Bekannt wurde Carla Pontes vor allem durch die Opernabende des Kulturvereins Ideias do Levante. Doch die Sängerin mit der hohen Stimmlage bietet mehr als nur klassische Musik
Text: Anabela Gaspar in ESA 04/2017
Seit nunmehr fünf Jahren interpretiert Carla Pontes bei den Noites de Ópera im Auditorium von Lagoa Werke von Pergolesi, Händel, Thomas, Donizetti, Délibes und Offenbach. Dabei zieht sie nicht nur wegen ihrer unvergleichlichen Stimme die Aufmerksamkeit des Publikums auf sich, sondern auch durch ihre Ausdruckskraft und Mimik. Ihr angeborenes Talent blieb jedoch lange verborgen.„Mein Werdegang ist nicht mit dem anderer klassischer Sängerinnen vergleichbar“, so Carla, die einige Jahre als Kunstlehrerin tätig war und erst als 30-Jährige Gesang studierte.
Im Lissabonner Stadtviertel Alfama geboren und aufgewachsen, erinnert sich Carla daran, dass sie vom Fenster aus für Passanten sang und sogar kleine Konzerte in der Nachbarschaft und in der Schule gab. „Oft fing der Unterricht erst an, nachdem ich ein Lied gesungen hatte“, erzählt sie. Als Teenager gründete sie eine Heavy Metal-Band, interessierte sich aber gleichzeitig für Fado, von dessen Klängen umgeben sie in der Alfama aufgewachsen ist. Doch irgendwann zwischen den Heavy Metal-Zeiten und dem Studium entwickelte sich das extrovertierte Mädchen zu einer zurückhaltenden jungen Frau, die sich scheute, vor anderen zu singen. „Musik blieb jedoch eines der wichtigsten Dinge meines Lebens und ich summte und sang weiterhin stets vor mich hin“, so Carla.
Als Kunstlehrerin in der Algarve tätig, beschloss sie der Musik eine zweite Chance zu geben. 2004 bekam sie erstmals Gesangsunterricht in der Musikakademie von Lagos. Drei Jahre später nahm sie den Unterricht mit derselben Lehrerin, der deutschen Sopranistin Birgit Wegemann, in der Musikakademie von Portimão wieder auf. An klassischer lyrischer Musik war Carla eigentlich nicht interessiert, doch ihre hohe Stimmlage war perfekt dafür geeignet. „Zu Beginn hatte ich Angst, dass die Einstufung in ein Stimmfach eine Begrenzung meiner Möglichkeiten darstellen würde“, erklärt die 44-Jährige. „Doch es geschah genau das Gegenteil. Eine neue Welt eröffnete sich mir.“
Ihre ersten musikalischen Auftritte hatte sie mit dem Chor Grupo Coral Adágio. Zusammen mit Ana Messias trat sie unter dem Namen Gold’n’Blue auch in Hotels der Algarve auf und sang vor allem Pop und Rock. „Die Erfahrung war sehr positiv und ermöglichte es mir, die kleine, extrovertierte Carla wieder zu finden, die keine Angst vor dem Urteil anderer hatte“, erzählt Carla. Härter als das Urteil Dritter sei jedoch das eigene Urteil und Carla war lange davon überzeugt, nicht gut genug zu sein. Hinzu komme, dass „man dem Publikum seine Seele und Gefühle offenbart, wenn man singt. Mit einem Instrument kann man Nervosität und zitternde Hände überspielen, ohne dass das Publikum etwas bemerkt. Wenn die Stimme das Instrument ist, kann man Nervosität nicht verbergen.“ Bis Carla sich auf der Bühne wohlfühlte, war es ein langer Prozess. Sie besuchte Meisterklassen und verschiedene Kurse, um nicht nur ihre Stimme, sondern auch ihre Emotionen und ihre Körpersprache zu kontrollieren.
Die Qualitäten, die Carla lange selbst nicht erkannte, fielen anderen Musikern hingegen sofort auf. Einer davon war der brasilianische Pianist Jefferson Mello, der Carla aufforderte, mit ihm aufzutreten. Zu ihnen gesellte sich für einige Konzerte der Bariton Francisco Brazão und kurz darauf veranstalteten sie in Kooperation mit dem Kulturverein Ideias do Levante den ersten Opernabend. „Eine kleine Produktion, bei der die Kostüme geliehen sind und es nicht einmal einen Regisseur gibt”, so Carla bescheiden. „Aber wir machen alles mit großem Engagement und aus Liebe zur Musik.“ Ein begeistertes und treues Publikum beweist, dass die Noites de Ópera einzigartig und aus dem Veranstaltungskalender der Algarve nicht mehr wegzudenken sind.
Neben den Opernabenden singt Carla in anderen Projekten mit regionalen und nationalen Musi-kern. Das Dell´Aqua Trio, zu dem außer Carla die Flötistin Grace Borgan und die Pianistin Cristiana Silva gehören, bietet unter dem Thema Natureza Cantada Lieder, mit denen die Musikerinnen die Natur feiern wollen. „Melodien und Lieder über Vögel, den Mond, Blumen, die Liebe und das Leben“, fasst Carla zusammen.
Im Ensemble Class’ic vereint Carla ihre himmlische Stimme mit den Klängen der Streichinstrumente von Uta Kerner (Violine) und Sunita Mamtani (Violoncello) sowie dem Piano von Cristiana Silva. Zusammen laden sie das Publikum zu einer Zeitreise durch klassische Musik ein.
Beim Projekt Inspirit handelt es sich um feinste Meditationsmusik, die schamanische Klänge mit traditionellen und zeitgenössischen Instrumenten vereint. Pedro Colares spielt das Hang, ein im Jahr 2000 in Bern erfundenes Instrument, das aus zwei Halbkugelsegmenten aus gasnitriertem Stahlblech besteht, sowie Didgeridoo und Perkussion. Cristiana Silva spielt Harfe und Keyboards und Carla formt dabei mit ihrer Stimme intuitive, die Musik untermalende Laute.
Carla bietet ebenfalls Konzerte in kleiner Runde an. Zu ihrem Repertoire gehören Arien von Bellini, Mozart, Verdi, Vivaldi, Puccini und Bernstein. „Ich fühle mich nicht an einen bestimmten Musikstil gebunden“, so Carla, „Ich singe einfach das, was mir in dem Moment Spaß macht.“
Beschreibt sie sich als klassische Sängerin mit Talent für andere Musikstile oder als multitalentierte Sängerin, die einen besonderen Hang zur klassischen Musik hat? Die Frage kann sie nicht beantworten. Carla weiß nur, dass sie sich das Leben ohne Singen nicht vorstellen kann. „Ich habe meinen Beruf aufgegeben“, erklärt Carla. „Es war keine einfache Entscheidung. Einerseits, weil ich nicht mehr die Jüngste bin, andererseits, weil man als Musiker kein festes Einkommen hat.“ Denn während die Rathäuser vor der Wirtschaftskrise die Musiker für Konzerte engagierten, stellen sie nun nur die Räumlichkeiten zur Verfügung und die Musiker bekommen die Einnahmen. „Es hängt also immer von der Besucherzahl ab“, erklärt Carla. In der Vergangenheit habe sie in Betracht gezogen aufzugeben, da es sich finanziell selten lohne. „Aber ich kann es einfach nicht! Ich muss singen. Meine Freunde sagen, ich würde selbst beim Niesen oder Gähnen singen“, erzählt sie fröhlich.
Bereut sie es, nicht schon als Jugendliche Gesang studiert und eine Musikkarriere verfolgt zu haben? „Die Phase ist längst vorüber. Mittlerweile denke ich, dass alles im Leben aus einem Grund geschieht und dass es so sogar besonderer war“, unterstreicht Carla. „Zu einem bestimmten Zeitpunkt wurde ich mir darüber bewusst, dass ich singen musste, um glücklich zu sein und habe meinen Traum verfolgt. Finanziell ist es nicht sehr rentabel, aber ich fühle mich verwirklicht.“
Webseite: carlapontes.info/