Traditionelles Material, modernes Design
Seit Jahrhunderten wird im Hinterland der Algarve Kork geerntet. Früher diente das Material fast ausschließlich der Herstellung von Flaschenkorken, heute kann praktisch alles daraus angefertigt werden. Ein Beweis dafür sind die modernen Möbel und Dekorationsobjekte der Designerin Sandra Louro
Wenn sich im Sommer die Urlauber an den Stränden der Algarve-Küste tummeln und im Atlantik erfrischen, sind in der Serra do Caldeirão unter der prallen Sonne und bei Temperaturen von 40 Grad die Männer unterwegs, die noch nach uralten Methoden die Rinde der Korkeichen ernten. Mit einer Axt spalten sie den Kork in mehreren Schlägen rund um den Stamm auf, danach von oben nach unten. Dabei achten sie genau darauf, die unterste Zellschicht der Rinde nicht zu verletzten, damit alles wieder nachwächst und man möglichst lange und mit guten Erträgen ernten kann, denn eine Wunde im Holz bleibt in der nachwachsenden Korkrinde ein Leben lang sichtbar. Anschließend drehen sie die Axt um, schieben das Ende des Holzstiels in den Schlitz und unter den Kork und zuletzt lösen sie die Rinde vom Stamm.
Die erste Schälung erfolgt, wenn die Korkeiche zwischen 25 und 30 Jahre alt ist. Die dabei gewonnene raue Korkrinde, die sogenannte cortiça virgem (jungfräulicher Kork) ist sehr porös und kann nicht zur Herstellung von Flaschenkorken benutzt werden. Sie eignet sich jedoch zur Herstellung von Fußboden-
belägen und zur Wärmedämmung. Neun bis zwölf Jahre später wird der sogenannte Sekundärkork (cortiça secundeira) geschält. Auch dieser ist noch zu porös für Korken, findet aber jede Menge andere Anwendungen, etwa als Schwimmer an Angeln und Netzen oder als Dichtungsmaterial für Maschinen und Geräte. Weitere neun Jahre später kann dann die hochwertige cortiça amadia gewonnen werden.
In den ersten Lebensjahren einer Korkeiche, wenn sie noch keinen hochwertigen Kork hergibt, wird sie Sobreiro (männlich) genannt. Nach der ersten Ernte der cortiça amadia wird sie dann Sobreira (weiblich) genannt. Der noble Baum, der eine wichtige Rolle in Portugals Wirtschaft spielt und zudem die Effekte des CO2-Austoßes minimiert, steht bereits seit dem
15. Jahrhundert unter Artenschutz. Damals wurden viele Bäume in Portugal gefällt, um die Karavellen für die Entdeckungsreisen zu bauen. Da die Korkeiche langsam wächst und erst fast fünfzig Jahre
nach ihrem Anbau einen Kork mit guter Qualität
ergibt, wurde das Fällen dieser Bäume verboten. Ende Dezember 2011 erklärte Portugals Parlament die Korkeiche zudem zu Portugals Nationalem Baum.
Der Korkeichenbestand der Algarve macht lediglich 5 % des nationalen Bestandes aus – das Hauptanbaugebiet in Portugal ist mit 84 % der Alentejo. Doch das Gebiet um São Brás de Alportel rühmt sich, Herkunftsgebiet des „besten Korks der Welt“ zu sein. Von den einst siebzig Korkfabriken sind nur noch sechs in Betrieb, denn ab den 1930er Jahren wanderte die Korkindustrie in das Gebiet um Lissabon ab. Die Algarve war damals eine arme Provinz, Straßen fast nicht vorhanden, sodass der Transport der Korkrinde nach Lissabon, wo die Verarbeitungsindustrie war, sehr aufwändig und teuer war. Dennoch spielt Kork weiterhin eine wichtige Rolle in der Wirtschaft der Serra do Caldeirão und in den letzten Jahren wurde die Kork verarbeitende Industrie auch immer kreativer. Neben Taschen, Uhren, Regenschirmen, Kleidungsstücken, Gürteln und Schuhen, hergestellt aus Kork-Haut (pele de cortiça) werden selbst Golftaschen und Schutzhüllen für Laptops, Handys & Co. angeboten.
Sandra Louro, die 2012 das Unternehmen Likecork ins Leben rief, lässt sich hingegen von den Traditionen der Algarve inspirieren. Ihre Designer-Produkte aus Kork und Holz oder Keramik haben eine alma algarvia, eine algarvische Seele, erklärt sie lächelnd, und sind umweltfreundlich und nachhaltig. Das Material ist zudem wasserdicht und feuerbeständig.
Die Produktpalette von Likecork ist in Funktionskategorien aufgeteilt: Sitzmöbel, Beleuchtung und Dekorationselemente. Darunter fallen Objekte wie Stühle und Hocker, diverse Lampen, Garderobenhaken, Spiegel, Körbe und Vasen sowie Tische und Anrichten. Praktisch jedes Objekt hat eine Geschichte. „Der Schaukelstuhl zum Beispiel entstand während einer sehr schönen Phase meines Lebens“, erzählt Sandra. „Ich war schwanger und wollte einen Schaukelstuhl für das Kinderzimmer, in dem ich mein Baby bequem stillen könnte.“ Der Kinderstuhl folgte einige Jahre später, als „das Baby zu einem kleinen Mädchen heranwuchs und wie alle anderen Familienmitglieder ihren eigenen Platz im Wohnzimmer haben wollte.“ Zu den beliebtesten Produkten gehören die Laternen, für deren Design sich Sandra durch die traditionellen Schornsteine der Algarve inspiriert fühlte und die diverse Hotels in der Region schmücken. Der „Banco Taberna“ ist, wie der Name bereits verrät, eine Hommage an die Hocker der alten Tavernen, doch wegen der Sitzfläche aus Kork erheblich komfortabler als diese, und der Tisch mit Kork-Deckel erinnert an die antiken Truhen von Sandras Großmutter.
Die Produkte aus Kork und Keramik werden in
Zusammenarbeit mit dem Töpfer Francisco Eugénio von der Olaria Algarvia in Bias do Sul nahe Olhão hergestellt, der schon im jungen Alter seinem Vater, dem Meister João de Deus Eugénio von der Olaria Moncarapachense, beim Töpfern zusah und ihm half, den Ton vorzubereiten. Seine fast 50-jährige Erfahrung an der Töpferscheibe teilt er gerne mit anderen und hat in diesem Zusammenhang auch schon im Projecto TASA mitgewirkt, bei dem es ebenfalls um das Vereinen von traditionellen Materialien und modernem Design geht. Für die Holzmöbel ist Ezequiel Afonso von der Schreinerei Movibordeira nahe Faro zuständig. Auch hier wird nichts am Fließband, sondern alles per Hand gefertigt.
Neben den Dekorationsobjekten fertigt Sandra unter der Marke Lifecork auch Kork-Schmuck an und kann auf Anfrage spezifische, den Wünschen des Kunden angepasste Produkte herstellen. Verkaufs räume hat Sandra nicht. Ihre Produkte können via Facebook und über die Webseite bestellt sowie in Geschäfte in der Algarve erworben werden, die sich auf traditionelle Made in Algarve-Produkte spezialisiert haben.
Text: Anabela Gaspar
ESA 07/2016
Likecork
Sandra Louro
www.likecork.com
fb: Likecork
Mob.: 919 086 852
likecork@likecork.com