Von außen ist das Gebäude des Theaters Lethes in Faro eher unauffällig. Doch es birgt eine engagierte Theatergruppe, die mit wenig Personal und knappen finanziellen Mitteln großartige Stücke und Shows auf die Bühne bringt. ESA war Backstage und berichtet
Auf der Bühne des Theaters werden für die Zuschauer viele Geschichten dargestellt. Von Tragödien von William Shakespeare über Dramen portugiesischer Dramaturgen wie Almeida Garrett und Gil Vicente bis zu modernen Stücken von portugiesischen Schriftstellern wie Jacinto Lucas Pires. Die Geschichte des Gebäudes an sich wäre ebenfalls ein Theaterstück wert. Es ist ein Wahrzeichen der Hingabe, Bildung, Tragödie, Liebe und Kultur.
Die Geschichte beginnt im Jahr 1599, mit der vom damaligen Bischof der Algarve ins Leben gerufenen Jesuitenschule Santiago Maior. Es wurden hauptsächlich religiöse Themen unterrichtet, dennoch betrachten viele die Santiago Maior Schule als die erste Universität der Algarve. 1750 wurden die Jesuiten aus dem Land vertrieben und ihr gesamtes Hab und Gut beschlagnahmt. Die Schule schloss ihre Tore. Zu Beginn des 19. Jh. besetzten die napoleonischen Truppen unter dem Kommando von General Junot die Region. Das ehemalige Schulgebäude diente den französischen Soldaten als Quartier. Aus dieser Zeit stammt eine makabere Entdeckung: Bei Umbauarbeiten einige Jahre später wurde in einer Wand das Skelett eines Soldaten entdeckt. Über die Gründe, weshalb er eingemauert wurde, wird viel spekuliert. Auch darüber, dass seine Seele weiterhin durch die Gänge des Theaters geistert.
1843 wurde das Gebäude bei einer Auktion von Dr. Lázaro Doglioni erworben. Sein Ziel: Dort ein Theater wie das São Carlos in Lissabon und das alla Scala in Mailand errichten zu lassen. Der Arzt aus Venedig war 1801 von Fischern aus Tavira gerettet worden, nachdem das Schiff, mit dem er auf dem Weg nach Großbritannien war, sank. Von Tavira reiste er nach Faro zum venezianischen Konsulat. Die Stadt, das Klima und die Menschen gefielen ihm, sodass er bis zum Ende seines Lebens dort wohnte. Um der Stadt etwas zurückzugeben und sicher auch, um für sich selbst ein kulturelles Angebot zu schaffen, beschloss er also das Theater bauen zu lassen. Die Einweihung fand am 4. April 1845 im Rahmen der Feierlichkeiten zum Geburtstag der Königin D. Maria II statt. An der Fassade des Gebäudes kann heute noch Monet oblectando gelesen werden, was so viel wie „spielerisch lernen“ bedeutet und Dr. Doglionis kulturelles Anliegen betont. In den 1860ern wurde das Gebäude erweitert und im September 1898 der erste Filmprojektor der Algarve installiert; wenige Jahre später wurden Renovierungen durchgeführt, doch ab 1920 erlebte das Theater einen Verfall und schloss schließlich 1925 seine Tore. Das Rote Kreuz erwarb später die Immobilie und ist bis heute der Eigentümer. Dank eines Protokolls zwischen dem Roten Kreuz und dem Kulturministerium war das Gebäude in den 1990er Jahren Sitz der regionalen Kulturbehörde und ein weiteres Protokoll führte dazu, dass seit 2012 die Theatergruppe ACTA dort ihren Sitz hat und für die Verwaltung des Theaters zuständig ist.
ACTA selbst wurde offiziell 1998 gegründet, nachdem sich die Mitglieder der Theatergruppe der Universität der Algarve SINCERA zusammenschlossen, um die erste professionelle Theatergruppe der Algarve ins Leben zu rufen. Künstlerischer Direktor war damals der im August 2018 verstorbene Prof. José Louro, der 1990 SINCERA gegründet hatte. Auf Einladung von diesem akzeptierte der bekannte Schauspieler Luís Vicente, Portugals Hauptstadt gegen die der Algarve zu tauschen und bei ACTA die Produktionsleitung zu übernehmen. Mittlerweile hat Luís Vicente neben der Produktionsleitung auch die künstlerische Leitung übernommen und ist zudem Regisseur und Schauspieler.
In 20 Jahren hat ACTA 76 Theaterstücke aufgeführt. Darunter auch viele Koproduktionen mit Theater-gruppen aus ganz Europa, wie beispielsweise mit dem Theater Trier und dem luxemburgischen Nationaltheater. Zusammen inszenierten sie 2011 in drei Sprachen die Komödie „Der Sturm“ von Shakespeare und präsentierten das Stück sowohl in Portugal als auch in Luxemburg und Deutschland. Zuletzt inszenierte ACTA „Improvável“ von José Martins, das am 12. Oktober noch im Auditorium in Albufeira (22.30 Uhr) zu sehen ist. Das neue Stück, das ab 8. November aufgeführt wird, erzählt die Geschichte von Ibn Qasi, Herrscher der Almohaden in Silves. Die Premieren finden stets im Theater Lethes statt. Meistens sind die Stücke dort einen Monat zu sehen, danach geht ACTA in Portugal und Spanien auf Tour.
ACTA ist zudem stark im Bereich Bildung engagiert und stellt die kulturelle Grundversorgung in den ländlichen Gegenden der Algarve sicher. Die theaterpädagogische Arbeit von ACTA an Grundschulen wurde 2010 mit dem wichtigsten portugiesischen Preis im Bildungssektor, dem Gulbenkian-Preis, ausgezeichnet. VATe, der alte Bus, der von der Theatergruppe in ein mobiles Theater mit 30 Plätzen umgebaut wurde, besucht seit Januar 2006 die Grundschulen der Region, vor allem im Hinterland. Eine weitere Zielgruppe sind Senioren in abgelegenen Dörfern, in denen ein Kulturangebot nicht vorhanden ist. „Der VATe ist oft die erste Theatererfahrung, die Kinder und Senioren machen. Ein Erlebnis, das in Erinnerung bleibt und Träume weckt“, so Luís Vicente. Neben kleinen Produktionen mit Schauspielern werden Marionetten- und Puppentheater sowie Schattenspiele präsentiert. Zudem organisiert ACTA Workshops. „Ziel ist es, dass die Kinder und Senioren mit der Familie und den Nachbarn dann ein eigenes Stück vorbereiten“, so Vicente.
Neben Theaterstücken dient die Bühne des Lethes auch Konzerten und anderen Shows. Ziel von ACTA ist es, dem Publikum der Algarve ein breit gefächertes Angebot zu bieten. „Unsere Stücke haben einen bestimmten künstlerischen und ästhetischen Stil“, erklärt Vicente. „Zum Beispiel ist unser Bühnenbild sehr schlicht oder existiert einfach nicht, denn wir folgen dem Konzept, dass das wichtigste im Theater der Schauspieler ist. Auf der Bühne steht daher nur das, was notwendig ist, um die Nachricht zu vermitteln“. Das Konzept hat ACTA von Peter Brook übernommen, ein britischer Theaterregisseur, der zu den wichtigsten Vertretern des zeitgenössischen europäischen Theaters gezählt wird. „Wir haben zudem das Glück, dass Jean-Guy Lecat, der 25 Jahre lang Peter Brooks Bühnenbildner am Théâtre des Bouffes du Nord war, oft mit uns zusammen arbeitet“, so Vicente weiter. „Das ist unser Konzept, andere Theatergruppen bieten Alternativen und diese laden wir zu uns ein, um dem Publikum etwas Neues bieten zu können“, fasst er zusammen.
Zu den Veranstaltungen, die bereits fest im Programm von Lethes verankert sind, gehört das Festival der Objekte und Marionetten (FOMe), das in diesem Monat zum achten Mal in Folge organisiert wird. Jeannine Trévidic, die wegen der Workshops im Rahmen von VATe auf die Idee eines Marionetten-Festivals kam und für die Organisation zuständig ist, verrät ESA, dass dieses Jahr zehn Gruppen aus neun Länder teilnehmen und etwa 50 Stücke in sechs Städten präsentiert werden. Außerdem verrät sie, dass sich alles rund um das Thema Gastronomie dreht – daher der Name des Festivals FOMe e outros comeres. „Bei einigen Stücken übernehmen Küchenutensilien und Lebensmittel die Rollen; wir haben bekannte Chefs dazu aufgefordert, Menüs zu kreieren, die die Zuschauer danach verkosten können; und wir haben Marionettenbauer aufgefordert Marionetten von berühmten Chefs anzufertigen, die ausgestellt werden“, so Jeannine. Es gibt Shows auf Portugiesisch, wie Histórias Suspensas, auf Englisch, wie Men in Coats, oder auf Türkisch, wie Garbage Monster. Bei Letzterem handelt es sich um ein Karagöz, ein türkisches Schattenspiel, denn Ziel des Festivals ist es auch, dass das Publikum Kontakt zu unterschiedlichen Kulturen hat. „Die Sprache sollte kein Hindernis darstellen, sowohl das Schattenspiel als auch die anderen Stücke können ohne Sprachkenntnisse verfolgt werden“, so Jeannine. Dennoch wird es eine Broschüre mit der Zusammenfassung aller Stücke geben. Jeannine macht auch darauf aufmerksam, dass Marionettentheater keineswegs nur für Kinder ist.
„Im Gegenteil, wir haben einige Stücke, die nur für Erwachsene sind“.
Für die Eröffnung des Festivals am 13. September am Largo do Carmo in Faro (22 Uhr) engagierte ACTA die Show DUNDU – Giants of Light aus Deutschland. DUNDU steht für DU UND DU und ist der Name der Großfiguren von Tobias Husemann, die für emotionale Showinszenierungen weltweit eingesetzt werden.
All dies und vieles mehr wird von insgesamt zwölf Personen mit knappen staatlichen Zuschüssen auf die Beine gestellt. Dennoch erklärt Luís Vicente, dass sich ACTA stolz zu den landesweit etwa acht Theatergruppen zählen darf, die regelmäßig und für jeweils vier Jahre Fonds vom Kulturministerium erhalten. Die Hingabe und Liebe, mit der sie sich dem Theater widmen, führte dazu, dass ACTA auch über Portugals Grenzen hinaus einen guten Ruf genießt.
Theater Lethes
Rua de Portugal 58, Faro
Tel.: 289 878 908
geral@actateatro.org.pt
teatrolethes.com
Text: Anabela Gaspar in ESA 09/2019
Fotos: Rui Serra Ribeiro; Rui Mateus; Rita Merlin; ceeswouda