Nachdem sie Jahrzehnte unterrichtete, widmet sich Rosa Trindade nun exklusiv der Malerei. Die Kunstszene freut sich
In Monte Ruivo geboren, einer kleinen Ortschaft nahe Alte im Hinterland von Loulé, schloss Rosa Trindade die Grundschule in Faro ab, wo die gesamte Familie hingezogen war, damit die ältere Tochter weiter studieren konnte. Eine eher ungewöhnliche Situation in der Algarve der 1960er Jahre, vor allem für eine Familie aus dem Hinterland und um einem Mädchen die Fortführung ihrer Ausbildung zu ermöglichen, denn die meisten besuchten die Schule nur bis zur vierten Klasse und halfen danach in der Landwirtschaft. Rosa ist davon überzeugt, dass die Entscheidung ihrer Eltern damit verbunden war, dass ihre eigene Mutter nicht weiter studiert hatte, um ihre kranke Mutter zu pflegen. „Sie hat das immer bereut und ich glaube, dass sie sich deshalb für uns aufgeopfert hat“, erzählt Rosa, denn mit dem Umzug gab die Familie den kleinen Tante–Emma-Laden in Monte Ruivo auf, der ihnen ein sorgenfreies Leben ermöglichte, und musste sich in Faro ein neues Leben aufbauen.
Der Laden hatte nicht nur für das Einkommen der Familie gesorgt, sondern auch Rosas Interesse für Zeichnungen und Malerei geweckt. Ihre Mutter benutzte altes Zeitungspapier, um Seife und andere Produkte zu verpacken, und Rosa sah auf diesem altem Papier Bilder von einer Welt, die anders war, als die, in der sie lebte. Sie schnitt die Bilder aus, zeichnete sie nach sowie alles andere, was um ihr war: Menschen, Tiere, Landschaften oder Objekte. Sie erinnert sich noch lebhaft an den Tag, an dem sie in der Grundschule Heinrich, den Seefahrer zeichnete. Die Zeichnung war so gut gelungen, dass die Lehrerin dachte, sie hätte sie kopiert. „Zuerst war ich sehr beleidigt, da ich natürlich nicht kopiert hatte. Dann aber sehr stolz, als die Lehrerin meine Zeichnung neben der Tafel an die Wand hängte.“ Eine weitere Inspirationsquelle für Rosas Zeichnungen waren die Modemagazine ihrer Mutter. Den Ursprung ihrer textilen Kunstwerke sieht Rosa im Webstuhl einer alten Nachbarin, der Rosa fasziniert beim Weben von Decken zusah. „Berufseignungstests gab es damals nicht, aber es stand für mich schon im jungen Alter fest, dass ich Künstlerin sein wollte“, sagt Rosa gut gelaunt.
Nach dem Abschluss der Schule in Faro besuchte sie daher die Kunstschule Escola de Artes Decorativas António Arroio in Lissabon. Auch bei dieser Entscheidung zeigten sich ihre Eltern sehr aufgeschlossen, denn damals, während der Diktatur, hatten Kunstschulen einen schlechten Ruf und Malerei oder Bildhauerei galten nicht als seriöse Berufe. „Hinzu kam, dass im Malunterricht oft nackte Modelle posierten, was in der damaligen, extrem katholischen und konservativen Gesellschaft natürlich verpönt war“, so Rosa.
Zwei Jahre besuchte Rosa Unterricht in Zeichnung, Malerei, Gravur, Bildhauerei, Kunstgeschichte und darstellender Geome-trie, unter anderem. „Es war ein umfangreicher Kurs, der uns sehr gut für das Künstlerleben und für all das, was die Welt uns zu bieten hat, vorbereitete“, so Rosa. Der Kurs diente zudem als Vorbereitung für die Kunsthochschule Escola Superior de Belas Artes de Lisboa, wo Rosa ihr Studium in Malerei abschloss. Es waren jedoch etwas turbulente Zeiten.
„Die ersten drei Jahre verliefen reibungslos, aber dann kam die Nelkenrevolution“, erzählt Rosa. Viele der Schüler waren politisch sehr aktiv und Gegner des Estado Novo von António de Oliveira Salazar. Innerhalb der Schule fanden geheime Treffen statt, bei denen Proteste organisiert und Manifeste gegen das Regime verfasst wurden, was dazu führte, dass die Geheimpolizei PIDE stets ein wachsames Auge auf die Kunstschule hatte. Nach der Nelkenrevolution wurden die Lehrer, die Anhänger von Salazars Regime waren, entlassen und die Schule vorübergehend geschlossen. Rosa beschloss, nach Faro zurückzukehren und sich als Lehrerin zu bewerben. Ein Jahr lang unterrichtete sie in der Schule João de Deus Kunst, bevor sie dann in Lissabon ihr Studium abschloss. Die Lehrerfahrung war jedoch so erfüllend, dass Rosa weiter bis 2011 in verschiedenen Schulen in Faro und Loulé unterrichtete. Die meisten Jahre verbrachte sie an der Schule Tomás Cabreira in Faro.
Gleichzeitig entwickelte und festigte Rosa ihre Karriere als Künstlerin. Sie arbeitet meistens nach Themen, derzeit unter dem Titel „Paisagens (Des)construídas“ – (De)konstruierte Landschaften –, davor ging sie mit der Serie „No caminho … e nos sonhos“ (Auf dem Weg … und in den Träumen) ihren eigenen Träumen nach.
Alles auf der Welt dient ihr als Inspiration für ihre abstrakten Gemälde. Kleine Details, die andere vielleicht übersehen, können der Ausgangspunkt einer neue Reihe sein. „Ich bin sehr aufmerksam, und wenn ich durch die Straßen schlendere, gibt es immer irgendetwas, was meine Aufmerksamkeit weckt, mich berührt. Sei es wegen der Farbe oder der Form“, erklärt sie. „Dann komme ich in mein Atelier, kritzle mit dem Bleistift auf ein Stück Papier … der Malprozess auf der Leinwand ist dann sehr intuitiv.“ Ihre Malerei ist nie an die Form gebunden, die ihr als Ausgangspunkt diente, und es ist ihr nicht wichtig, dass der Betrachter das erkennt, was sie dargestellt hat. „Der Betrachter soll in das Gemälde eindringen, es für sich selbst entdecken.“
Ein wichtiger Bestandteil ihrer Werke sind die Schichtüberlappungen, die den Gemälden Tiefe verleihen, und Bewegung. „Bei jedem Pinselstrich habe ich die Absicht, etwas, das statisch war, kein Leben hatte, Bewegung zu verleihen.“ Diese Bewegung und dieses Leben sind in all ihren Werken präsent, selbst in den dunkelsten gibt es stets einen Farbtupfer, der Hoffnung und Leben weckt. Ebenfalls in allen Werken präsent ist die Farbe blau. „Vielleicht ist dies ein Einfluss von unserem spektakulären Himmel und endlosem Meer“, sagt Rosa, die sich als hundertprozentige Algarvia und Verliebte in die Region erklärt.
Zu Beginn malte sie mit Ölfarben, doch da diese sehr langsam trockneten, wechselte sie zu Acryl. Die Farben, die sie schon in der Kunstschule António Arroio selbst mischte, um ihre eigene Farbpalette zu kreieren, trägt sie mit Pinseln und Rollen auf. Derzeit arbeitet sie auch viel mit Fotografie. Ihr Ziel ist es, Innovatives zu schaffen: „Es ist sehr positiv, dass meine Gemälde als meine eigenen erkannt werden, aber ich will auch nicht, dass man sagt, dass sie immer gleich wirken. Ich will meine Identität behalten, aber gleichzeitig meine Werke entwickeln.“
Neben der Malerei widmet sich Rosa der textilen Kunst. „Manchmal brauche ich etwas Abwechslung,“ erklärt sie mit einem Lächeln. Ihre Werke sind jedoch keine traditionelle Tapisserie, sondern eher Skulpturen. „Während meiner Studienzeit war Bildhauerei nicht mit Farben verbunden, und da ich ohne Farben nicht leben konnte, konnte ich mir auch ein Leben als Bildhauerin nicht vorstellen.“ Die Lust, etwas Dreidimensionales zu schaffen, blieb ihr jedoch immer erhalten und nun sagt sie, dass die Tapisserie es ihr ermögliche, „die Farbe und die Dimensionalität einer Skulptur zu vereinen.“ Sie verwendet stets Edelfasern in warmen, natürlichen Farben und arbeitet selten an einem Webstuhl. Ihre letzten Kreationen webte sie direkt auf Acrylblätter, die sie selbst ausschnitt und mit Löchern versah.
Seit den 1980er Jahren hatte Rosa Trindade mehrere Einzel- und Gemeinschaftsausstellungen in der Region und im Jahr 2016 eine Einzelausstellung in der Cobalt International Gallery in Brüssel.
Nach Absprache (rialetri@gmail.com) ist es möglich, die Künstlerin in ihrem Atelier in Faro zu besuchen. www.rosatrindade.com
Text: Anabela Gaspar
ESA 02/2017