Die öffentlichen Aufträge der Lissabonner Juntas de Freguesia sorgten in den vergangenen Wochen für Aufruhr. Die sozialdemokratische Partei PSD schaffte es ebenfalls in die Schlagzeilen wegen Missbrauch öffentlicher Gelder.
In den 24 Lissabonner Gemeinden stellt sich das Szenario wie folgt dar: Kommunalwahl-Kandidaten, die Verträge für Dienstleistungen über Direktvergabe statt öffentlicher Ausschreibung erhielten; mehrere Tausend Euro wurden an Unternehmen von ehemaligen Abgeordneten und Mitgliedern der Gemeindeversammlung gezahlt, die gleichzeitig Berater in Gemeinden der gleichen politischen Couleur sind.
„Ein wiederkehrendes Phänomen“, das „vielleicht weiterverbreitet ist, als man denkt“ und „den Mangel an Ethik in der Politik offenbart“, so Luís de Sousa, Politikwissenschaftler und Korruptionsexperte. Solche Situationen kommen in fast allen Gemeinden der Hauptstadt vor und beweisen, dass häufig Personen mit Verbindungen zu den Parteien direkt mit der Erbringung verschiedener Dienstleistungen, insbesondere in den Bereichen Beratung und Consulting, beauftragt werden.
Die Vorsitzenden der Juntas de Freguesia behaupten, dass keine Unvereinbarkeiten vorliegen, und rechtfertigen den Vertragsabschluss mit Personen der gleichen politischen Partei mit einer Übereinstimmung der Sichtweisen und dem Mangel an eigenen Mitteln. Korruptionsexperten sind jedoch anderer Meinung: Luís de Sousa ist der Ansicht, dass diese Praxis „nicht dem öffentlichen Interesse dient“ und erklärt, dass „die Bevorzugung von Personen, die der Partei nahestehen, den Markt verzerrt und eine gerechte Verteilung der Ressourcen verhindert“. Auch André Corrêa d’Almeida von der Vereinigung All4Integrity betont, dass „es bei Direktvergabe-Verträgen keine Garantie dafür gibt, dass die Gemeinde den besten Preis zahlt“.
Allein in den letzten zwei Jahren haben die 24 Gemeinden der Hauptstadt mindestens 60 öffentliche Aufträge an Parteimitglieder vergeben. Neu ist diese Vetternwirtschaft nicht. Seit 2015 untersucht die Kriminalpolizei im sogenannten Tutti Frutti-Fall eine mutmaßliche Verschwörung zwischen PS- und PSD-Führern, um politische Positionen auch auf der Ebene von Gemeinden und Kommunen auszuhandeln.
Im Juli führte die Kriminalpolizei auch Durchsuchungen in der Parteizentrale der Sozialdemokraten sowie im Haus des ehemaligen Vorsitzenden der Partei Rui Rio durch. Sie werden verdächtigt, Straftaten wie Veruntreuung und Amtsmissbrauch begangen zu haben, weil sie angeblich öffentliche Gelder, insbesondere vom Parlament, missbraucht haben. Gelder, die für beratende Positionen in der Parlamentsfraktion vorgesehen waren, wurden angeblich für die Zahlung von Gehältern an PSD-Angestellte verwendet. Die Untersuchung bezieht sich auf die Jahre 2018 – 2021, in denen Tausende von Euro pro Monat an Beamte gezahlt wurden, die in Wirklichkeit nicht im Parlament, sondern in der Parteizentrale und in den Bezirksbüros arbeiteten. Rui Rio streitet die angeblichen Praktiken nicht ab und argumentiert, dass „die Zahlungen nicht illegal und in allen Parteien üblich sind“.