Ende 2023 wurde bekannt, dass Zwillinge aus Brasilien 2020 im Lissabonner Krankenhaus Santa Maria eine € 4 Mio. teure Behandlung zur Rückenmarksatrophie erhielten (s. ESA 12/23). Der Fall führte zu Schlagzeilen, da der Verdacht über eine mögliche Einflussnahme seitens des Staatschefs Marcelo Rebelo de Sousa bestand. Er gab zu, eine Anfrage seines Sohnes an die Staatspräsidentschaft bezüglich einer möglichen Behandlung der Zwillinge im Santa Maria weitergeleitet zu haben (ESA 01/24). Die Anfrage wurde daraufhin an die Regierung bzw. an das zuständige Ministerium und Staatssekretariat weitergeleitet.
Eine Untersuchung der Generalinspektion für Gesundheitstätigkeiten (IGAS) ergab die Rechtswidrigkeit des Zugangs zur neuropädiatrischen Konsultation der Zwillinge, da die Terminvereinbarung über das Staatssekretariat für Gesundheit nicht den Vorschriften entsprach, die den Zugang der Nutzer zum Nationalen Gesundheitsdienst regeln. Die Sekretärin des damaligen Staatssekretärs für Gesundheit Lacerda Sales vereinbarte den Termin auf dessen Anweisung hin. Lacerda Sales bestreitet das und fragt: „Warum gibt die Generalinspektion dem Zeugnis der Sekretärin mehr Glaubwürdigkeit als dem des Staatssekretärs für Gesundheit?“
Auch die Arzneimittelbehörde Infarmed soll die Zwillinge bevorzugt haben, indem sie den Kauf des Arzneimittels Zolgensma viel schneller als üblich genehmigte – innerhalb von zwei Tagen, sogar an einem Wochenende.
Die Partei Chega hatte bereits Ende 2023 eine Anhörung der Beteiligten im Parlament gefordert, doch die Sozialisten stimmten nicht zu. Mitte April hat Chega im Parlament einen Antrag auf Einrichtung eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses gestellt, um die Verantwortlichkeiten bei dem bevorzugten Zugang zur gesundheitlichen Versorgung und der Erlangung der doppelten Staatsbürgerschaft für die luso-brasilianischen Zwillinge zu klären. Laut Chega-Chef André Ventura ist das Ziel, „mögliche Unregelmäßigkeiten im gesamten Prozess aufzudecken“, „die Kosten für den Staatstresor zu berechnen“ und „die Existenz ähnlicher Fälle in jüngerer Vergangenheit zu untersuchen“. Die Tatsache, dass die Sozialdemokratische Partei dem Untersuchungsausschuss nicht zustimmt, lässt Ventura „vermuten, dass diese Haltung nichts weiter als ein Versuch ist, bestimmte Institutionen oder Persönlichkeiten zu schützen“.