25 Jahre ist es her, dass Francisco Alberto, alias Patico, seine Bilder das erste Mal in einer Ausstellung zeigte. Seitdem hat sich im Leben des Künstlers einiges ereignet und seine Kreativität wurde durch ein außergewöhnliches Malmaterial bereichert. Durch die Verwendung von Ton verwandeln sich seine Gemälde in Flachrelief-Skulpturen
Im Oktober 2014 stellte die ESA Patico erstmals vor. Damals wie heute sind die Sehnsucht nach seinem Heimatdorf Monforte, nach der Weite und den Traditionen des Alentejos seine Muse. Sowohl in seinen Gemälden als auch in seinen Zeichnungen und Gedichten sind Themen und Motive wie die Landschaften des Alentejo, das lusitanische Pferd, der Stier, der Hahn und Jesus Christus immer wiederkehrend. Das lusitanische Pferd und der Stier stehen für Eleganz beziehungsweise Stärke, der Hahn stellt einen Neuanfang dar, denn „er kündigt den neuen Tag und somit einen frischen Start an“, erklärt der Künstler. Jesus Christus hat keine religiöse Konnotation, sondern steht für Ausdauer und Wiedergeburt, im Sinne von sich neu erfinden. „Eigenschaften, die man als Künstler mitbringen muss und die im letzten Jahr überlebenswichtig waren, denn freischaffende Künstler erhielten keinerlei Hilfsfonds“, so Patico. Weitere stets präsente Themen sind der Fado mit seiner weltweit bekannten Sängerin Amália sowie Portugals Nationaldichter Fernando Pessoa. Paticos Gemälde sind mal realistisch, mal abstrakt. Gemeinsam haben sie die warmen Farbtöne, die für den Alentejo charakteristisch sind, die Struktur und dass sie aus mehreren Elementen bestehen, denn so unterschiedlich wie seine Werke, sind auch die benutzten Materialien und Techniken. Öl-, Pastell- und Acrylfarben, Graffiti-Sprühfarben oder Kohlestifte kommen zum Einsatz. Er recycelt Materialien und Objekte wie Äste, Knöpfe, Pinsel, Stoffreste oder Federn und macht Kollagen mit diesen, seinen Gedichten und Zeichnungen. Oft reißt er Farbe, Ton oder andere Elemente wieder von der Leinwand, um die untere Schicht freizulegen. „Dekonstruieren, um wieder aufzubauen – wie in unserem Leben, in dem wir manchmal zwei Schritte zurückgehen müssen, um dann einen nach vorne machen zu können“, erklärt der Künstler. Kurz: Er malt von jeglichen Konventionen befreit, denn für ihn bedeuten seine Werke Freiheit. Daher weigert er sich auch einem bestimmten Stil zu folgen und sich einen Stempel aufdrücken zu lassen.
Als wir vor sieben Jahren mit Patico sprachen, stand er kurz davor die Leitung der Kunstschule in Lagoa zu übernehmen. Die Zeit dort hat ihn stark geprägt – als Person und als Künstler. Mehr denn je ist er davon überzeugt, dass Kunst allen Menschen frei zugänglich sein muss und dass das kreative Schaffen Wunder bewirken kann. „Für mich sind meine Gedichte, Zeichnungen und Gemälde ein Zufluchtsort vor den Schwierigkeiten und Wechselfällen des Lebens“, so Patico, „und in der Kunstschule beobachtete ich, welch Wunder das Malen in Menschen, vor allem mit geistigen Behinderungen, bewirken kann.“ Den Austausch von Ideen und Wissen mit Gleichgesinnten und anderen, den er in der Kunstschule erlebte, will er in seinem Atelier fortsetzen und freut sich, Besucher in seine Kunst einzuweihen.
Seine Tätigkeit in der Kunstschule brachte Patico auch auf die Idee, mit Ton zu malen. „Ich modellierte dort ein wenig damit, aber der Töpfermeister Fernando sagte mir nach kurzer Zeit, dass ich dafür überhaupt kein Talent besäße. Er hatte vollkommen Recht. Ich war aber stark von dem Material fasziniert und für mich stand fest, dass ich es in meine Arbeit integrieren musste“, erinnert er sich. „Ich war mir sicher, dass ich den Ton auf der Leinwand zu neuem Leben erwecken würde. Heute kann ich mir das Malen ohne Ton nicht mehr vorstellen“, fügt Patico überzeugt hinzu.
Er verflüssigt den Ton und trägt ihn wie Farbe mit einem Pinsel auf, vermischt ihn mit Pigmenten oder bringt ihn in groben Stücken auf der Leinwand an. Genau wie beim Töpfern sei nach dem Brennen, sprich nach dem Trocknen, das Ergebnis oft eine Überraschung. Der Prozess dauert einige Tage und ermöglicht es dem Künstler die Entwicklung des Gemäldes zu verfolgen und bei Bedarf Anpassungen vorzunehmen. „Die Risse, die dabei entstehen, vermitteln eine Botschaft der Zerstörung aber gleichzeitig eine der Harmonie“, so Patico, der in seinem Atelier weiter experimentieren will.
Das Atelier in der Rua dos Carros 27, eine schmale Gasse im Stadtzentrum von Lagoa, beschreibt er als „Ort seines Traumes“. „Seit nunmehr 25 Jahren verfolge ich den Traum des Künstlers und will ihn weiterhin verfolgen, denn wenn ich ihn als erfüllt betrachte, kommt es zu einer Stagnation meiner Malerei. Ich aber will mich weiterentwickeln und stets Neues probieren“, erklärt Patico.
Zu Beginn der Pandemie wurde eines seiner Porträts von Amália Rodrigues – unter tausenden internationalen Einreichungen – ausgewählt, um im Rahmen der Ausstellung zum 100. Geburtstag der Fado-Diva ausgestellt zu werden. Für Patico war es eine Anerkennung seiner Arbeit, eine große Ehre und ein Höhepunkt in seiner bisherigen Laufbahn als Künstler. Doch bislang öffneten sich dadurch keine weiteren Türen für ihn. „Die Pandemie erschwerte allen das Leben und freischaffende Künstler waren keine Ausnahmen. Workshops und Malunterrichte sowie Ausstellungen fielen aus. Ich bin senhor Alexandre, dem das Atelier gehört, sehr dankbar für seine Großzügigkeit und Verständnis und hoffe, dass sich die Situation bald verbessert. Ansonsten befürchte ich, das Atelier aufgeben zu müssen“, vollendet Patico.
Bis Ende dieses Jahres sind einige seiner jüngsten Gemälde im ESA-Büro ausgestellt. Zwei seiner Porträts von Fernando Pessoa sind in der Ausstellung „Pessoa e o Amor“ in der Galeria Artesis in Tavira zu sehen, die bis Ende November läuft. Die Ausstellung ist Teil der Festa de Anos de Álvaro de Campos, die die Stadt am Gilão-Fluss zu Ehren des wohl bekanntesten Heteronyms von Pessoa organisiert.
Für 2022 sind eine Einzelausstellung in der städtischen Galerie in Albufeira und eine Kollektivausstellung in der Casa Museu Manuel Teixeira Gomes in Portimão geplant.
Text und Fotos: Anabela Gaspar in ESA 11/2021