Manuel Amorim ging vielen Tätigkeiten nach, doch seit Ende der 1990er Jahre widmet er sich dem Bau von Zupfinstrumenten. Seine Werkstatt ist nun Teil des Projektes Loulé Criativo, mit dem das Rathaus von Loulé traditionelle Handwerksberufe neu beleben will
Wie die meisten Kinder mochte auch Manuel Amorim Musik und Instrumente. Besonders das Banjo seines Vaters machte ihn neugierig und als dieser nach Afrika auswanderte, nahm Manuel sofort die Chance wahr, um das zurückgelassene Instrument näher zu betrachten. „Ich baute das Banjo auseinander und da ich es dann nicht wieder zusammenbauen konnte, bekam ich einen riesen Anpfiff. Meine Neugier wurde dadurch aber nicht gezähmt“, erinnert sich Manuel lächelnd. Neben seiner Leidenschaft für Musikinstrumente entdeckte er sein angeborenes Talent mit Holz zu arbeiten. „Nahe meinem Haus in Vila Nova de Gaia, meiner Heimatstadt im Norden Portugals, gab es eine Schreinerei in der ich meine Freizeit verbrachte und erstmals Instrumente restaurierte“, erzählt er weiter. Manuel machte sein Abitur und übte viele Berufe aus, doch jede freie Minute verbrachte er mit dem Bau von traditionellen portugiesischen Zupfinstrumenten und machte sich einen Namen unter den Gitarrenbauern.
Daher lud ihn 1993 der bekannteste Luthier Portugals Fernando Meireles ein, an einer von der Universität von Coimbra, dem Bildungs- sowie dem Kulturministerium einmalig organisierten Ausbildung zum Luthier, teilzunehmen. Er war einer von nur sieben geladenen Studenten und einer von nur dreien, der die Ausbildung erfolgreich abschloss. „Danach beschloss ich natürlich, mich ganz dem Zupfinstrumentenbau zu widmen. Zuerst in Coimbra an der Seite meines Meisters Meireles, danach in meinem eigenen Atelier“, fasst Manuel zusammen.
Im Jahr 2001 geriet sein Name in aller Munde als er für die Europäische Kulturhauptstadt Porto eine 16,8 Meter lange, 7,20 Meter breite und 2,20 Meter hohe Portugiesische Gitarre baute. Auf die Idee kam er wegen seiner Neugier, die ihn als Kind dazu brachte, das Banjo seines Vaters auseinanderzunehmen. „Nur während des Bauprozesses kann man die Dynamik des Instrumentes verstehen. Sobald man die Decke anbringt, versteht man nicht mehr, was im Resonanzkörper vor sich geht, wie der Klang erzeugt wird“, so Manuel. Daher beschloss er eine Replik zu bauen, in die man eintreten konnte, und die, mit Klavier-Saiten bespannt, sogar Klang erzeugte.
Ein Jahr später zog er in die Algarve und eröffnete eine Werkstatt in Faro. Doch das, was ihn in die Region gebracht hatte, nämlich die hohe Anzahl an Musikern und Bands, die neue Instrumente brauchten oder ihre alten restaurieren ließen, nahm wegen der fortdauernden wirtschaftlichen Krise drastisch ab. „Viele Hotels und Bars verzichteten auf die Musiker. Meine Aufträge nahmen entsprechend ab und ich musste mich nach Alternativen umschauen, um etwas dazu zu verdienen“, berichtet er. Neun Jahre lang unterrichtete er Musik in Grundschulen der Umgebung. „Am Ende des Nachmittages führte mein Weg so schnell wie möglich in meine Werkstatt“, so Manuel schmunzelnd.
Dann kam ihm eine neue Idee. Er erfuhr von dem Projekt Loulé Criativo und machte dem Rathaus einen Vorschlag zur Zusammenarbeit. Und so kam es, dass nach der Casa da Empreita, der Oficina dos Caldeireiros (ESA 12/17) und der Oficina da Olaria (ESA 07/18), in denen Kunsthandwerker traditionellem Handwerk nachgehen, nun der Gitarrenbauer Manuel Amorim die Türen seiner Werkstatt öffnete und Besuchern zeigt, wie er aus Holz sonderbare Zupfinstrumente zaubert.
Seine Vorliebe gilt den traditionellen portugiesischen Varianten. Allen voran die Portugiesische Gitarre und die Mandoline (Bandolim). „Vor allem seit Fado immaterielles Weltkulturerbe ist, gewann die Guitarra Portuguesa an Popularität. Was viele jedoch nicht wissen ist, dass sie eine Fusion der europäischen Cister und der englischen Gitarre ist“, weiß Manuel zu berichten. „Im 19. Jahrhundert spielten gut situierte englische Damen Gitarre, aber dann gewann das Klavier an Beliebtheit und die Gitarre wurde verachtet“, so Manuel. „Durch den regen Handel mit England, vor allem mit Portwein, erreichte die englische Gitarre Portugal und wir taten das, was wir immer und gut machen: Wir passten sie an“, erzählt er gut gelaunt. Aus zuerst einer Guitarra Portuguesa wurden drei: die aus Lissabon, die aus Coimbra und die weniger bekannte aus Porto. Sie unterscheiden sich durch die Verzierung ihrer Köpfe: eine Blumen bei der aus Porto, eine Träne bei der aus Coimbra und eine Volute (Spirale) bei der aus Lissabon. Doch diese sind längst nicht die einzigen portugiesischen Gitarren. Laut Manuel ist Portugal das Land, mit den meisten Varianten. 32 Violas sollen es sein! Dazu gehören die toeira aus der Region Beira Litoral, die beiroa aus der Beira Baixa, die campaniça aus dem Alentejo, die amarantina aus dem Douro Litoral, die braguesa aus dem Minho und die de arame von den Azoren, die auch Viola da terra genannt wird. Alleine auf den Azoren gibt es mehrere unterschiedliche und mit bis zu 18 Saiten! Und natürlich gibt es auch romantische Erklärungen zu deren Ursprung. Die Viola amarantina ist mit zwei auseinanderlaufenden Herzen verziert, weil sie von einem gut betuchten Mann erfunden wurde, der in ein Mädchen aus dem Volk verliebt war. Da er sie nicht heiraten konnte, beschloss er, seine Liebe zu ihr in einer Gitarre zu verewigen, die er mit den Herzen verzierte. Auch um Liebesgeschichten geht es bei der Verzierung der Viola da terra – allerdings haben diese (zumindest vorerst) ein glückliches Ende: Auf den Azoren war es Tradition dem Brautpaar eine Viola da terra zu schenken. Da es ein Hochzeits-geschenk war, sind die Herzen ineinander verschmolzen. „In der Hochzeitsnacht musste der Bräutigam die Viola vom Bett nehmen bevor er seine Braut darauf legte“, erzählt Manuel augenzwinkernd. Merkwürdig und eine Studie wert findet er die Tatsache, dass, während andere Regionen vier bis fünf traditionelle Zupfinstrumente haben, die Algarve kein einziges hat. „Dabei war die Algarve die Region, die am längsten von den Mauren besetz war und es war die arabische Kurzhalslaute Oud, die zur europäischen Laute und somit zu allen Lauteninstrumenten führte“.
Manuel bedauert, dass die Portugiesen diesen kulturellen Reichtum nicht schätzen. „Zwar beobachtet man in letzter Zeit eine Rückkehr zu den traditionellen Instrumenten, doch lange waren diese nur bei Folkloregruppen zu sehen“, so Manuel. Als Beispiel nennt er die Cavaquinho. „Eine Cavaquinho wird verachtet, während eine Ukulele weltweit bekannt ist. Dabei ist letztere eine Braguinha, also eine Cavaquinho von der Insel Madeira, die von einem Portugiesen nach Hawaii gebracht wurde und dort Ukulele, was hüpfender Floh bedeutet, genannt wurde, weil sich die Finger beim Spielen so schnell bewegen“. In Musikgeschäften fände man selten traditionelle Instrumente. Die Nachfrage sei einfach nicht da und der Preis nicht mit dem einer Gitarre Made in China zu vergleichen. Deshalb baut Manuel auch nur auf Bestellung.
Anders als in den Fabriken Chinas wird in Manuels Werkstatt alles in mühsamer, präziser Handarbeit und mit viel Liebe zum Detail ausgeführt. Doch Manuel weiß, dass es nicht nur an seiner Handarbeit liegt. Schon die Qualität des Holzes und seine Feuchtigkeit spielen für den späteren Klang und die Stabilität des Instrumentes eine große Rolle. Deswegen sind die Holzbeschaffung, Lagerung und Materialauswahl grundlegende Aufgaben eines Gitarrenbauers. Den Bauprozess vergleicht er „mit der Erziehung eines Kindes, denn wenn wir anfangen, wissen wir nicht genau was am Ende dabei herauskommt. Ein kleiner Fehler zu Beginn kann sich am Ende als enorm erweisen. Wir wissen nie, ob es ein gutes Instrument wird, bis wir die Saiten anbringen und spielen.“
Viel Zeit widmet er der Gestaltung und dem Einbauen von individuellen Schalllochrosetten. Fertige zum Aufkleben kommen bei Manuel nicht in Frage, auch weil „die Verzierung des Schallloches uns die Möglichkeit bietet, dem Instrument unseren persönlichen Touch, eine Art Unterschrift oder Markenzeichen, zu verleihen“. Die „Seele des Instrumentes“ liegt im Resonanzkörper, so Manuel. „Die Entfernung zwischen den Stimmstöcken oder ihre Breite haben großen Einfluss auf den Klang“. Diese und weitere Geheimnisse, wie beispielsweise die genaue Zusammenstellung seiner selbst gemischten Lacke, die es dem Holz erlauben weiterhin zu atmen, gibt er gerne an seine Schüler weiter. „In Portugal besagt das Sprichwort zwar, dass das Geheimnis die Seele des Geschäftes ist, aber wenn ich mein Wissen nicht weitergebe, stirbt dieses Handwerk natürlich aus und das ist genau das, was wir nicht wollen“, verabschiedet sich Manuel lächelnd.
Oficina de Cordofones
Manuel Amorim
Mob. 917 049 669
atelieramorim@sapo.pt
Urb. Solar das Palmeiras, Lote C, Loja B, Loulé
Google-Maps-Koordinaten: 37.139974, -8.021739
Text und Fotos: Anabela Gaspar in ESA 02/2019