Für viele in der Algarve lebende Künstler ist die Region die Inspirationsquelle. Karen Wrides Muse ist Licht. Nicht dieses besondere Licht der Algarve, von dem so viele schwärmen, sondern schlicht und einfach Licht. Dennoch wirken ihre Ölgemälde wie Liebeserklärungen an ihre Wahlheimat
Text & Foto: Anabela Gaspar in ESA 08/2021
Korkeichenwälder bei Monchique, die Felsen und das Meer bei Alvor, Gassen in Silves oder Lagos, sich am Hang schmiegende, weiß getünchte Häuser in Ferragudo, Menschen am Strand, bunte traditionelle Fischerboote und moderne Yachten in der Marina – allesamt Landschaftsbilder, die den Betrachter genau dorthin versetzen, ihn träumen lassen und Fernweh wecken. Dabei gilt Karens besonderes Augenmerk nicht den Landschaften, sondern dem Licht. „Ich male das Licht und wie es mit allem anderen interagiert. Es geht stets um das Licht, seine Reflexionen und die Schatten, die es wirft“, fasst die Künstlerin aus Wales zusammen. Beim zweiten Blick erkennt der Betrachter, dass nicht die Korkeichen die „Hauptrolle“ im Gemälde spielen, sondern die Lichtstrahlen, die durch die Äste fallen. Am Strand sind es nicht die skurrilen Felsen, sondern wie sich das Licht im Wasser reflektiert. Es ist daher auch nicht verwunderlich, dass, obwohl Karen mehrere Bilder vom Strand von Alvor malte, alle unterschiedlich sind. Abhängend davon, ob sie am frühen Morgen, in der prallen Nachmittagssonne oder bei Sonnenuntergang gemalt hat, unterscheiden sich die Gemälde nicht nur durch unterschiedliche Farbtöne, sondern auch durch die Lichtreflexe und die Spiegelungen im Wasser. Da es Karen ums Licht geht, kann es auch vorkommen, dass sie die Fahrzeuge auf der Autobahn malt. „Ich war dort auf dem Weg ins Atelier und das Licht war so traumhaft schön, dass es mich sprachlos machte. Am nächsten Tag fuhr ich zur gleichen Uhrzeit dorthin zurück und schoss viele Fotos, die mir später als Vorlage dienten“, berichtet sie lächelnd. Autos zu malen sei sowieso immer wieder sehr interessant. „Wie sich das Licht auf den glänzenden Oberflächen der Karosserien reflektiert, ist absolut erstaunlich. Es zerbricht in Tausend Stücke. Diese Reflexionen richtig einzufangen ist kompliziert, aber genau deswegen sehr aufregend“, erklärt Karen.
Obwohl sich in ihrer Malerei alles um das Licht dreht, sind Karens Ölgemälde sehr detailliert und realitätsgetreu. „Manchmal sagt man mir, dass meine Bilder wie Fotografien aussehen. Das überrascht mich, denn das ist überhaupt nicht das, was ich anstrebe. Details sind mir wichtig, ja, aber es geht darum, wie das Licht auf dieses Detail fällt“, so Karen, die, um ihr Ziel zu erreichen, auf Ölfarben schwört, da diese sich durch eine besondere Farbbrillanz auszeichnen.
Karens Werke sind so vielfältig wie ihre Farbpalette. Neben Landschaften und Szenen aus dem Alltag malt sie auch Tiere und Porträts und achtet bei Letzteren vor allem auf die Körperhaltung, „da diese oftmals mehr über den Gemütszustand verrät als der Gesichtsausdruck“. Diese Vielfalt sei einerseits darauf zurückzuführen, dass sie stets neue Herausforderungen sucht, andererseits auf ihren Malunterricht. „Da ich Schüler mit verschiedenen Stilen und Techniken unterrichte, hat mir dies neue Welten eröffnet. Anstatt einen bestimmten Stil beizubehalten, hat es mich dazu gebracht, immer wieder meine Komfortzone zu verlassen und Neues zu probieren. Das Unterrichten hat somit auch eine bessere Künstlerin aus mir gemacht.“
Seit nunmehr zehn Jahren gibt Karen Malunterricht und ist fest davon überzeugt, dass in jedem Menschen ein Künstler steckt. „Ich habe noch nie jemanden getroffen, dem ich nicht das Malen beibringen konnte. Damit will ich nicht sagen, dass ich eine hervorragende Lehrerin bin. Das ist es ganz und gar nicht. Es ist die Tatsache, dass jeder Mensch es in sich hat“, erklärt Karen überzeugt. Selbst ihrem achtzigjährigen Vater habe sie das Malen beigebracht. Er sei, nur um ihrer Mutter den Gefallen zu tun, mit zum Malunterricht gegangen und hätte zu Beginn wirklich kein Interesse gezeigt. „Mittlerweile streiten sich die Enkelkinder bereits darum, wer die Gemälde von Opa erben wird“, erzählt sie gut gelaunt. Nichts würde ihr eine größere Freude bereiten als der Erfolg ihrer Schüler. „Ich habe ihre Entwicklung miterlebt und bin sehr stolz auf sie“, so Karen. Einige stellen mittlerweile selbst aus, darunter Els Gastelaars, die kürzlich ihre Werke im Convent´Bio (s. ESA 6/21) zeigte und deren Gemälde momentan auch an der Kunstwand des ESA-Büros zu sehen sind.
Karens neueste Liebeserklärungen an die Algarve sowie Figurenstudien können in ihrer vor Kurzem eröffneten Galerie First Class Art in Guia gesehen werden.
Karen Wride
Galerie First Class Art
Rua 1 de Maio Pedras de Escorregar, Bloco A, Loja D, Guia
Mo – Fr 10 – 14 Uhr (oder nach Absprache)
Mob. 917 081 893
a2zdesign@mac.com
karenwride.com
first-class-art.com