In Calvário nahe Lagoa stehen seit Kurzem sechs farbenfrohe Figuren der Künstlerin Teresa Paulino, die echte Hingucker sind. Sie sind nicht nur bunt, sondern auch voller Bewegung. Durchaus moderne Skulpturen, welche die traditionsreiche lokale Folkloregruppe Rancho Folclórico do Calvário ehren
Teresa Paulino meißelt am liebsten überdimensionale Skulpturen. Wir haben sie alle schon gesehen, eventuell fotografiert. Ihre Werke verzieren sämtliche öffentliche Plätze in der Algarve. Jeder Tourist, der in die Algarve per Flugzeug reist, kennt ihre drei Meter hohen Skulpturen aus Kalkstein, die im Kreisverkehr vor dem Flughafen stehen. Die ausgebildete Designerin besuchte noch die Universität der Algarve, als sie dieses Projekt für einen von der Flughafenverwaltungsgesellschaft ANA im Jahr 1999 organisierten Wettbewerb entwarf. Alle Design-Studenten der Uni reichten Projekte ein, doch es war das von Teresa, das der Jury am besten gefiel. Nach diesem ersten Projekt erhielt die junge, dynamische Künstlerin viele andere Aufträge von regionalen Rathäusern. 2001 meißelte Teresa drei Skulpturen für Alcoutim: einen Schmuggler, einen Polizist und einen Fischer. Figuren, die eng mit der Geschichte der Stadt verbunden sind. Das Rathaus von Loulé erteilte Teresa mehrere Aufträge: Darunter zwei Fischer aus weißem Marmor, die einen Kreisverkehr an der Hauptstraße von Quarteira verzieren; die Verkäuferin, die nahe der Markthalle von Loulé ihre Ware anbietet; die bunte „Shopping Lady“ mitten in einem Kreisverkehr in Almancil und die fünf Musiker im Coreto von Loulé, der früher Musikgruppen als Bühne diente. Ein weiterer von Teresa gemeißelter Musiker steht in Paderne. Für den Bezirk Albufeira fertigte sie eine Fischerfamilie an, die am Praia dos Pescadores zu sehen ist; die Skulpturen, die eine Touristenfamilie darstellen und seit 2016 am Aussichtspunkt Pau da Bandeira am Praia dos Pescadores stehen oder die im selben Jahr eingeweihte Skulptur „Onda solidária“ zu Ehren all derer, die sich nach den Überschwemmungen im November 2015 am Wiederaufbau von Albufeira beteiligten. Auch nahe des Eingangs zur Altstadt von Faro stehen drei Soldaten, in Gedenken an all die Kameraden, die im Kolonialkrieg in Afrika gedient haben.
Nun war es das Rathaus von Lagoa, das sie engagierte, für eine Hommage an die Folkloregruppe Rancho Folclórico do Calvário, die im April 1964 gegründet wurde und seitdem den Namen Lagoa weit in die Welt hinaustrug. „Ich schlug dem Rathaus sofort vor, drei tanzende Paare anzufertigen“, erinnert sich Teresa Paulino. „Zum einen, weil eine Folkloregruppe immer aus mehreren Paaren besteht, zum anderen, um die verschiedenen Generationen, die teilnehmen, darzustellen“. Die Skulpturen, zwei etwa 2 m große männliche und zwei 1,75 m große weibliche Figuren sowie zwei 1,30 m große Kinderfiguren, stehen an einem Kreisverkehr in Calvário an der Straße, die die Ortschaft mit Estômbar verbindet. Um den Skulpturen die für die regionalen Folkloretänze typischen Bewegungen einzuhauchen, sah sich die Künstlerin, die selbst nie in einem Rancho mitwirkte, mehrere Auftritte und vor allem Videos an. „Letztere kann ich nach Belieben stoppen, um mir die Bewegung genau einzuprägen, während ich einen Auftritt natürlich nicht ständig unterbrechen kann“, begründet sie lächelnd. Zweifelsohne gelang es ihr, sowohl die Bewegungen als auch die Freude der regionalen Folkloretänze, bei denen sich die Füße der Tänzer so schnell bewegen, dass das Auge kaum folgen kann und die Röcke der Damen anheben, einzufangen und zu verewigen. Nicht zuletzt auch durch die bunten Farben der Trachten der Figuren. „Diese stehen zwar im Kontrast zu den eher schlichten und von dunklen Farben geprägten regionalen Gewändern, aber die Musik ist voller Rhythmus und Freude und die Liedertexte sind oft sehr lustig. Daher beschloss ich die Skulpturen bunt zu gestalten“, erklärt Teresa weiter.
Nachdem sie dem Rathaus das Modell zeigte und die Zustimmung erhielt, krempelte sie die Ärmel hoch. Zuerst fertigte sie die Figuren in Gips an. Anhand dieser wurden in einer spanischen Gießerei die Formen und letztendlich die Skulpturen in Aluminiumguss angefertigt. Zuletzt bemalte Teresa ihre Werke – mit Autolackfarben, wie sie uns lächelnd verrät. „Da die Figuren im Freien stehen, müssen sie sehr widerstandsfähig sein. Gegossenes Aluminium hat eine verbesserte Härte und Zerspanbarkeit, eine höhere Vibrationsabsorption und eine größere Zähigkeit. Eine innere Eisenstruktur sorgt zusätzlich für Stabilität und die Autolackfarben halten viel länger als andere.“ Aufgestellt sind die Skulpturen auf drei unterschiedlich hohen Plattformen, die die alten Dreschplätze darstellen. Denn lange bevor die ersten Fokloregruppen gegründet wurden und die ersten Auftritte stattfanden, tanzte die Jugend der Algarve auf Dreschplätzen unter freiem Himmel und strahlender Sonne.
Senhor Henrique erinnert sich noch an diese Zeiten. Er übernahm die Leitung der Rancho Folclórico do Calvário, die von Avelino Anastácio und José Bernardino Cabrita gegründet wurde. Ti Avelino und Zé da Gaita, wie beide liebevoll genannt wurden, riefen die Gruppe ins Leben, als die ersten Touristen die Algarve entdeckten, mit dem Ziel die regionale Folklore nicht in Vergessenheit geraten zu lassen. Sicher haben sie damals nicht geahnt, dass die Gruppe Auftritte in ganz Europa haben und zu den bekanntesten im Land zählen würde. Sowohl Senhor Henrique als auch alle anderen Mitglieder der Gruppe haben sich sehr über die Hommage des Rathauses gefreut. Die Figuren seien sehr gelungen und eine Bereicherung für die kleine Ortschaft. „Früher sind Autofahrer hier immer nur schnell durchgefahren, jetzt hält immer wieder jemand an, um Fotos von den Skulpturen zu machen“, berichtet Senhor Henrique. Und tatsächlich stoppen während unseres Gespräches drei Autofahrer, um ein Selfie neben den Figuren zu schießen.
Währenddessen arbeitet Teresa Paulino bereits am nächsten Projekt: As lavadeiras, zu Deutsch die Waschfrauen. In der Algarve wurde die mühsame Arbeitet nicht in einer Waschküche sondern in Flüssen oder Bächen erledigt. Diese Skulpturen werden, wie alte Fotos, schwarz-weiß sein und sollen in Fonte Santa, nahe Quarteira aufgestellt werden.
Wenn Teresa Paulino nicht mit ihren großen Skulpturen beschäftigt ist, widmet sie sich anderen Künsten und Handarbeiten, denn ihre „Hände müssen stets beschäftigt sein“, sagt sie lächelnd. Die multitalentierte Künstlerin malt gerne und gut und fertigte auch mehrere große Kachelpaneele für Cabanas de Tavira an, auf denen die traditionellen Wirtschaftsaktivitäten der Gemeinde abgebildet sind: Darunter Salzschöpfer in Salinen und Fischer, die ihre Netze flicken.
Text: Anabela Gaspar in ESA 10/2019
Fotos: Anabela Gaspar, ANA SOFIA VARELA, TERESA PAULINO