Mit der neuen Weinmarke aus Silves, Herdade Barranco do Vale, lässt Ana Matias Chaves eine alte Familientradition neu aufleben
Lieber Großvater, die Farm ist weiterhin wunderschön. Die Korkeichen, die Sie gepflanzt haben, sind stark und gesund, die Olivenbäume groß und fest und die „medronhos“ sind einfach göttlich. Der alte Weinberg wurde sorgfältig gepflegt und die bepflanzte Fläche erweitert. Die Trauben, aus denen dieser Wein gekeltert wurde, wurden sorgfältig behandelt und ausgewählt, und die Produktion nach höchstem Standard durchgeführt. Der Wein reifte 20 Monate bevor er abgefüllt wurde. In Liebe, Ana Luísa.
Dieser Text ist auf dem Etikett der Weine der Herdade do Barranco do Vale im Sítio dos Campilhos nahe São Bartolomeu de Messines zu lesen. Eine kleine Hommage an Ana Matias Chaves´ Großvater, Ramiro Graça Cabrita, der die Farm Ende der 1960er Jahre kaufte und die ersten Weinreben anpflanzte.
Wenn Ana über ihren Großvater spricht strahlen ihre Augen. Stolz berichtet sie, dass er seiner Zeit weit voraus und ein echter Entrepreneur war. Auf dem 100 Hektar großen Grundstück mit Johannisbrot-, Mandel-, Oliven- und Erdbeerbäumen sowie Korkeichen ließ er vier Stauseen anlegen und -sogar unterirdische Leitungen zur Bewässerung der gesamten Herdade verlegen. „Dafür sind wir ihm heute extrem dankbar“ so Ana lächelnd. Die Gebäude, die früher den Tieren als Stall und zur Aufbewahrung der landwirtschaftlichen Erzeugnisse dienten, lassen erahnen wie groß das Landgut war. Die größte Hommage für Anas Großvater ist jedoch, dass sie und ihre Familie sein Lebenswerk weiterführen und den Wein Herdade Barranco do Vale ins Leben riefen.
Nachdem Ramiro Cabrita Anfang der 1990er starb, übernahmen seine Tochter und ihr Mann das Landgut. Obwohl sie in Lissabon lebten, schauten sie stets nach dem Rechten und kümmerten sich um die Ernten. Nun sind Ana und ihr Mann in das Familiengeschäft eingestiegen. Sowohl Ana als auch ihre Eltern, können sich stets auf die Unterstützung von Senhor Fernando verlassen, der als junger Mann von Ramiro angestellt wurde und mittlerweile seit über 40 Jahren auf dem Landgut arbeitet.
Anas Leben ist derzeit auf den Kopf gestellt und sie muss ständig zwischen Lissabon und der Algarve pendeln. Dennoch ist sie glücklicher denn je. Ihren Job in der Marketing-Abteilung eines Großunternehmens in Lissabon vermisst sie nicht. „Ich liebte meine Arbeit, aber ich liebe dieses Landgut und die Weinproduktion noch mehr“, erzählt sie strahlend während wir durch die von Kork-eichen umgebenen Weinreben spazieren. Neben Negra Mole, der traditionsreichsten Rebsorte in der Algarve, die bereits in den 1960er Jahren von ihrem Großvater angepflanzt wurde, gedeihen dort Aragonez, Castelão und seit Kurzem auch Alvarinho, Antão Vaz, Arinto, Chardonnay, Sauvignon Blanc und Viognier, denn sie wollen neben dem Rosé und den vier Rotweinen, zwei reinsortige und zwei Cuvées, demnächst auch Weißweine produzieren. Sehr stolz ist Ana auf den reinsortigen Herdade Barranco do Vale Rosé aus Negra Mole. „Frisch, blumig und fruchtig, nicht zu süß, nicht zu trocken, mit einem langen, eleganten Abgang“, bemerkt sie gut gelaunt. Der zuständige Alchemist ist der Önologe João do Ó von der Adega Única in Lagoa. Ana ist von ihm und der Weinkooperative begeistert. „Sie ist tatsächlich einzigartig (pt.: única) und João do Ó scheint unsere Gedanken lesen zu können. Obwohl er die Weine verschiedener Weingüter keltert, sind sie alle unterschiedlich und entsprechen genau unseren Wünschen“, so Ana. Sie selbst besuchte vergangenes Jahr ein Kurs bei Mário Andrade, einem renommierten Önologen der Region, und lernte dabei ein bisschen von allem: Von der Arbeit auf den Weinbergen bis hin zur Verkostung. „Auch wenn der Önologe anscheinend meine Gedanken lesen kann, sollte ich wenigstens die Kenntnisse haben, um mich mit ihm verständigen zu können“, erklärt sie augenzwinkernd. Dass es sich gelohnt hat wird deutlich, wenn sie die Eigenschaften ihrer Weine erklärt und über das Terroir spricht, das sich hier bei São Bartolomeu de Messines stark von dem an der Küste unterscheidet.
Dies ist ihre dritte Ernte. Wegen der hohen Temperaturen und des Feuers Anfang August in Monchique und Silves, mussten die Weinberge öfters bewässert werden, „denn bei zu viel Hitze verschrumpeln die Trauben“, weiß Ana. Dennoch ist sie zuversichtlich, dass es ein gutes Jahr wird und wie in den beiden letzten, 20.000 Flaschen auf den Markt kommen werden.
Ein Besuch, beziehungsweise eine Verkostung der Weine auf dem Landgut ist noch nicht möglich. Doch das ehemalige Haus ihres Großvaters wird derzeit renoviert und soll in Zukunft nicht nur Anas neues Zuhause werden, sondern auch einen Verkostungsraum beherbergen.
Weitere Pläne der Anfang 40-Jährigen sind eine Weintourismusanlage, ein eigener Weinkeller und eventuell die ehemalige Medronho-Destillerie des Großvaters neu zu beleben. „Es ist ein Projekt fürs Leben, das in Zukunft von meinem Sohn und hoffentlich auch von seinen Kindern weitergeführt werden soll“, wünscht sich die Lissabonnerin, deren Wurzeln, wie die ihrer Weinreben, tief in der Algarve stecken.
Text und Fotos: Anabela Gaspar in ESA 09/2018