabei muss der Betrieb, durch ein gut sichtbares Schild innerhalb der Geschäftsräume, auf das Vorliegen des Beschwerde-buches hinweisen und dies auch anbieten.
2. Was hat sich 2017 geändert?
Seit der Gesetzesänderung im Jahre 2017 sind Betriebe auch verpflichtet das Beschwerdebuch in elektronischer Form anzubieten. Somit müssen diese auch die elektronische Beschwerdemöglichkeit bereitstellen. Dies muss insbesondere dann erfolgen, wenn die Einrichtung eine Internetseite besitzt. In dieser muss deutlich auf die elektronische Beschwerdemöglichkeit hingewiesen werden. Für den Fall, dass die Einrichtung keine Internetseite besitzt muss sie eine E-Mail-Adresse einrichten, um elektronische Beschwerden empfangen zu können. Zusätzlich unterliegen nunmehr auch Unternehmen, die ihre Dienste oder Waren ausschließlich über Onlineplattformen anbieten und demnach Waren verschicken oder online Aufträge annehmen und verrichten, der Beschwerdebuchführungspflicht in elektronischer Form.
3. Wann sollte ich eine Beschwerde eintragen?
Eine Beschwerde sollte immer dann eingetragen und formalisiert werden, wenn dadurch zukünftige Konflikte verhindert oder der angebotene Service bzw. die erworbenen Waren verbessert werden können. Der Beschwerdeführer sollte sich im Klaren sein, dass für den Inhaber der Einrichtung, im ex-tremsten Fall die Beschwerde zur Schließung der Einrichtung führen kann. Demnach sollte man mit diesem Mechanismus nicht leichtfertig umgehen. Andererseits handelt es sich um ein wichtiges und effektives Instrument, um zur Behebung von Fehlern oder Problemen hinzuwirken, die zuständigen Personen zu Veränderungen zu bewegen und sich kundenfreundlicher zu orientieren. Falls lediglich das Interesse darin besteht, dass vorliegende Problem zu lösen, hilft in den meisten Fällen die Aufforderung zur Vorlage des Beschwerdebuches schon weiter. Allerdings sollte hierauf nur zurückgegriffen werden, wenn tatsächlich ein gewichtiger Grund zur Beschwerde und grundsätzlich die Bereitschaft besteht, die Beschwerde zu formalisieren. Zu beachten ist, dass umso schneller die Beschwerde eingetragen wird, desto effektiver ist sie. Deshalb sollte die Beschwerde, wenn möglich, unverzüglich vor Ort eingetragen werden.
4. Wie kann ich eine Beschwerde formalisieren?
Die Beschwerde kann durch Eintrag in das Beschwerdebuch vor Ort oder digital formalisiert werden. Die einzige Voraussetzung ist die Vorlage eines gültigen Ausweisdokuments. Der digitale Eintrag kann auf der Internetseite www.livroreclamacoes.pt eingegeben werden. Wenn die Beschwerde in das Beschwerdebuch eintragen werden soll, muss nach dem Beschwerdebuch gefragt werden und der Inhaber bzw. ein Mitarbeiter muss es aushändigen. Sollte die Person sich weigern das Beschwerdebuch vorzulegen, schreibt das Gesetz vor, dass ein Polizeibeamter hinzugezogen werden sollte. Wenn das Beschwerdebuch vorliegt, muss das Formular vollumfänglich ausgefüllt werden. Dies ist sehr wichtig, denn wenn die Formalien der Beschwerde nicht eingehalten oder Felder nicht ausfüllt werden, wird die Beschwerde nicht bearbeitet. Nach dem Gesetzeswortlaut unterliegt der Betrieb der Pflicht, zu überprüfen, ob das Formular ordnungsgemäß ausgefüllt wurde. Zudem muss der zuständige Mitarbeiter das Formular selbst ausfüllen, wenn der Verbraucher dazu körperlich oder intellektuell nicht in der Lage ist. Sodann behält der Betrieb das Original, der Beschwerdeführer eine Abschrift und ein drittes Exemplar muss in dem Beschwerdebuch bleiben. Dem Verbraucher wird die Möglichkeit gegeben, das Duplikat an die Aufsichtsbehörde zu schicken. Für den Fall, dass die Beschwerde über die elektronische Plattform geschaltet wird, wird dem Beschwerdeführer eine Bestätigungsemail geschickt.
5. Was passiert nachdem ich eine Beschwerde eingetragen habe?
Nachdem die Beschwerde eingetragen wurde, hat der Betrieb die Pflicht, das Original der Beschwerde innerhalb einer Frist von 15 Werktagen an die zuständige Aufsichtsbehörde zu schicken. Falls es sich um einen Betrieb handelt, der Grundversorgungsdienstleistungen, wie Wasser,- Strom,- oder Gasversorgung anbietet, hat dieser die zusätz-liche Pflicht, dem Verbraucher innerhalb einer Frist von 15 Werktagen auf seine Beschwerde zu antworten. Für alle anderen Betriebe besteht keine Pflicht auf die Beschwerde zu antworten. Sodann prüft die Aufsichtsbehörde die Beschwerde und entscheidet, ob diese weiterverfolgt oder eingestellt wird. Einstellungen erfolgen meist, wenn lediglich Kommentare oder Empfehlungen eingetragen werden. Falls die Beschwerde weiterverfolgt wird, entscheidet die Aufsichtsbehörde, im Rahmen ihrer Kompetenzen und nach ihrem Ermessen, welche Maßnahmen anzuwenden und erforderlich sind. Insbesondere ob Bußgelder oder die Durchführung von bestimmten Maßnahmen verhängt werden. Die Aufsichtsbehörde kann den Beschwerdeführer über den Lauf des Verfahrens informieren, ist dazu aber nicht verpflichtet. Die Aufsichtsbehörde muss aber, falls die Beschwerde eine Gesetzesverletzung zum Gegenstand hat, den Beschwerdeführer über die vorgenommenen Maßnahmen und Stand des Verfahrens informieren. Falls Bußgelder oder die Vornahme von bestimmten Maßnahmen auferlegt werden, wird die Einhaltung durch die Aufsichtsbehörde kontrolliert.
6. In welcher Sprache kann die Beschwerde eintragen werden?
Das Beschwerdebuch ist sowohl in Papierform als auch in elektronischer Form auf Englisch und Portugiesisch zugänglich. Demnach kann auch die Beschwerde auf Englisch oder Portugiesisch formuliert werden.
7. Wie kann die Beschwerde verfolgt werden?
Wie bereits erläutert, besteht nur in bestimmten Fällen, seitens der Aufsichtsbehörde die Pflicht, den Beschwerdeführer über das Beschwerdeverfahren zu informieren. Allerdings besteht die Möglichkeit den Gang des Verfahrens und die eingeleiteten Maßnahmen online zu verfolgen. Dafür muss auf die Internetseite der Rede Telemática de Informação Comum (rtic.consumidor.pt) zugegriffen werden. Falls die Beschwerde auf digitalem Weg geschaltet wird, wird der oben genannte Link in der Bestätigungsemail zugesandt. Auf der Internetseite muss sodann die Nummer der Beschwerde und des Ausweisdokuments des Beschwerdeführers, entsprechend dem Beschwerdeformular, eingegeben werden. Sodann wird der Status der Beschwerde angezeigt. Für zusätzliche Informationen muss die Aufsichtsbehörde direkt kontaktiert werden.
8. Welche ist die zuständige Aufsichtsbehörde?
Da für jede Art von Einrichtung eine unterschiedliche Aufsichtsbehörde zuständig ist, kann es schwierig sein, herauszufinden an wen man sich bei zusätzlichen Fragen zu seiner Beschwerde wenden soll. Zum Beispiel ist für Einrichtungen des öffentlichen Verkehrs, das Amt für Mobilität und Verkehrsmitteln oder bei einer Beschwerde in einem Restaurant oder Bar, die ASAE – Amt für Lebensmittelsicherheit und wirtschaftliche Überwachung zuständig. Diese Information findet man in dem Informationsblatt des Beschwerdebuches und auf der oben genannten Internetseite der Rede Telemática de Informação Comum. Diese Behörden sind nicht nur die zuständigen Ansprechpartner, wenn Fragen bezüglich einer Beschwerde bestehen, sondern sind auch diejenigen, die die Umsetzung der verhängten Maßnahmen und die Befolgung der Pflichten in Bezug auf das Beschwerdebuch an sich kontrollieren. Zudem verhängen Sie unter anderem, bei Nichtbefolgung der oben genannten Pflichten im Zusammenhang mit dem Beschwerdebuch, Bußgelder die von € 250 bis € 15.000 reichen.
Text: DR. ALEXANDER RATHENAU in ESA 11/2019