Bei der vorgezogenen Parlamentswahl vergangenen Sonntag hat das Mitte-Rechts-Bündnis Aliança Democrática (AD) einen knappen Sieg errungen. Mit 29,49 % der Stimmen (79 Parlamentssitze) lag es vor den seit acht Jahren regierenden Sozialisten (PS), die 28,66 % (77 Sitze) erreichten. Der große Sieger war jedoch die 2019 gegründete rechtspopulistische Partei Chega, die beträchtlich zugelegt hat: Im Vergleich zur Wahl vor zwei Jahren konnte sie ihr Ergebnis mehr als verdoppeln und kam auf 48 Sitze im Parlament (18,06 %). Ein Szenario der Unregierbarkeit, so die Kommentatoren, denn weder die Bündnis- noch die Linksparteien erreichen ohne Chega die absolute Mehrheit (116 von 230 Parlamentssitzen) und sowohl die AD als auch die PS lehnten während der Wahlkampagne eine Koalition mit den Rechtspopulisten ab.
Der AD-Spitzenkandidat Luís Montenegro wiederholte dies auch nach der Wahl. Andere Spitzenpolitiker des Mitte-Rechts-Bündnisses positionierten sich hingegen weniger klar. Beobachter schließen deshalb nicht aus, dass die Rechtspopulisten am Ende doch an der Regierungsbildung beteiligt werden könnten.
Eine Koalition zwischen PS und PSD, sprich AD, ist ausgeschlossen, die beiden Hauptparteien trennen faktisch unüberwindbare Differenzen. Eine der AD mit Iniciativa Liberal (5,08 %, 8 Sitze) erreicht lediglich 87 Sitze und 88, falls das Bündnis zusätzlich mit der Partei PAN koaliert. Die linksgerichteten Parteien (PS, BE, Livre und CDU) stellen zusammen 90 Parlamentssitze, mit PAN könnten es 91 sein. Doch PS-Chef Pedro Nuno Santos äußerte bereits, keine Regierung zu bilden, sondern die Opposition zu übernehmen.
Die Frage, die sich stellt, ist, ob die Stimmen von 1.108.764 Bürgern, die Chega wählten, ignoriert werden können. André Ventura mahnte bereits in der Wahlnacht – und wiederholte es danach mehrmals – dass dies nicht passieren dürfte. Das Volk würde die Regierung wählen und hätte ihm die Mandate dazu erteilt. O-Ton der Kommentatoren ist, dass die Stimmen für Chega Proteststimmen gegen PS und PSD sind; sie seien ein Zeichen der Unzufriedenheit der Portugiesen mit 50 Jahren Demokratie in Zweiparteienherrschaft, die zu niedrigen Löhnen, hohen Steuern und schlechten öffentlichen Dienstleistungen geführt hat.
Bei der Auszählung fehlen noch die Stimmen der im Ausland lebenden Portugiesen, denen vier Sitze zugeteilt sind. Diese Ergebnisse werden für den 20. März erwartet. Bis dahin plant Staatschef Marcelo Rebelo de Sousa auch mit allen im Parlament vertretenen Parteien zu sprechen, um anschließend die Regierung zu ernennen. Während die Lebensfähigkeit einer AD-Minderheitsregierung zunächst gesichert sein dürfte, wird der entscheidende Test die Abstimmung über den Staatshaushalt 2025 sein. Die meisten Beobachter gehen bereits jetzt von Neuwahlen Anfang 2025 aus.
Die Ergebnisse auf einem Blick unter:
https://www.legislativas2024.mai.gov.pt/resultados/territorio-nacional