Blowplastic entstand aus Silva Sanchos Wunsch heraus, das Glasblasen ohne den kostspieligen Materialaufwand zu realisieren. Es ging dem jungen Designer lediglich um den Prozess, doch die Objekte, die er kreiert, weckten das Interesse einer renommierten Galeristin und sind Ende dieses Monats in der Mailänder Designwoche zu sehen
A necessidade faz o engenho, so der portugiesische Volksmund, was so viel bedeutet wie „Not macht erfinderisch“. Silva Sancho stimmt dem vollkommen zu. Er sei ein gutes Beispiel dafür, denn es waren seine mangelnden finanziellen Mittel, die ihn auf die Idee brachten, die Blastechnik mit Plastik zu entwickeln. Nachdem er ein Jahr Design im Lissabonner IADE und fünf Jahre Produktdesign, auf Keramik und Glas angewandt, in der Hochschule ESAD in Caldas da Rainha studierte, verbrachte er ein Jahr an der Freien Universität in Bozen (Südtirol), wo er unter der Leitung von Professor Francesco Faccni seine Abschlussarbeit lieferte. Das Thema lautete schlicht und einfach: Luft.
Sancho beschloss biobasierten Plastik zu blasen, denn er hat ein Faible für Glasblasen, bekam aber selten Gelegenheit dazu, weil selbst die Kunst- und Designhochschulen oft nicht über die nötigen Öfen verfügen und diese Technik enorme Energiekosten mit sich bringt. Zwar ist seine ähnlich mit der des Glasblasens, doch er musste sich den Weg selbst ebnen, um herauszufinden, wie die Technik für Plastik angewandt werden könnte. „Ich konnte niemand nach Rat oder Unterstützung fragen, da sowohl ich als auch meine Lehrer niemanden kannten, der diese Technik ausübt“, so der Designer. Dennoch betont er, dass er die Technik keineswegs erfunden hat. „Während der industriellen Revolution, bevor die Maschinen entwickelt wurden, die heute für das Extrusionsblasformen, dem Verfahren der Kunststoffverarbeitung zur Herstellung von Hohlkörpern aus thermoplastischen Kunststoffen, zum Einsatz kommen, hat jemand diesen Vorgang erst mal testen müssen und dafür sicher das Plastik so geblasen, wie ich es heute mache“, erklärt der 25-Jährige. „Damals fand die Technik wohl keine weitere Anwendung, da das Ziel in einer günstigen Massenproduktion lag“, fasst er zusammen. Silva Sancho ging es nicht um Massenproduktion. Ihm ging es darum, mit einem viel geringerem Energieaufwand und ökologischen Fußabdruck das Glasblasen „nachzuahmen“. Was seitdem geschah, betrachtet er als eine wunderbare Zugabe.
Seine Objekte liegen an der Grenze zwischen Design und Kunst. „Der Prozess liegt im Bereich des Designs, die daraus resultierenden Stücke sind Kunst“, so Silva Sancho, und fügt hinzu, dass die Technik „ein organischer Vorgang ist, auf den ich wenig Einfluss habe.“
Bei uns weckten vor allem seine Lampen das Interesse, doch Rossana Orlandi, Leiterin der gleichnamigen, renommierten Galerie in Mailand, die für ihr avantgardistisches Design bekannt ist, verliebte sich in seine Skulpturen, die eigentlich nicht als solche gedacht waren. Sie sind Teil einer zweiten Phase von Silva Sanchos Arbeit zum Thema Begrenzung und stellen Hohlkörper aus Holz dar, sogenannte Modeln, in die das Plastik hineingeblasen wird, um ihm die gewünschte Form zu verleihen. Anders als in der Industrie, eignen sich diese Formen aber nicht für eine Serienproduktion, da sie zerstört werden müssen, um die Skulptur herauszulösen. Der junge Designer wollte nicht nur die Begrenzung des Materials, sondern auch die Grenze zwischen Industrie und Handwerk erforschen. „Die Formen sind daher gewollt nur einmal verwendbar und im Endeffekt machen die Plastikskulpturen ohne sie keinen Sinn. Sie ergänzen sich“, findet er.
Acht dieser Stücke wird die Galerie Rossana Orlandi vom 28. September bis zum 10. Oktober im Fuorisalone der Mailänder Designwoche 2020 ausstellen. Dass eine der einflussreichsten Personen bei der Entdeckung junger und aufstrebender Designer auf ihn aufmerksam wurde, ist Grund für Stolz und Dankbarkeit. „Ich kann Professor Faccni nicht genug dafür danken, dass er Rossana Orlandi meine Arbeit gezeigt hat und Rossana dafür, dass sie das Risiko eingegangen ist, Stücke einer Person auszustellen, die noch nie eine Ausstellung hatte. Ich bin sehr stolz und fühle mich geschmeichelt“, berichtet er. Einem ersten Vorschlag der italienischen Galeristin will Silva Sancho auch so schnell wie möglich folgen und für seine Stücke recycelten Biokunststoff benutzen.
Wir fanden einen sympathischen, selbstsicheren jungen Mann vor, der große Pläne für die Zukunft hat, aber dennoch sehr bodenständig ist. Er macht seine ersten Schritte in der Welt des Designs, aber wir sind sicher, dass Silva Sancho eine glänzende Zukunft vor sich hat.
Text: Anabela Gaspar
Veröffentlicht in ESA 09/2020
Blowplastic
Silva Sancho fertigt Stücke auf Bestellung an.
Ein Kontakt-Formular ist auf seiner Seite abrufbar.
www.instagram.com/silva.sancho
www.facebook.com/projectosilvasancho