Nordische Kreativität reflektiert die Algarve
Seit fast 30 Jahren hält Lis Petersen auf ihren Gemälden Alltagsszenen aus der Region fest. Ihr Stil ist modern, ihre Technik Jahrhunderte alt. Ihre Werke sind auf Anhieb als ihre ureigensten zu erkennen
Schon als Teenager wusste die Norwegerin, dass sie Künstlerin werden wollte. Ihr Vater, ein begeisterter Hobbymaler, hatte sie im Kindesalter in die Kunst der Ölmalerei eingeweiht und Lis -hatte mit großem Interesse in seinen Kunstbüchern geblättert. Er starb, als sie elf Jahre alt war. Doch das Interesse für Kunst war bereits in ihr geweckt. Mit nur dreizehn Jahren besuchte sie gerne und oft das Munch-Museum in ihrer Heimatstadt Oslo. Die Gemälde, Zeichnungen und Skizzen von Edvard Munch haben sie damals stark beeindruckt. Auch heute gehört der norwegische Maler zu ihren Lieblingskünstlern. Weitere sind die Spanier Picasso und Tàpies. Unter den portugiesischen zeitgenössischen Malern hebt sie Graça Morais, Paula Rêgo, Júlio Pomar und Vítor Pomar hervor. Dennoch entschied sich Lis nicht sofort für die Malerei, als sie ihr Kunststudium in Bergen begann. Zu Beginn arbeitete sie viel mit Textilien, hat sich in Bildhauerei, Keramik und Gravur versucht. Sie merkte jedoch, dass ihr die Malerei mehr zusagte. Dazu trug eventuell auch ihr Lehrer für Kunstgeschichte bei: Morten Krohg, der Sohn des renommierten norwegischen Malers Per Krohg, war ebenfalls ein talentierter Maler und ein Lehrer, der das Interesse seiner Schüler zu wecken wusste. „Er zeigte uns Aufnahmen von Werken der großen Künstler, und als ich nach dem Studium eine Reise durch Europa machte, verschiedene Museen besuchte und diese Werke direkt vor mir sah, war es ein unbeschreibliches Gefühl“, erinnert sich Lis.
Nach dem Studium mietete sie zusammen mit anderen Künstlern für ein Jahr ein großräumiges Gebäude in Oslo, das einst eine Kirche war. Dort ließen sie ihrer Fantasie freien Lauf, tauschten Ideen aus, stellten ihre Werke zur Schau und organisierten Konzerte und Theatervorstellungen. In dieser Künstlergemeinde hat sich Lis dann endgültig der Malerei gewidmet. Die damals benutzten Materialien unterschieden sich jedoch stark von dem, was sie heute benutzt. Damals malte sie auf Plastik und PVC und benutzte daher Farben, die auf diesem Material hafteten. Heute benutzt Lis für die Skizzen Wasserfarben und für die endgültigen Werke auf der Leinwand eine Methode, die sich seit Jahrhunderten bewährt hat: natürliche Farbpigmente auf einer Ei- und Leinsamen-Tempera. Zuletzt imprägniert sie die Leinwand mit Bienenwachs.
Nach dem Jahr in der Künstlergemeinde beschloss Lis, Portugal zu besuchen. Sie verliebte sich auf Anhieb in Tavira und hat die Stadt am Gilão-Fluss nie wieder verlassen.
Zu Beginn war sie vollkommen vom portugiesischen Steinpflaster begeistert sowie von den Verzierungen an den Türen und Fenstern und gab diese Muster auf abstrakten Gemälden wieder. Später lebte sie eine Zeit im Hinterland und malte die Landschaften, dann die Ria Formosa, die Männer bei der Salzernte in den Salinen, die Muschelsammler, die Flamingos. Auch die Westküste inspiriert sie – wenn auch nicht gleich deutlich. Die Idee für ihre neuesten Werke, menschliche Gestalten, meistens Mädchen, die am Strand spielen und deren Reflex sich im Wasser spiegelt, kam ihr am Cordoama-Strand. „Ich war mit meinen Söhnen zum Surfen unterwegs, und während ich die Menschen am Strand beobachtete, ist mir ihre Spiegelung im Wasser aufgefallen“, erklärt Lis. Lebendigkeit ist das gemeinsame Kennzeichen ihrer Werke: Ihre Figuren vermitteln Rhythmus und Bewegung und die Details, die Lis mit scheinbar simplen Pinselstrichen erzeugt, sind beeindruckend. Die Kleider der Figuren scheinen tatsächlich im Winde zu wehen, die Röcke der Ballerinen flauschig zu sein.
Lis Petersen ist in der Galerie Côrte-Real nahe Paderne vertreten und hatte viele Ausstellungen in Lissabon, Porto und Deutschland. In ihrem Atelier in der Altstadt von Tavira können neben einigen ihrer neusten Werke viele Skizzen gesehen und erworben werden. Lis stellt ebenfalls Drucke ihrer Werke in -verschiedenen Größen zur Verfügung.
https://kunstlis.wordpress.com/
Text: Anabela Gaspar
ESA 11/16