Umweltschützer stoppen erneut Bauarbeiten
Ende Oktober schlugen Umweltschützer wieder Alarm: Die Bauarbeiten im Feuchtgebiet am Rande von Lagoa wurden erneut aufgenommen. Trotz des über fünf Jahre andauernden Kampfes der Umweltaktivisten zum Schutz des Vogelgebietes, gab die Stadtverwaltung den Infrastrukturarbeiten für ein Gewerbegebiet grünes Licht und die Bagger rückten an. Eine von der Partei PAN eingereichte einstweilige Verfügung konnte die Bauarbeiten wieder stoppen. Die Frage ist, bis wann?
Anabela Gaspar in ESA 12/2022
Seit Beginn der Arbeiten auf dem Gelände im Jahr 2017 kämpfen die Nichtregierungsorganisationen Almargem, A Rocha Portugal, GEOTA, FAPAS, LPN, SPEA und ZERO sowie engagierte Vogelenthusiasten und Naturfreunde, wie Anabela Blofeld von der Gruppe Salvar as Alagoas Brancas, dafür, die Bauarbeiten des Gewerbegebietes gänzlich einzustellen. Mit diesem Ziel wurden diverse Proteste organisierte und die Petition „Stop the destruction of Lagoa wetlands“ (peticaopublica.com) gestartet, die bereits von über 8.400 Menschen unterschrieben wurde und demnächst im Parlament eingereicht werden soll. 2019 legte der Umweltschutzverband Almargem eine Studie zu drei Feuchtgebieten der Algarve vor, die aufgrund ihrer Biodiversität dringend unter Schutz gestellt werden sollten: Foz do Almargem, Lagoa dos Salgados und Alagoas Brancas.
Die Studie zeigt, dass das Ökosystem in Lagoa einen größeren ökologischen Reichtum aufweist als erwartet, einschließlich Arten und Lebensraumtypen gemeinschaftlicher Bedeutung, die in der FFH-Richtlinie aufgeführt sind, wie temporäre Tümpel, die als besonders schützenswert gelten. Trotz der geringen Größe des Gebietes, wurden dort 114 Vogelarten identifiziert, darunter mindestens 1 % der nationalen Brutpopulation des Purpurhuhns (Porphyrio porphyrio) und 1 % des im Mittelmeerraum, Schwarzen Meer und Westafrika vorkommenden Heiligen Ibis (Plegadis falcinellus).
Im Mai 2021 wurden alle Bauarbeiten auf dem Gelände vorerst gestoppt, nachdem das Verwaltungsgericht Loulé einer einstweiligen Verfügung stattgegeben hatte, die von Almargem und einer Bürgerbewegung eingereicht wurde. Sie forderten die Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung (UVS) für das Projekt der Lissabonner Firma Edifícios Atlântico S.A. Das Gericht legte fest, dass die Entwicklungskommission CCDR die Studie von Almargem beurteilen und Stellung dazu nehmen sollte, ob eine UVS durchzuführen sei. Die CCDR bat zudem das Naturschutzinstitut ICNF und die Umweltagentur APA um Stellungnahme. Ersteres sprach sich für eine UVS aus, APA dagegen. Im Juli lief die Frist für die Stellungnahme seitens der CCDR ab. Das Bauunternehmen forderte die Aufhebung der einstweiligen Verfügung. Da das Gericht Loulé dies ablehnte, stellte Edifícios Atlântico einen Antrag beim Zentralverwaltungsgericht. Dieses sowie das Oberste Verwaltungsgericht gaben dem Bauunternehmen recht.
Als im Oktober die Bagger wieder anrückten, riefen die Umweltschützer erneut zum Protest auf. „Die Zerstörung hat begonnen“, so Anabela Blofeld und fügte hinzu, „Hunderte gar Tausende Europäische Sumpfschildkröten, die unter Schutz stehen, und andere Reptilien wurden bei den Erdbewegungsarbeiten lebend begraben“.
Die Umweltschützer sind der Ansicht, dass erneut eine Betonburg an einem Ort gebaut wird, der nicht nur vielen Vögeln als Rückzugsort, sondern auch „als Rückhaltebecken bei starken Regenfällen dient“. Die Erdbewegungs- und Bodensicherungsarbeiten in Alagoas Brancas stellen für die NROs „eine schwere und unnötige Umweltbelastung“ dar. „Sie zerstören die Möglichkeit, eine einzigartige Grünanlage in der Stadt zu schaffen und die Auswirkungen von Überschwemmungen zu verringern. Dies, um noch ein Gewerbegebiet zu errichten, von denen es bereits genügend gibt. Es ist unverständlich und in der heutigen Zeit nicht hinnehmbar, dass die Stadtverwaltung eine solche Macht gegen den Willen der Bürger ausübt“, so die Umweltschützer in einer Pressemitteilung.
In Loulé und Silves stoppten die Rathäuser die für die Feuchtgebiete Foz do Almargem und Lagoa dos Salgados vorgesehenen Bauprojekte, indem sie die jeweiligen Raumordnungspläne aussetzten. Mittlerweile leiteten beide Städte Prozesse ein, um ihre Feuchtgebiete unter Schutz zu stellen.
Das Rathaus von Lagoa betont weiterhin, dass das Gebiet im städtischen Raumordnungsplan UP3 aus 2008 als Industriegebiet eingetragen und somit bebaubar ist. Der Raumordnungsplan hätte damals die Zustimmung aller zuständigen Behörden, darunter die Umweltagentur APA, die regionale Entwicklungskommission CCDR und das Naturschutzinstitut ICNF, erhalten. Zudem hätte sich während der öffentlichen Anhörung zum UP3 niemand geäußert – weder dafür noch dagegen. Das Projekt des Bauunternehmens sei 2009 im rechtlichen Rahmen eingereicht und 2013 genehmigt worden, nachdem alle für die Umweltschutzbewertung zuständigen Stellen – APA, CCDR und ICNF – positive Stellungnahmen abgegeben hatten. Auch während der öffentlichen Anhörung zum Bauprojekt hätte sich die Bevölkerung nicht dagegen geäußert.
Das Projekt nicht zu genehmigen, könnte strafrechtliche Folgen für den Bürgermeister und den zuständigen Stadtabgeordneten haben und würde das Rathaus dazu verpflichten, den Projektträger zu entschädigen. „Ein genauer Wert wurde nie festgelegt, aber in einem informellen Gespräch war von mehreren Millionen Euro die Rede“, so der Bürgermeister Luís Encarnação der Regionalzeitung Barlavento gegenüber. Zudem fügte er hinzu, dass „die verschiedenen Studien und Überwachung, die wir im Gebiet durchführten, zeigen, dass es nur zwei, höchstens drei Monate im Jahr Wasser führt. In dieser Zeit wird das Gebiet von den Vögeln aufgesucht, die normalerweise etwa 400 Meter entfernt in den Reisfeldern nördlich der EN 125 zu finden sind. In den restlichen Monaten gibt es kein Wasser und keine Vögel. Der Richter des Obersten Verwaltungsgerichtes nimmt ebenfalls darauf Bezug, er erkennt die von den Umweltschützern behaupteten ökologischen Werte nicht an.“
Anderer Ansicht ist die Partei PAN. Deren Abgeordnete Inês de Sousa Real war vor Ort und bezeichnete das Geschehen als Umweltverbrechen. „Mit großer Trauer sehen wir die Zerstörung des Gebietes, das Hunderten von Vögeln, von denen einige unter Schutz stehen, und anderen Arten, als Zufluchtsort dient, ohne dass die Stadtverwaltung oder andere zuständige Regierungsstellen etwas unternehmen, um dieses Umweltverbrechen zu stoppen“, so Real.
Ende Oktober reichte PAN eine Beschwerde bei der Generalstaatsanwaltschaft ein, in der die Verteidigung öffentlicher Interessen gefordert wird, wie es die Gesetzgebung vorsieht. Zudem reichte PAN Anfang November eine einstweilige Verfügung beim Gericht Loulé ein, um die Bauarbeiten zu stoppen. Nur drei Tage später, am 10. November, gab das Gericht der einstweiligen Verfügung statt und ordnete die unverzügliche Einstellung aller Bauarbeiten an. „Mit großer Freude erhielten wir den Gerichtsbescheid, doch leider haben die Arbeiten bereits zu schweren und nicht wiedergut-zumachenden Schäden geführt. Das Rathaus von Lagoa hätte diesen Umweltangriff verhindern und das Gebiet längst unter Schutz stellen müssen“, so die PAN-Abgeordnete.
Vielen, auch portugiesischen Ornithologen, war dieses Vogelparadies lange nicht bekannt. Es befindet sich innerhalb des südlichen Randgebietes von Lagoa an der Straße nach Carvoeiro gegenüber einer Supermarktkette. Spätestens seit die ersten Erdbewegungsarbeiten durchgeführt wurden, ist der Name Alagoas Brancas jedem Naturfreund bekannt. Das nur knapp zwei Fußballfelder große Feuchtgebiet wird regelmäßig von fast 80 Vogelarten besucht. Darunter seltene und geschützte Vogelarten wie der genannte Heilige Ibis, der im Anhang I der EU-Vogelschutzrichtlinie aufgeführt wird.