Der portugiesische Oberste Gerichtshof hat am 22.03.2022 (Rechtssache Nr. 24471/16.4T8PRT.P1.S2-A-RUJ) entschieden, dass Apartments grundsätzlich nicht kurzzeitig an Touristen vermietet werden dürfen (sog. Alojamento Local; kurz: AL). Aufgrund der weitreichenden Auswirkungen dieses Urteils hat ESA den Experten im Immobilienrecht, Dr. Alexander Rathenau, dazu im Mai 2022 interviewt. Heute, 30. Juni 2023, haben wir Dr. Rathenau erneut zu diesem Thema befragt. Grund dafür ist, dass der portugiesische Gesetzgeber an einem umfassenden Gesetzestext im Rahmen der „Mais-Habitação“-Agenda der Regierung arbeitet. Es steht bereits fest, dass es zu Einschränkungen in der Zulässigkeit der AL-Vermietung von Wohnhäusern und Apartments kommen wird. Viele unserer ESA-Leser fragen sich deshalb, ob und wie sie in Zukunft ihre Immobilien vermieten können, sollte ein Verbot eintreten. Dazu haben wir den Experten befragt.
Herr Dr. Rathenau, wissen Sie bereits, welche Einschränkungen es in Zukunft in Sachen AL geben wird?
Nein. Das Parlament diskutiert derzeit über Einzelheiten. Der aktuelle Gesetzesentwurf kann noch weiterreichende Änderungen erfahren. Ich schätze, dass in den nächsten drei Monaten der endgültige Gesetzestext vorliegen wird.
Welche sind die wichtigsten Änderungen, die der aktuelle Gesetzesentwurf vorsieht?
Der aktuelle Gesetzesentwurf sieht vor, dass die Erteilung neuer AL-Lizenzen bis Ende Dezember 2030 ausgesetzt wird. Davon nicht betroffen sollen Wohnhäuser sein, solange das gesamte Wohnhaus vermietet wird. Außerdem sind die Inselgruppen Madeira und Azoren sowie bestimmte Gemeindegebiete auf dem Festland mit einer geringen Bevölkerungszahl von dieser Regelung ausgenommen. Gemäß dem allgemeinen Wohnungsgesetz, das u.a. Richtlinien für den öffentlichen Wohnungsbau vorsieht, soll jedes Gemeindegebiet einen kommunalen Wohnungsplan aufstellen, der am Ende darüber entscheiden soll, ob neue AL- Lizenzen erteilt werden. Weiterhin ist vorgesehen, dass bestehende AL-Lizenzen, von denen aber kein Gebrauch gemacht wird, innerhalb von zwei Monaten nach dem Inkrafttreten des neuen Gesetzes erlöschen. Ferner sollen bestehende AL-Lizenzen auch dann erlöschen, wenn die Immobilie veräußert wird. Bestehende aktive AL-Lizenzen sollen nur bis Ende 2030 gültig sein. Danach soll darüber entschieden werden, ob sie verlängert werden können. In Zukunft sollen solche Lizenzen jeweils nur für fünf Jahre gelten. Den Gemeinden soll die Entscheidungsmacht übertragen werden, über die Zulässigkeit von Verlängerungen zu entscheiden. Schließlich soll eine Sonderabgabe auf AL-Gewerbe erhoben werden.
Der portugiesische Oberste Gerichtshof hat am 22.03.23 entschieden, dass Apartments grundsätzlich nicht kurzzeitig an Touristen vermietet werden dürfen. Wird der Gesetzgeber hierzu keine Regelung treffen?
Auch dazu wird es eine neue Regelung geben. Dies betrifft Eigentümer von Wohneinheiten (Apartments), deren Teilungsurkunde nicht ausdrücklich eine gewerbliche Nutzung der Einheiten vorsieht. So gut wie keine Teilungsurkunde in Portugal sieht eine gewerbliche Nutzung vor, weshalb dieses Thema sehr relevant ist. Laut dem vorliegenden Gesetzesentwurf soll eine AL-Vermietung grundsätzlich auch möglich sein, wenn die Teilungsurkunde kein Gewerbe vorsieht. Sollte allerdings eine Mehrheit der Eigentümer gegen eine solche Nutzung sein, soll eine AL-Vermietung generell im Gebäude verboten sein. Gestern las ich in der Presse, dass die PS-Partei im Parlament vorgeschlagen hat, dass eine AL-Nutzung durch alle Eigentümer ausdrücklich genehmigt werden muss. Sollte dieser Vorschlag umgesetzt werden, so würde dies tatsächlich das Ende der AL-Vermietungen von Apartments bedeuten. Das letzte Wort wurde hier aber noch nicht gesprochen!
Hat derjenige, der in Zukunft seine Immobilie nicht mehr an Touristen unter dem AL-Gewerbe vermieten darf, eine Alternative?
Ja. Die klassische Vermietung von Wohnraum bleibt uneingeschränkt zulässig.
Aber was bedeutet das genau? Kann man dann seine Immobilie doch weiterhin an Touristen vermieten?
Es kommt hier auf die Frage an, wie eine (untersagte) Alojamento Local-Vermietung von der klassischen Vermietung abzugrenzen ist. Die AL-Vermietung ist ein Gewerbe, das in der Erbringung einer Dienstleistung, namentlich in der Beherbergung von Personen, besteht. Es wird vermutet, dass ein Alojamento Local vorliegt, wenn über das Internet oder sonstigen Kanälen, wie Reisebüros, eine Unterkunft für Touristen angeworben wird oder eine möblierte und eingerichtete Wohnung für Zeiträume von unter 30 Tagen angeboten wird und dabei über die einfache Übernachtung hinaus weitere Dienstleistungen inbegriffen sind, wie etwa die Säuberung. Diese Vermutung kann allerdings durch die Vorlage eines schriftlichen Mietvertrages, der ordnungsgemäß vor dem portugiesischen Finanzamt registriert wurde, entkräftet werden. Ein klassischer Mietvertrag über Wohnraum muss nach portugiesischem Recht schriftlich verfasst und aus steuerlichen Gründen beim Finanzamt registriert werden. Das klassische Mietrecht schränkt die Laufzeit eines Mietvertrages nicht ein, d. h. ein klassischer Mietvertrag kann auch eine Laufzeit von z.B. nur 14 Tagen haben. Nur bei Mietern, die das Mietobjekt als ihren gewöhnlichen und ständigen Wohnsitz nutzen, besteht eine Mindestlaufzeit von einem Jahr. Ein klassisches Mietverhältnis wird u.a. dadurch gekennzeichnet, dass der Mieter bestimmte Änderungen am Mietobjekt vornehmen darf, sich gegen Handlungen des Vermieters wehren darf, die dazu führen, dass die Nutzung des Mietobjektes eingeschränkt wird, der Mieter hat die Pflicht, die Wohnung auch tatsächlich zu nutzen, der Mieter kann das Recht haben, die Wohnung unterzuvermieten und Gäste zu empfangen, etc. Bei der AL-Vermietung hat der Mieter nur das Recht, die konkrete Wohneinheit zu nutzen, um dort zeitweise zu wohnen, namentlich dort zu übernachten, zu schlafen, sich auszuruhen, persönliche Gegenstände zu lagern, etc. Das Nutzungsrecht des Mieters ist bei weitem nicht so weit ausgestaltet wie bei einem klassischen Mietverhältnis. Wer demnach in Zukunft nicht mehr im Rahmen eines AL-Gewerbes vermieten darf, sollte sich überlegen, ob er nicht klassische Mietverträge mit seinen Kunden bzw. Mietern abschließt. Das Gesetz erlaubt dies. Die Abgrenzung zwischen AL/klassischer Miete ist nicht einfach. Da das Gesetz aber ausdrücklich vorsieht, dass die Vorlage eines vor dem Finanzamt registrierten schriftlichen Mietvertrages die Vermutung widerlegt, dass es sich um eine AL-Gewerbe handelt, ist der Weg über klassische Mietverträge möglich. Internetwerbung, die Einschaltung von Maklern etc., um Mieter zu akquirieren ist dafür zulässig. Bei der Registrierung des schriftlichen Mietvertrages wird eine Stempelsteuer i. H. v. 10 % eines monatlichen Mietzinses fällig. Auch die Besteuerung der Mieteinnahmen im Rahmen der Einkommensteuer unterscheidet sich von der AL-Besteuerung. Das klassische Mieteinkommen wird grundsätzlich mit 28 % besteuert. Auch hier sind allerdings Änderungen zu erwarten; die Steuer soll auf 25 % sinken. Je länger die Laufzeit des Vertrages, je geringer soll die Steuer ausfallen.
Herr Dr. Rathenau, wir bedanken uns für das Gespräch und werden Sie aller Voraussicht nach wieder kontaktieren, sobald der endgültige Entwurf des Gesetzes vorliegt.