Textile Kunst aus der Natur
Pflanzen übten schon immer einen besonderen Reiz auf Manoli Ortiz aus. Ihre ersten Arbeiten in der Algarve waren Zeichnungen von Pflanzen des Hinterlandes. Nun bedruckt und färbt die Künstlerin Kleidungsstücke mit der lokalen Flora
Text: Anabela Gaspar in ESA 07/20, Fotos: Manoli Ortiz de la Torre
Manoli Ortiz hat ein Faible für Organisches. Ihre Leinwände sind Kleidungsstücke und andere Textilien aus Wolle, Seide und Leinen; ihre Farben, die der Pflanzenwelt aus ihrer Umgebung; die vier Elemente Erde, Wasser, Feuer und Luft sind Teil ihres künstlerischen Prozesses. Mit Blättern und Pflanzen aus der Natur rund um den Tafelberg Rocha da Pena im Hinterland von Loulé bedruckt und färbt sie die Stoffe. Jedes Stück ist ein einzigartiges Kunstwerk, denn das Ergebnis beim sogenannten Eco Print ist stets eine Überraschung. Zudem liegt es nicht in Manolis Wesen zweimal das gleiche Stück zu produzieren.
Beim Eco Print werden Blätter und Blumen auf Stoff gelegt. Dieser wird eingerollt und die Rolle anschließend gedämpft oder gekocht. Dabei werden die Farbstoffe, die in der Pflanze enthalten sind, auf den Stoff übertragen, ein Abdruck entsteht. Im Kontakt mit Sauerstoff entfalten sich die Farben und die Motive. Manoli verfolgt keinen getreuen Abdruck der Pflanzen. Vielmehr geht es ihr darum „mit den Pflanzen zu malen“ und diese dabei „sprechen zu lassen“. Daher nennt sie diese Arbeiten „Memórias das Plantas“ (Erinnerungen der Pflanzen). „In den Bildern, die entstehen, sind oft Tiere oder Gesichter zu erkennen. Mir gefällt die Idee, dass es sich um Wahrnehmungen der Pflanzen handelt, denn schließlich sind sie Lebewesen“, erklärt Manoli. „Es ist etwas Magisches, dass von so Vielem abhängt. Welche Pflanze ich nehme, zu welcher Jahreszeit ich sie pflücke, ob sie am Nord- oder am Südhang des Berges wachsen oder der ph-Wert des Wassers“, zählt sie auf. Auf keinen Fall benutzt Manoli Leitungswasser, denn dieses wird chemisch behandelt und würde den Prozess negativ beeinflussen. Sie sammelt Regenwasser und freut sich, in einem Gebiet zu leben, in dem es an kleinen Wasserläufen und Quellen nicht mangelt.
Gelernt hat Manoli das Eco printing mit der irischen Künstlerin Nicola Brown bei einem Workshop nahe Guarda in Zentralportugal. Das war während der Wirtschaftskrise im Jahr 2008 und zu einem Zeitpunkt, zu dem sie sich neu erfinden wollte. Damals war Manoli für ihre Filzstücke bekannt. Doch Filzhüte, -schals & Co. fanden in der meist sonnigen, warmen Algarve nicht viele Abnehmer. Erfolg hatte sie trotzdem, doch wegen der Krise hielten sich die Menschen mit den Käufen zurück. Genau wie den Eco Print hatte Manoli auch die Filzkunst bei einem Workshop gelernt, weiter recherchiert und vor allem experimentiert. „Filz hatte ich eigentlich immer mit Handarbeiten für Kinder in Verbindung gebracht“, gibt sie lächelnd zu, „bis ich, wenn ich mich nicht irre in der ESA, einen Bericht über eine Künstlerin las, die in der Algarve Filzkleidung herstellte und Workshops anbot. Dass man mit Fasern, etwas Wasser und Seife ein Kleidungsstück kreieren konnte, faszinierte mich. Und zweifellos, dass es ein natürliches, nachhaltiges Material ist“.
Nachhaltigkeit spielt für Manoli eine wichtige Rolle, aber auch die Nützlichkeit. Daher bevorzugt sie Kleidungsstücke und Taschen oder andere Textilien, wie beispielsweise Bettwäsche oder Vorhänge, die sie auf Bestellung anfertigt. Zudem ist sie sehr experimentierfreudig und entwickelt in Zusammenarbeit mit anderen regionalen Künstlern neue Produkte. Im Rahmen des TASA-Projektes, das Kunsthandwerker und Designer zusammenbringt, um moderne Stücke anhand traditioneller Algarve-Techniken zu kreieren, erfand sie einen Tropfenfänger aus Kork und Filz für Weinflaschen. Beim Loulé Design Lab, ein vom Rathaus von Loulé initiiertem Projekt zur Förderung von Kunsthandwerkern, Künstlern und Designern, ist Manoli dabei ein Pflanzen-Druckverfahren für Keramikstücke mit der Töpferin Bernadette Martins zu entwickeln, und noch in diesem Monat bringt sie zusammen mit Marta Lourenço von PURE beloved by Nature eine Kinderkollektion mit Eco Print auf den Markt. Zudem ist sie dabei, eine Winterkollektion aus im Eco Print bedruckter Schurwolle der regionalen Schafsrasse Campaniça zu kreieren.
Ihre Liebe zur Natur und Pflanzenwelt, erklärt sich zum Teil durch ihre Kindheit. Als Gastarbeiterkind wuchs sie in den 1970er Jahren in Belgien in einem Arbeiterquartier mit Blick auf die qualmenden Schornsteine der Kohlefabrik, in der ihr Vater arbeitete, auf. Den Sommer verbrachten sie im Heimatdorf der Eltern nahe Cordoba im spanischen Andalusien. „Es waren zwei Welten. Eine mit Rauch erfüllte schwarze Welt und eine voller Licht, Farben und Aromen“, so Manoli. „Die in der Sonne strahlenden, weiß getünchten Häuser, der Duft nach Jasmin, die Mandel- und Feigenbäume, der blaue Himmel…“, zählt sie träumerisch auf. „Ich sehnte mich stets danach“, denn obwohl in Belgien geboren, fühlte sie sich dort nie zu Hause und es stand früh für sie fest, dass sie im Süden leben würde.
Einen ersten Umzug wagte Manoli mit 19 Jahren, gleich nach Abschluss ihres Studiums an der LUCA School of Arts in Brüssel. Nicht nach Cordoba, sondern in das Hinterland der Algarve. „Wir zogen nach Penina, am Fuße des Rocha da Pena im Hinterland von Loulé, dem Heimatdorf meines Mannes“, berichtet sie. Doch damals, Ende der 80er Jahre, war das Leben in Portugal nicht mit dem in Brüssel zu vergleichen. „Vor allem nicht das in einem kleinen Dorf im Hinterland der Algarve“, erinnert sie sich lächelnd. Der erste Anlauf scheiterte nach nur drei Jahren; sie kehrten zurück nach Brüssel und Manoli war im Kulturzentrum des flämischen Kulturministeriums tätig, bis sie 2001 wieder nach Penina zogen. Manoli nahm sich fest vor, hier ihrer künstlerischen Ader freien Lauf zu lassen. Noch während sie das alte Haus der Großmutter renovierten, erschuf sie ihre ersten künstlerischen Arbeiten: Sie bemalte die alten Dachziegel des Hauses und Steine aus den umliegenden Wasserläufen mit Pflanzen und Tieren der Umgebung, mit Schornsteinen und anderen typischen Algarve-Motiven. „Die Idee war, das mir zur Verfügung stehende, zu nehmen und zu verwandeln“, fasst sie zusammen. Das macht sie bis heute – mit Erfolg.
Manoli Ortiz de la Torre
www.ortizdelatorre.com
Bezugsquelle:
Loulé: Colectivo 28
Silves: ColaborArte
Oder bei Manoli im Atelier in Penina (zwischen Alte und Salir). Bei Interesse zeigt sie gerne das Atelier und das Dorf und erklärt dabei mehr zum Eco Print-Prozess und den Pflanzen. Nur nach Absprache Mob. 960 382 196.