Seit dreieinhalb Jahren engagieren sich die Mitglieder von Algarve Horse Alarm mit Herz und Seele für das Wohl der vernachlässigten Huftiere in der Region. ESA besuchte mit Olaf Linke einige der Pferde, die die Tierorganisation derzeit betreut und berichtet über deren Tätigkeit
Ins Leben gerufen wurde Algarve Horse Alarm im April 2018 von den drei pferdebegeisterten Freunden Femke Irik, Hope Wallace und Olaf Linke. „Wir bemerkten, dass viele Huftiere in der Algarve in Not waren. Unterernährte, dehydrierte und schwer verletzte Pferde sind kein seltener Anblick. Daher beschlossen wir das Leben dieser Pferde – aber auch von anderen Huftieren – zu verbessern und bemühen uns, die Menschen aufzuklären, um einen Mentalitätswandel zu bewirken“, so Olaf Linke.
In Sachen Tierschutz hat sich in Portugal in den letzten Jahren einiges geändert. Mit 1. Oktober 2014 trat ein neues Gesetz in Kraft, mit dem die Misshandlung von Tieren kriminalisiert wurde. Wer einem Heimtier Schmerz oder Leid zufügt oder sonst wie ohne rechtfertigenden Grund körperlich misshandelt, wird mit Freiheitsentzug bis zu einem Jahr oder Geldbuße bis zu 120 Tagessätzen bestraft. Noch härtere Strafen gibt es, wenn das Tier aufgrund der Misshandlung stirbt, ein wichtiges Organ beschädigt wird oder das Tier nicht mehr laufen kann. Der Verantwortliche kann in diesen Fällen zwei Jahre ins Gefängnis kommen oder 240 Tagessätze zahlen. Im Mai 2017 kam es zu einer weiteren wichtigen Änderung im Tierschutzgesetz: Tiere gelten juristisch nicht mehr als Dinge, bzw. Gegenstände, sondern als „Lebewesen mit Empfindungen“, die einem besonderen Schutz unterliegen. Dies brachte neue rechtliche Verpflichtungen für Besitzer mit sich, aber auch für Personen, die auf ein verletztes oder streunendes Tier stoßen. Es wurde sogar festgelegt, dass bei Trennung oder Scheidung der Besitzer, in Anbetracht des Wohls aller Beteiligten, gemeinsames Sorgerecht gilt. Doch das Tierschutzgesetz beschränkt sich weitgehend auf Haustiere – und Huftiere gelten in Portugal als Nutztiere. „Das ist der Grund, weshalb die GNR-Umweltabteilung SEPNA nicht eingreift, wenn ein Pferd tagelang auf einem Privatgrundstück angebunden in der Sonne steht und weder Futter noch Wasser bekommt oder es mit tiefen Wunden versehen ist. Sie greifen nur dann ein, wenn das Pferd frei herumläuft. Somit müssen wir direkt mit dem Besitzer sprechen, zuerst aber stets die GNR oder den Amtstierarzt benachrichtigen“, weiß Olaf zu berichten.
Die drei Pferdefreunde und ihre Helfer konzentrieren sich vor allem auf die Westalgarve, lassen aber auch Pferde in der Ostalgarve oder im südlichen Alentejo nicht im Stich. Wenn sie am Straßenrand ein Tier in Not sehen oder einen Anruf von einem besorgten Bürger erhalten, nehmen sie als erstes den offiziellen Weg. Wenn die Umweltabteilung nicht eingreift, wenden sich Olaf und seine Kollegen an den Besitzer. Dabei geht es ihnen um Hilfe zur Selbsthilfe. „Wir wollen nicht alle Pferde in Not einsammeln, sondern den Besitzern zeigen, dass man auch anders mit den Tieren umgehen kann“, so Olaf. „Das fängt bei ganz pragmatischen Sachen an. Wir schenken ihnen Hufeisen, eine Wurmkur, Futter oder ein vernünftiges Halfter. Praktische Dinge, die dazu führen, dass das Pferd nicht weiter malträtiert wird“, erklärt er weiter. „Gerade den Sinti, die mit Pferden handeln, helfen wir gerne mit Sachspenden und versuchen ihnen bewusst zu machen, dass man durchaus auch das eigene Image stärken kann, wenn man sein Pferd tiergerecht und respektvoll behandelt. Wenn ihre Pferde gesund aussehen, erhalten sie die Anerkennung der Gemeinschaft“, so Olaf. Wenn dieser Ansatz nicht funktioniert, kaufen sie das Pferd zu preiswerten Konditionen. „Keineswegs soll mit dem Pferd ein Profit gemacht werden“, betont Olaf.
Oft wird der Verein auch von Portugiesen kontak-tiert, die ihre Huftiere nicht weiter halten können. „Traditionell haben viele Menschen hier noch Pferde. Vor nicht allzu langer Zeit waren Esel und Pferd noch Transportmittel. Mittlerweile wurden sie durch Autos oder Traktoren ersetzt, aber die Tiere sind eben noch da und man weiß nicht wohin mit ihnen“, berichtet Olaf. Städtische Tierheime nehmen Pferde & Co. nicht auf und auch an privaten Hilfsorganisationen für Huftiere mangelt es im Land.
Manchmal gibt es leider auch Fälle, in denen man dem Tier nur noch helfen kann, indem man es erlöst. „Vor etwa eineinhalb Jahre machte man uns auf ein Pferd aufmerksam, dass nicht nur verhungerte und tiefe Wunden am Brustkorb hatte, sondern dessen Augen ausgestochen waren. Wir haben bei SEPNA und beim Amtstierarzt solange Terror gemacht, bis der Tierarzt das Pferd einschläferte“, erinnert sich Olaf.
Die meisten Pferde, die Algarve Horse Alarm rettet, sind unterernährt, haben Wunden am Brustkorb und an den Beinen, weil die falsche Ausrüstung benutzt wurde, und sind traumatisiert. „Nach meiner Ansicht ist die Idee, dass man ein Pferd handzahm macht, indem man seinen Willen bricht, noch weit verbreitet. Daher werden sie oft mit Stöcken geschlagen“, berichtet der Tierfreund.
Nach der Rettung werden die Pferde als erstes medizinisch versorgt und eine Wurmkur durchgeführt. Die Organisation arbeitet mit Tierärzten, einer jungen Pferdezahnärztin und Hufschmieden zusammen, die lediglich die Medikamente und das Material in Rechnung stellen. Vier bis sechs Wochen kommen die Pferde in eine Art betreute Quarantäne, danach mit anderen Pferden auf Grundstücke rund um Barão de São João. Sie bleiben sechs bis neun Monate bei Algarve Horse Alarm. Sobald sie körperlich und psychisch fit sind, werden sie in gute Hände vermittelt. „Viel hängt natürlich vom Charakter des Pferdes ab. Einige sind verschmust, andere zickig oder etwas überheblich. Darauf muss man sich einstellen und einlassen. Manchmal dauert es extrem lange, bis sie den Menschen wieder vertrauen“, weiß Olaf.
Derzeit sind 19 Pferde, von einjährigen Fohlen bis 30 Jahre alten Pferden, bei Algarve Horse Alarm in Betreuung. Davon könnten etwa zehn vermittelt werden. „Ein Pferd zu adoptieren, bedeutet nicht, ein Pferd kostenlos zu bekommen“, unterstreicht Olaf. „Wer uns wirklich kennt, weiß, wie viel Mühe, Zeit und Geld wir in jedes einzelne Pferd investieren, das wir retten. Abgesehen von den Anschaffungskosten für das gerettete Pferd entstehen uns unmittelbar danach grundlegende Kosten: für Futter, Transport, Entwurmung, Zahnpflege, Hufschmied, tierärztliche Grunduntersuchung, usw. Wir halten es für wichtig, eine Adoptionsgebühr zu verlangen, die sich in einem akzeptablen Rahmen bewegt. Wenn wir nicht einen Teil unserer Ausgaben decken können, sind wir nicht in der Lage unsere Arbeit fortzusetzen. Unsere Ausgaben übersteigen bei weitem unsere Spenden und wir müssen viel aus unserer eigenen Tasche bezahlen, um weiterhin Pferde zu retten. Die Adoptionsgebühren werden verwendet, um diese finanzielle Belastung zu verringern“, erklärt Olaf.
Neben Geldspenden freuen sie sich auch über Sachspenden wie Futter, Pferdedecken, Halfter oder Sattel, sowie auf tatkräftige Unterstützung, um nach den Pferden zu schauen und ihnen Wasser und Futter zu bringen. Man kann der Tierorganisation auch helfen, indem man ein Grundstück zur Verfügung stellt, auf dem die Pferde stehen können oder mit Fachwissen. „Personen, die Pferde trainieren und einreiten können“, nennt Olaf als Beispiel. Eine weitere Möglichkeit besteht darin, die Patenschaft für ein Pferd zu übernehmen. „Wir sind dankbar für jede Hilfe, die in irgendeiner Form den Pferden zugute kommt“, fasst er zusammen.
Derzeit sind die drei Tierfreunde auch im Gespräch mit dem Rathaus von Lagos. „Sie sehen, welche -Arbeit wir leisten und wollen uns ein Grundstück zur Verfügung stellen. Im Gegenzug wollen wir Kinder zu uns einladen. Das Ziel: Sensibilisieren. Mentalitäten ändern“. Dies ist auch das Ziel hinter den Workshops, die der Verein anbietet. Wie geht man verantwortungsbewusst und tiergerecht mit einem Pferd um, wieso ist eine regelmäßige Entwurmung sinnvoll, auf was muss bei den Hufen geachtet werden oder Notfallversorgung bei Koliken sind nur einige der Themen. „Somit bringen wir mehr Kenntnis und Verständnis über und für die Pferde in die Gemeinde und der Obolus, den die Teilnehmer zahlen, bringt uns etwas Geld ein“, erklärt Olaf.
Text und Fotos: Anabela Gaspar in ESA 10/2021
Algarve Horse Alarm
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Deutsch: Olaf Linke Mob. 926 585 894
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