Maria João Gomes bringt mit ihren Entwürfen das traditionelle Flechtwerk empreita in die moderne Welt und selbst auf den Laufsteg einer Lissabonner Modenschau
Traditionelles Kunsthandwerk muss nicht dazu verurteilt sein, immer nur in Verbindung mit der Vergangenheit erwähnt zu werden, lediglich in ethnografischen Ausstellungen eine Rolle zu spielen oder nur eine Erinnerung zu sein. Altes Handwerk und das damit verbundene Jahrhunderte alte Wissen müssen anerkannt werden. Zudem ist es längst falsch, altes Handwerk lediglich in Verbindung mit dem Landleben zu sehen. Empreita, das Flechtwerk aus den getrockneten Blättern der Zwergpalme, ist ein gutes Beispiel dafür. In den letzten Jahren erlebte es eine starke Renaissance in der Algarve. In der Altstadt von Loulé gibt es beispielsweise die vom Rathaus geförderte Werkstatt Casa da Empreita, über die ESA in der Dezember-Ausgabe 2017 berichtete und in der mehrere Kunsthandwerkerinnen aktiv empreita flechten und ihre Ware verkaufen. Auch im Rahmen von TASA, einem Projekt, bei dem traditionelles Kunsthandwerk mit modernem Design kombiniert wird, bieten Handwerkerinnen ihr Flechtwerk an. Maria João Gomes legt die Latte noch höher. Ihre Stücke sind begehrte Mode-Accessoires, die selbst das Interesse eines Modedesigners weckten und auf den Laufsteg der Modenschau Moda Lisboa gelangen.
Empreita entstand aus der Notwendigkeit. Zuerst wurden aus den Blättern der Pflanze, die hauptsächlich im Barrocal heimisch ist, ausschließlich Behälter für den Transport und die Aufbewahrung der Landwirtschaftserzeugnisse geflochten, später auch Haushaltsgegenstände. Das Handwerk wurde den Mädchen im frühen Alter beigebracht.
Maria João lernte die Flechtkunst hingegen erst vor sechs Jahren, kurz nachdem sie sich in São Brás de Alportel niederließ. Davor war sie in Europa, Afrika und Nordamerika unterwegs. In der Hinterlandgemeinde der Algarve, aus der ihre Eltern ursprünglich stammen, beschloss sie die Marke Palmas Douradas ins Leben zu rufen und sich der empreita und ihrer Förderung zu widmen. Die 50-Jährige produziert verschiedene Stücke: Von Accessoires wie Taschen, Clutchs, Hüte und Gürtel, über große Mandalas – die auch als Teppich dienen – bis hin zu Babytragetaschen und „allem was das Herz begehrt und Fantasie und Kreativität zulassen“, fasst Maria João lächelnd zusammen. Zudem bietet sie Workshops an, um anderen diese Kunst näher zu bringen.
Ihr hingegen schien zu Beginn niemand die Kunst der empreita beibringen zu wollen. Für die alten Frauen aus dem Hinterland, die das Flechten noch beherrschen, war Maria João eine Unbekannte und sie zogen es vor, die Geheimnisse der Flechtkunst für sich zu behalten. Doch mit der Zeit gelang es ihr, das Vertrauen der Frauen zu gewinnen und so lernte sie alle Schritte des Prozesses, vom Einsammeln und Trocknen der Palmblätter bis zu den verschiedenen Flechttechniken.
Zu Beginn sammelte sie die Palmblätter in der serra algarvia ein. „Ich bat die Grundstückseigentümer um Erlaubnis und sie meinten immer: Von mir aus! Die sind eh nichts wert. Aber für mich waren sie wertvoll!“, erzählt Maria João. Daher fertigte sie als Dankeschön kleine Körbe für die Landeigner an. Später pflanzte sie 60 Zwergpalmen auf ein Familiengrundstück. „Ich kann versichern, dass ich eine der wenigen Kunsthandwerkerinnen bin, die echte empreita algarvia aus der hiesigen Zwergpalme anfertigt“, sagt sie stolz, denn mittlerweile importieren die meisten die Palmblätter aus Marokko. Ihr ist es wichtig ein 100-prozentiges und natürliches Algarve-Produkt zu liefern, daher bleicht sie die Blätter auch nicht mit Schwefel. „Nachdem ich die Blätter eingesammelt habe, werden sie gewaschen, zum Trocknen in die Sonne gelegt und dann in Streifen gerissen, um zuletzt geflochten zu werden“, erklärt sie. „Die meisten Kunsthandwerkerinnen benutzen gebleichte Palmblätter, einfach weil diese früher als feiner galten. Doch Schwefel ist nicht gesund und der Geruch sehr unangenehm. Daher kann ich keine Babytragetaschen mit gebleichten Blättern machen oder einen Korb, in dem ich meine Lebensmittel transportieren werde. Meine Stücke riechen nach trockenem Stroh, nach Natur!“ Auch benutzt sie ungerne den Farbstoff Anilin. Doch bislang gelang ihr nur Gelb mit natürlichen Produkten herzustellen. „Ich bin aber sehr experimentierfreudig und gebe nicht auf“, sagt sie enthusiastisch. Diese Freude am Experimentieren führt auch dazu, dass Maria João die Palmblätter mit anderen natürlichen Materialien wie Schilfrohr und Holz mischt oder die Stücke mit eingeritzten Motiven verziert. Ihre Begabung liegt nämlich nicht nur im Flechten. Sie hatte schon immer einen Faible für die unterschiedlichsten Handarbeiten.
Der Durchbruch gelang Maria João, als der Modedesigner Filipe Faísca bei ihr einige Stücke für seine Sommerkollektion 2017 bestellte. „Die Modenschau gab meiner Arbeit Sichtbarkeit und verlieh ihr und dem Kunsthandwerk an sich Glaubwürdigkeit. Auf einmal war empreita nicht mehr überholt, sondern modisch“, erzählt sie. „Schon als ich Palmas Douradas ins Leben rief, wurde mir gesagt, dass empreita etwas für alte Menschen sei. Aber ich bezeichne mich als eine moderne Frau und mag trotzdem alte, traditionelle Sachen.“ Eine weitere Anerkennung ihrer Arbeit ist, dass Maria João beim nationalen Kunsthandwerk-Preis 2017 in der Kategorie Neues Talent nominiert ist. Ob sie gewonnen hat, wird erst bekanntgegeben, nachdem diese ESA-Ausgabe in Druck ist, doch für Maria João ist „alleine die Nominierung schon ein Grund, stolz zu sein“.
In der Algarve können ihre Entwürfe derzeit in der Boutik Ange und im Museu do Traje in São Brás de Alportel, in Mar de Histórias in Lagos und bei Portfolio am Flughafen von Faro erworben werden sowie über direkte Bestellung bei der Kunsthandwerkerin.
Palmas Douradas
Maria João Gomes
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Text: Anabela Gaspar in ESA 03/2018
Fotos: Palmas Douradas, Filipe da Palma, Daniel Thomas Gomes