Carvoeiros charismatischer Afro-Mann
Seine wilde Mähne sorgt seit über vierzig Jahren für Aufsehen. Seine Musik bereits seit fünfzig Jahren. Zum Jubiläum erschien ein Buch über Beto Kalulus Karriere und in diesem Monat folgt eine Tournee in Deutschland
1950, als Beto Silva zwei Jahre alt ist, gewinnt sein Vater in der Lotterie und die Familie beschließt, Matosinhos im Norden Portugals zu verlassen und ein neues Leben in Malange in Angola zu beginnen. Afrika sollte sein Leben für immer prägen und dies sollte lediglich die erste von vielen Reisen sein, die Beto, stets auf der Suche nach neuen Herausforderungen und Erfahrungen, machen sollte.
Schon in der Grundschule wird deutlich, dass Beto Musik im Blut hat. „Immer wieder bestrafte meine Lehrerin mich, weil ich ständig mit den Fingern und den Stiften auf dem Tisch im Rhythmus schlug“, erzählt er lachend. 1967 kann er seine Eltern dazu überreden, ihm sein erstes Schlagzeug zu kaufen. Kurz darauf gründet er seine erste Band, Brotolândia; ein Jahr später die Band The Windies, mit der Beto in Angola einen Riesenerfolg hat. Doch Beto will die Welt sehen, vor allem London, für ihn damals die Musikmetropole. Mit diesem Ziel fliegt er 1972 von Luanda nach Lissabon. Von der portugiesischen Hauptstadt aus will er bis London trampen, besucht aber vorher noch Familie und Freunde im Norden und ist auch in der Algarve unterwegs. Überall fällt der charismatische junge Mann mit der Afro-Mähne auf. So sehr, dass es sogar zu großen Ansammlungen von Menschen kommt, die seine Haare aus der Nähe betrachten wollen und er deswegen in einigen Cafés nicht mehr willkommen ist. Doch die Mähne bringt auch Positives mit sich. In Albufeira wird Beto von dem Fotografen Fernando Aroso entdeckt, der ihn dazu einlädt, Fotomodell für die Poster der damaligen Modekette Porfírios zu sein. Bevor es nach London weitergeht, macht er daher einen Zwischenstopp in Porto, um die Fotos zu schießen, die nun das Cover und einige Seiten seines Buches zieren. Diese Fotos bringen Beto noch weiteres Glück, doch das kam erst nach dem London-Aufenthalt.
Diese Tour ist sehr abenteuerlich, mit vielen Höhen und Tiefen. Doch Beto ist entschlossen, die englische Metropole zu besuchen. Zehn Tage trampt er durch Spanien und Frankreich, bis er am 17. September 1972 in London ankommt. Wie immer sorgt er mit seiner Haarpracht für Aufsehen. „Die Menschen kamen auf mich zu. Fragten, ob mein Haar echt wäre, fassten es an“, erinnert er sich. Geplant ist, einen Monat in London zu bleiben, doch es werden sechs musikintensive Monate, in denen er unzählige Konzerte besucht, ohne je ein -Ticket zu zahlen. „Ich wurde immer von jemand eingeladen“, sagt er gut gelaunt. Erst im März 1973 kehrt er zurück nach Luanda und spielt wieder bei The Windies und später bei der Band Banana Macaco mit.
Genau zwei Jahre später muss er Angola verlassen. Dem Unabhängigkeitskrieg folgt der Bürgerkrieg. Nach der Nelkenrevolution im Jahr 1974 beschließt Portugals neue Regierung, sämtlichen Kolonien unverzüglich die Unabhängigkeit zu gewähren. Angola wird zum Zankapfel zwischen den rivalisierenden Befreiungs-bewegungen. Überall kommt es zu Schießereien und Bomben fallen. Beto, der einen schweren Unfall hatte und sich dabei ein Bein brach, wird aus seinem unter Beschuss stehenden Musikstudio evakuiert und zum Flughafen gebracht. Dort besteigt er das Flugzeug erst, nachdem er sichergestellt hat, dass auch sein Schlagzeug an Bord ist.
Eine Zeit lang bleibt er in Lissabon und spielt dort in der Band Som, bis er im Sommer 1977 nach Carvoeiro zieht, wo er die junge Ana Rocha kennen lernt. Ana ist von dem jungen Mann, der ihr schon auf den Plakaten von Porfírios aufgefallen war, stark beeindruckt. Und Beto von ihr. Kurz darauf wohnen sie zusammen und gründen mit Freunden die Aldeia Almansor, alias Aldeia da Paz, eine kleine Künstler- und Musiker-Gemeinde, die bis 1990 auf einem Grundstück neben dem Hotel Almansor in Carvoeiro besteht. Im Mai 1978 heiraten Beto und Ana und zwei Monate später kommt ihr Sohn Tomé auf die Welt. Beto spielt mit Jorge Soares im Duo Luar und sie treten bei der im Jahr 1980 erstmals veranstalteten Fatacil-Messe auf.
Anfang der 1980er spielt Beto in verschiedenen Bands wie Basement Five und Kikanta und ist einige Monate in Frankreich unterwegs. Zurück in Carvoeiro wird er nach einem Konzert von einer Deutschen angesprochen, die die Band für ein Konzert in West-Berlin engagieren will. Immer auf der Suche nach neuen Abenteuern nehmen die Voa Bongosso, wie Betos Band damals heißt, den Auftrag an.
Im Abril 1984 startet die Reise nach Deutschland. Das Konzert in Berlin wird um einen Monat verschoben, doch Beto und die anderen Bandmitglieder beschließen dennoch, in Deutschland zu bleiben. „Die ganze Reise umsonst gemacht zu haben, wäre ja Wahnsinn gewesen“, erzählt er weiter. Um die Zeit zu überbrücken und „natürlich auch um Geld zu verdienen“, stellen sie sich in verschiedenen Bars vor, spielen ihre Musik und erhalten immer neue Konzertaufträge. Die Atmosphäre der Stadt macht einen starken Eindruck auf Beto. „Das Lebensmotto in West-Berlin war damals No Future“, erinnert er sich, „Die Menschen lebten einfach so dahin. Hatten keine Hoffnungen und machten keine Zukunftspläne. Immer wieder fragte ich sie, wieso sie nicht verreisten. Die Welt sei so groß, es gäbe so vieles zu entdecken. Doch sie zuckten immer nur mit den Schultern.“
Betos afrikanische Klänge kommen überall gut an und die Band spielt sogar mehrmals im berühmten Jazz-Club Quasimodo. Aus dem geplanten Monat in Deutschland wurden sieben. Sie geben während der Zeit nicht nur Konzerte in Berlin, sondern auch in Frankfurt, Darmstadt, Köln und Kassel. „Im April des folgenden Jahres hatte ich dann die Nase voll von der Kälte und dem Regen und wir beschlossen, dass es höchste Zeit war, in die sonnige Algarve zurückzukehren“, so Beto.
Seitdem lebt er in Carvoeiro, zieht aber weiterhin für Konzerte durch die ganze Welt. In diesem Monat wird er in Deutschland mit der Irish Folk-Band Glenfiddle auftreten, bei der der deutsche Blockflötist Jan-Taken de Vries mitspielt und die ebenfalls in der Musikszene von Carvoeiro bekannt ist.
Im Laufe der Jahre wird Beto Silva zu Beto Kalulu. Von seinem anfänglichen Pop-Rock mit Brotolândia und The Windies, der etwas vom afrikanischen Semba hatte, über Jazz, lateinamerikanische Rhythmen und Funk bis zur Weltmusik mit afrikanischen Klängen der Band Kalulu, deren Namen er dann annimmt. Nun veröffentlichte Joaquim Correia, Betos Freund und Mitbegründer von The Windies, das Buch „Beto dos Windies, Beto Kalulu“. Das erste Kapitel besteht aus Betos Tagebuch während der Reise 1972 von Angola nach London. Im zweiten Kapitel geht es um das Treffen mit dem Fotografen Aroso und der Arbeit als Fotomodell für Porfírios. Im dritten Kapitel schreibt Correia über die Entwicklung von Beto und dessen Musik von den Windies bis heute. Danach lässt der Autor Familie und Freunde von Beto, darunter viele bekannte Musiker, zu Wort kommen. Sie sprechen über Beto als Person und Musiker und erzählen einige lustige Geschichten. Das fünfte Kapitel widmet Correia dem Leben des Jugendlichen im Angola der 1960er und 70er Jahre, schildert die Schwierigkeiten, Hoffnungen und Träume. Zuletzt berichtet der Autor über Angolas Musikszene von den 1950er Jahren bis heute. Laut Joaquim Correia ist nicht nur Betos Frisur in all diesen Jahren unverändert geblieben, sondern auch sein Herz und seine Seele.“
Text & Foto: Anabela Gaspar
ESA 09/16