Die Reserva Natural do Sapal de Castro Marim e de Vila Real de Santo António ist ein wahres Sanktuarium für Vögel. Gegen die allgemein vorherrschende Meinung ist die menschliche Aktivität in diesem Naturschutzgebiet unentbehrlich für seine Erhaltung sowie für die der Vögel. ESA-Redakteurin Anabela Gaspar entdeckte bei einem Ausflug im Naturreservat wieso dies so ist
Atemberaubend. Dieses Wort beschreibt am besten die Landschaft im Cerro do Bufo bei Castro Marim. Von Oktober bis März finden hier Zugvögel aus Zentral-Europa und Eurasien Zuflucht vor dem kalten Winter. Die Vielfalt und Anzahl ist so groß, dass diese ohne Zweifel die beste Jahreszeit zur Vogelbeobachtung ist. An den Ufern der Flussarme und der Salinen sammeln sich die Limikolen, auch Watvögel genannt. Am häufigsten kommen Uferschnepfen, Rotschenkel und Zwergstrandläufer vor. Stelzvögel wie der Graureiher oder Löffler ernähren sich in tieferen Gewässern. In der Ferne können dichte Schwärme von Flamingos entdeckt werden. Stolz und majestätisch spazieren sie durch die Salinen, stecken den langen Hals ins Wasser und wirbeln den Schlamm vom Grund auf, um sich von kleinen Weichtieren zu ernähren. Jüngere Flamingos können das ganze Jahr über hier beobachtet werden. Doch im Winter, wenn sich zu ihnen die Erwachsenen gesellen, welche die Fortpflanzungszeit im Süden von Spanien verbracht haben, können in Castro Marim bis zu Tausend Flamingos gesehen werden. Die Vogelart, die jedoch am stärksten im Winter im Naturschutzgebiet vertreten ist, ist das Blässhuhn mit zirka 2.000 Exemplaren. Ebenfalls zu den Wintergästen zählen Tausende Entenvögel. Zehn Arten kommen vor, wie die Spieß-, die Krick-, die Löffel- und die Stockente. Letztere ist das ganze Jahr über in Castro Marim heimisch. Seltene Entenvögel fühlen sich im Cerro do Bufo wohl. So die Brandgans und die Schnatter-, Kolben- und Knäkente. Dies ist nur eine kleine Auswahl der insgesamt 169 Vogelarten, darunter viele gefährdete, wie die Stummellerche, die in Portugal nur hier brütet, der Kampfläufer oder der Dunkle Wasserläufer, für die die Reserva Natural do Sapal de Castro Marim e de Vila Real de Santo António (RNSCMVRSA) Lebensraum und Brutgebiet ist. Zudem fühlen sich 36 Säugetiere, ca. 120 Wirbellose und 22 Fischarten im Naturschutzgebiet der Ostalgarve wohl, so die Angaben des Instituts für Naturschutz und biologische Vielfalt ICNB, das für die Reserva zuständig ist. Doch nicht nur die biologische Vielfalt dieses Gebietes ist einzigartig. Auch seine Landschaft. 60 Prozent der 2.089 Hektar großen RNSCM VRSA ist Feuchtgebiet. Davon sind 30 Prozent Salinen. Das Muster, das diese von Menschen bereits im 8. Jahrhundert vor Christus zur Salzschöpfung geschaffte Becken bildet, ist genau so beeindruckend wie die hier anzutreffende Tierwelt. Vor allem die höher gelegenen Aussichtspunkte, wie die Burg oder die Festung von Castro Marim gewähren einen fesselnden Blick auf die Salzgärten. Für die Vögel sind die Salinen lebenswichtig. Sie bieten ihnen ideale Schutz-, Nahrungs- und Brut-Bedingungen. Sollte die Salzschöpfung eingestellt werden, würde die Anzahl der geflügelten Wintergäste hier dramatisch zurückgehen oder gar ganz ausbleiben. Das hier vorherrschende Gleichgewicht zwischen der wirtschaftlichen Aktivität und der Natur ist selten und deshalb umso beeindruckender. Leider ist die Salzschöpfung, vor allem die nach traditioneller Art, also per Hand, keine sehr rentable Tätigkeit. Weshalb Vogelbeobachter, die dieses Gebiet besuchen, auch die Salineiros unterstützen sollten. Ein kleiner Abstecher bei der Cooperativa Tradisal neben der alten Markthalle in Castro Marim, um Sal Marinho oder Flor do Sal zu kaufen, ist in dieser Hinsicht sehr hilfreich und sicher nicht uninteressant. Zudem können die Salinen besucht werden und die Salzschöpfer sind, soweit es keine Sprachbarrieren gibt, gerne bereit, ein wenig über ihre Arbeit zu erzählen. ,,Wenn man nicht nur die Vögel beobachtet, sondern auch mehr über die Bewohner, deren wirtschaftliche Aktivitäten und über die Geschichte von Castro Marim lernt, ist es zudem ein wesentlich komplexeres Erlebnis“, so Anabela Resende, Leiterin des ICNB-Zentrums im Naturschutzgebiet. Interessant ist auch zu beobachten, dass sich die Vögel nicht im geringsten von den Traktoren der industriellen Salinen im Cerro do Bufo stören lassen. Da sie die Motorengeräusche gewohnt sind, heben sie bei vorbeifahrenden Fahrzeugen höchstens den Kopf. Bei Menschen erschrecken sie jedoch und fliegen davon. Egal wie schön der Anblick von Hunderten davonfliegenden Flamingos oder auch Graureihern sein mag, Besucher sollten die Vögel nie aufschrecken. Sie sind in den Salinen, um sich zu ernähren, auszuruhen und zu brüten. ,,Wenn sie alle zehn Minuten verängstigt davonfliegen, ist dies nicht möglich“, so Anabela Resende. Nicht ausgeruhte und unterernährte Zugvögel haben nicht die Kraft, um ihre Reise fortzusetzen. Während der Brutzeit kann falsches Verhalten seitens der Vogelbeobachter zum Verlassen der Nistplätze führen. ,,Ich verstehe, dass man die Vögel aus der Nähe betrachten will, aber dadurch gefährden wir sie. Damit das Naturschutzgebiet weiterhin ein Vogel-Sanktuarium bleibt, müssen die Besucher verstehen, dass sie die Vögel nicht stören dürfen“, fasst Anabela Resende zusammen. Deshalb sollten Vogelbeobachter nie von den vom ICNB angegebenen Pfaden abweichen. Die Wege wurden so angelegt, dass sie es den Besuchern ermöglichen, die Vögel zu beobachten ohne sie zu stören. Es gibt drei Pfade innerhalb der Reserva. Den sechs Kilometer langen ,,Percurso do Sapal de Venta Moinhos“ im Sumpfgebiet direkt am Guadiana-Fluss, wo sich auch das ICNB-Zentrum befindet. Außer dem Observatorium im Zentrum gibt es seit kurzem auch ein weiteres mitten im Sumpfgebiet (Schlüssel dazu muss im Zentrum erfragt werden). Es wurde, zusammen mit anderen Projekten im Naturschutzgebiet Ria Formosa, von der Flughafenverwaltung ANA finanziert, als Ausgleich für die Vergrößerung des Flughafens von Faro. Direkt durch die traditionellen Salinen bei Castro Marim führt der nur zwei Kilometer lange Pfad ,,Percurso das salinas tradicionais“. Bei Regen kann man nur bis zum Kai gehen. Der ,,Percurso do Cerro do Bufo“ ist mit zehn Kilometern der längste und wohl der interessanteste. Auch diese Wanderung ist bei Regen nicht möglich. Informationen zu den jeweiligen Pfaden sind im ICNB-Zentrum bei Monte Francisco, Castro Marim, erhältlich sowie unter www.icnb.pt.
Im Gebäude des ICNB im Naturreservat erhält der Besucher Info über dieses Gebiet. Dahinter steht seit kurzem ein Observatorium, zu dem man zum Schutz der Vögel durch eine geschlossene Passage gelangt.
Das Institut für Naturschutz und biologische Vielfalt ICNB rät Besuchern, die Vögel nicht getrennt von den Bewohnern und deren Aktivitäten zu sehen. Und so handelt es auch selbst. Anabela Resende, Leiterin des ICNB-Zentrums, ist sich dessen bewusst, dass die lokale Bevölkerung die wichtigste Rolle im Schutz dieses Gebietes spielt. ,,Wenn sie die Salzschöpfung und die traditionelle Landwirtschaft aufgeben, werden die Vögel mitteloder langfristig verschwinden“, sagt sie. Die Hauptaufgabe des ICNB besteht deshalb darin, das Gleichgewicht zwischen der Natur und den wirtschaftlichen Aktivitäten zu erhalten.
,,Die Bewohner müssen ihr Brot verdienen. Und leider sind traditionelle Arbeiten nicht sehr lukrativ“, erklärt Anabela Resende. Darum unterstützt das ICNB die Salzbauern und Landwirte beim Antrag um Fördermittel oder Zertifizierungen, durch die sie sich besser auf dem Markt platzieren können. Des Weiteren gibt das ICNB ihnen Ideen zur Weiterentwicklung oder für neue Projekte, u.a. im Bereich des Landtourismus. ,,Wir erforschen das Potenzial des Gebietes und legen eine Entwicklungsstrategie fest, die mit Naturschutz vereinbar ist. Die Projekte sollen sich zudem ergänzen und natürlich nachhaltig sein“, erklärt Anabela Resende.
Die Reserva Natural do Sapal de Castro Marim e de Vila Real de Santo António wurde im März 1975 gegründet und ist somit Portugals ältestes Naturreservat und eines der wichtigsten Wattgebiete. Es gilt als Hotspot für Vogelbeobachtung. Anfahrt zum ICNB-Zentrum A22, Ausfahrt Castro Marim / Vila Real de Sto. António Richtung Beja/Alcoutim Gleich nach ca. 1 km rechts abbiegen (Reserva Natural ausgeschildert) Sede e Centro de Interpretação Sapal de Venta Moinhos, Apartado 7 8950-999 Castro Marim Tel.: 281 510 680 Fax: 281 531 257 rnscm@icnb.pt Mo – Fr 9 h -12.30 h 14 h – 17.30 h
Text: Anabela Gaspar