A vida dá muitas voltas, so die portugiesische Redewendung und auch Bernadette Martins zu Beginn unseres Treffens. Es dreht sich wie eine Töpferscheibe und genau wie bei uralten Brenntechniken, kann man das Endergebnis nicht immer bestimmen. Dafür wird man oft positiv überrascht. So erging es Bernadette im Leben und mit ihrer Keramikkunst
Geboren wurde Bernadette Martins in Frankreich. Als sie etwa zehn Jahre alt war zog die Familie in die Algarve. Der Zufall wollte es, dass in dem Jahr, in dem sie die 10. Klasse besuchte, erstmals an der Schule von Loulé der Lehrzweig Kunst angeboten wurde, dem die damals leidenschaftliche Schneiderin sofort folgte. Nach dem Schulabschluss machte sie eine Ausbildung zur Mode-Designerin am Lissabonner Institut für Kunst und Design IADE. Ihr Ziel war es, beruflich in die Mode-Illustration zu gehen. „Doch in den 1990er Jahren gab es in Portugal in diesem Bereich wenige Chancen“, so Bernadette. „Nicht einmal eine Praktikumsstelle konnte ich finden“. Sie kehrte in die Algarve zurück und arbeitete eine Zeit lang in Restaurants. „Natürlich war mein kreativer Geist durchaus unzufrieden mit der Situation, also meldete ich mich in Caldas da Rainha für einen Kurs am renommierten Keramik-Ausbildungszentrum CENCAL an“, erzählt sie weiter. Doch das Blatt wendete sich erneut, denn ihr bot sich die Möglichkeit in der Fernsehindustrie als Garderobiere zu arbeiten. Zirka sieben Jahre später wusste sie, dass es Zeit war, eine neue Herausforderung zu finden. Zurück in der Algarve erkundigte sich Bernadette nach Keramikausbildungen. Das Arbeits- und Bildungsinstitut IEFP hatte soeben eine durchgeführt, eine weitere zur Herstellung und Malerei von Fliesen sollte in Kürze beginnen. Die Ausbildung dauerte ein Jahr und gab ihr auch Einblicke in die Keramikkunst. Während der Zeit wurde Bernadette schwanger. „Ab dem Moment stand für mich fest, dass ich in der Algarve bleiben würde“, erzählt sie. „Also eröffnete ich mein Atelier und widmete mich der Herstellung von Fliesen“. Bis heute fertigt sie azulejos an, manche im traditionellen blau-weißen Stil, andere modern und bunt, mit und ohne Reliefs. Ihre Leidenschaft gilt jedoch der Keramik. „Mit den azulejos verdiene ich mein Brot, mit der Keramik ernähre ich meine Seele“, so Bernadette lächelnd.
Die Künstlerin ist sehr experimentierfreudig und stets auf der Suche nach neuen Herausforderungen, Techniken und Brennmethoden. Für ihre Ethnic-Stücke mischte sie schwarzen, weißen und roten Ton, der bei der Erschaffung anderer Tonwaren übrig geblieben war. Daraus resultierte ein dunkelbrauner Ton, auf dessen Innenseite sie eine transparente, glänzende Glasur auftrug, während die Außenseite mit der sogenannten Terra Sigillata überzogen wurde. Dabei handelt es sich um einen sehr feinen Tonschlammüberzug, mit dem man Reliefverzierungen erreicht.
Bei der Naked Raku-Reihe wandte sie ein uraltes Brennverfahren aus Japan an, das mit der zenbuddhistischen Teezeremonie im 16. Jh. aufkam. Dieses Töpfern betont das Spontane und das „kontrolliert Zufällige“. Meist wird das Gefäß zwei Brennvorgängen unterzogen, dem Schrühbrand und dem Glasur-brand. Das Besondere am Glasurbrand beim Raku-Töpfern ist, dass die Ware rotglühend aus dem Ofen geholt wird und in einem Behälter mit organischem Brennstoff wie Laub, Stroh, Heu oder Sägespäne zum Nachbrand luftdicht eingebettet wird. Der entstehende Rauch (Kohlenstoff), der Sauerstoffentzug sowie die im Brennstoff enthaltenen Mineralien wirken stark auf die Tonscherben und die Glasurfarbe ein. Durch die stark reduzierende Atmosphäre wird der noch weichen Glasur Sauerstoff entzogen. Die chemische Zusammensetzung verändert sich und dadurch die Glasurfarbe. Schwarze Kohlenstoffe dringen durch feine Risse und lagern sich im Ton ein. Beim Raku lässt sich der Brennverlauf also nur bedingt steuern. „Das Endresultat ist daher stets eine Überraschung und jedes Stück ein unnachahmliches Unikat“, erklärt Bernadette, die von dieser Technik vollkommen begeistert ist. Nicht zuletzt weil der Brennvorgang sehr schnell und daher ideal für eine, wie sie, eher ungeduldige Person ist.
Eine ähnliche Methode, die ebenfalls zu nachträglichen Feuerspuren führt, ist der Feldbrand, auch Soenga genannt, der noch heute in vielen afrikanischen Ländern verwendet wird und den Bernadette bei ihrer Earth & Fire-Reihe anwandte. Hierbei wird die Keramik über- und nebeneinander in eine Mulde gestapelt und ein Feuer darüber entzündet. Am Ende des Brandes wird organisches Material auf die glühende Kohle geschüttet und alles möglichst luftdicht abgedichtet. Nun beginnt – wie bei der Raku-Technik – der reduzierende, chemische Vorgang. „Auch mit dieser Technik kann der Brennprozess nicht gesteuert werden, sodass, wenn man die Erde entfernt und die Tonscherben herausnimmt, Goldgräberstimmung herrscht“, so Bernadette enthusiastisch. „Man ist gespannt zu sehen, was dabei herausgekommen ist. Welche Färbungen erzeugt wurden oder ob Risse entstanden sind.“
Während die drei genannten Reihen eher rustikal sind, spiegelt Corals Bernadettes weibliche, zarte und elegante Seite. Wie der Name verrät, inspirierte sich die Künstlerin für die aus Terra Sigilatta modellierten Verzierungen durch die Koralle. Die Farben spiegeln das maritime Thema und die Weiblichkeit der Keramikstücke mit matten, seidigen Details. Lange war Bernadette mit dieser Sammlung beschäftigt und experimentierte viel, bis sie das von ihr gewünschte Endergebnis erreichte. Mittlerweile arbeitet sie an einem neuen Thema. Auf der Arbeitsbank steht ein Glas mit einem Avocadokern, der bereits gekeimt hat und zu einer kleinen Pflanze heranwächst. Daneben ein noch nicht gebranntes Stück aus Steinzeug, das den Kern darstellt. In seiner Mitte wird ein Trieb aus Porzellan zum Vorschein kommen. Sie experimentiert noch, verrät aber, dass sie mit dieser neuen Reihe die „Entstehung des Lebens” darstellen will.
Obwohl die unterschiedlichen Brennverfahren Bernadette begeistern, ist es das Modellieren mit Ton, dass ihr Herz schneller schlagen lässt. „Modellieren ist der kreative Teil der Arbeit bei dem ich meiner Fantasie freie Lauf lassen kann“, fasst sie zusammen.
Seit Kurzem kann man Bernadette Martins in der Oficina da Olaria in Loulé antreffen, die vom städtischen Rathaus zum Beleben alter Handwerke ins Leben gerufen wurde. Während der Töpfermeister Xavier für die traditionelle Tonstücke zuständig ist, repräsentiert Bernadette die zeitgenössische Tonkunst. Die Räumlichkeiten dienen den Künstlern als Arbeitsraum sowie für Workshops und Schnupperkurse, die im Rahmen des Projektes Loulé Criativo stattfinden.
Bernadette Martins
bernadettemartins.com
Mob.: 91 418 48 01
bernadetteceramics@gmail.com
Oficina da Olaria
Rua Martim Moniz 45, Loulé
Loulé Criativo
loulecriativo@cm-loule.pt
loulecriativo.pt
Text: Anabela Gaspar in ESA 09/2019
Fotos: Anabela Gaspar, Bernadette Martins