João Frade
Das Akkordeon verbindet man vor allem mit der Pariser Musette und dem argentinischen Tango, auch mit Polkas, in Portugal mit traditioneller Volksmusik. In den Händen von João Frade erwacht das Instrument jedoch zu einem neuen Leben. Geboren und aufgewachsen in Albufeira, ist er ein Meister des Instruments und weltberühmt für das Verschmelzen verschiedener Musikstile
Als Zweijähriger nahm João Frade ein Kopfkissen und tat so, als würde er Akkordeon spielen. Er hatte das Instrument auf Folklorefestivals und Tanzabenden in der Algarve gesehen. Sein Vater sah darin ein klares Zeichen, dass der Kleine sich für das Instrument interessierte und beschloss, er solle, sobald er lesen und schreiben könnte, Akkordeonunterricht haben. So kam es dann auch. Von seinem siebten bis zu seinem neunzehnten Lebensjahr nahm er Stunden bei dem portugiesischen Akkordeonmeister und Pädagogen Hermenegildo Guerreiro. Während seine Freunde Fußballtraining hatten, besuchte er in São Bartolomeu de Messines den Musikunterricht. Doch auch er spielte gerne Fußball und hätte dabei seine Zukunft als weltweit renommierter Akkordeonist verspielen können. „Ich brach mir den Zeigefinger der rechten Hand, wurde einer komplizierten Operation unterzogen und hätte dabei die Beweglichkeit des Fingers verlieren können“, erinnert er sich, während er leicht über die Narbe streicht. Es sollte jedoch anders kommen.
Mit zehn Jahren nahm er erstmals an einem Akkordeonwettbewerb teil. Mittlerweile ist die Liste der Festivals und Wettbewerbe, die er gewonnen hat, sehr lang. Lebhaft erinnert er sich an seine Teilnahme bei der Akkordeon-Welttrophäe 1997 in Andorra. „Ich war 14 Jahre alt, traf dort all meine Idole und stand im Wettbewerb mit ihnen! Ich war so nervös, dass ich nicht einmal essen konnte“, erzählt João. Er erreichte den siebten Platz, doch die Erfahrung an sich, seine Idole kennengelernt und mit ihnen Eindrücke ausgetauscht zu haben, vor allem ihr Lob, waren eine riesige Motivation für den jungen Musiker.
2002 gewann er dann nicht nur die Akkordeon–Welttrophäe, sondern auch die von der Welt-Konföderation des Akkordeons organisierte Coupe Mondiale und den internationalen Akkordeonwettbewerb von Castelfidardo in Italien. „Ich spielte einige meiner eigenen Kompositionen und traditionelle portugiesische Volksmusik mit einem Jazz-Hauch und mischte alles mit etwas show off, in dem ich mit beiden Händen auf der linken Seite des Akkordeons spielte, wie es ein Akkordeonist aus der Algarve machte, dem ich so oft zugesehen hatte“, gibt João gut gelaunt zu. „Ich fand es immer lustig und scheinbar gefiel es auch der Jury.“ Trotz aller nationalen und internationalen Auszeichnungen ist er weiterhin vor jedem Auftritt nervös. „Aber sobald meine Finger die Knöpfe des Akkordeons berühren, fühle ich mich wie Zuhause“, vertraut er mir an.
Was ihn von anderen Akkordeonisten unterscheidet, ist seine Vorliebe für die Improvisation. Bereits in den ersten Unterrichtsjahren lernte er bei Hermenegildo Guerreiro, dass nicht nur traditionelle Volksmusik, sondern auch Bossa Nova oder Sinatras Hits auf dem Akkordeon gespielt werden können. Dies führte dazu, dass er selbst andere Musikstile ausprobierte und mischte. Heute spielt er vor allem Weltmusik und Jazz. „Als ich in der Folkloregruppe für Kinder in Loulé spielte, passte dies den Zuständigen natürlich überhaupt nicht“, erinnert er sich lächelnd, „aber es war eine sehr gute Erfahrung, die es mir ermöglichte, das Liederbuch der traditionellen Volksmusik kennenzulernen.“ Bis heute profitiert er von dieser Erfahrung, denn wenn er den typischen Corridinho Algarvio mit einem Hauch Jazz spielt, begeistert er Zuhörer aus der ganzen Welt.
João besuchte ebenfalls das Musikkonservatorium in Lagos und die Musikhochschule in Lissabon. Aber nur für eine kurze Zeit und ohne das Studium abzuschließen. Einerseits fehlte ihm die Zeit, andererseits „die Freiheit zum Improvisieren, die Spontaneität“, so João, der während der Zeit in der Musikhochschule in Lissabon mit der Gruppe O´questrada auf Tour war und gleichzeitig Aufnahmen mit diversen Bands machte. „Aber ich war nie der akademische Typ. Strenge Regeln sind nicht mein Ding. Meine Musik basiert genau auf dem Gegenteil, auf der Dekonstruktion der Lieder und auf der Improvisation. In der Musikhochschule fühlte ich mich eingeengt.“
Wenn er spielt und komponiert, ist João sehr intuitiv und spontan. „Musik kann nicht etwas streng -Geregeltes sein. Ich respektiere Musiker, die Regeln folgen, aber dies ist nicht meine Art und es gibt Konzepte für jeden Geschmack“, erklärt er. „Ich experimentiere lieber“, fügt er lächelnd hinzu.
Seine intuitive Art und seine Vorliebe für die Improvisation sind das, was im Laufe der Jahre immer wieder auf ihn aufmerksam machte und zu neuen Kontakten führte.
Die bekannte Jazzsängerin Maria João hörte ihn in einem Unterricht in der Musikhochschule spielen und war begeistert. Einige Jahre später, als João in Paris an seinem Album arbeitete, erhielt er mitten auf der -Straße einen Anruf. „Am anderen Ende der Leitung war mein portugiesisches Idol Mário Laginha. Er wollte wissen, ob ich mit ihm und Maria João spielen wollte! Ich war sprachlos und auf Wolke Sieben!“, erzählt João enthusiastisch.
Ein Riesenzufall war auch das Treffen mit Jacques Mornet, dem Gründer des renommierten Centre National et International de Musique et d’Accordéon (CNIMA) in Frankreich und weltweit eine Akkordeongröße. João war bei seiner Familie in Frankreich zu Besuch und nutzte die Gelegenheit, um bei einer bekannten Akkordeon-Marke ein neues Intrument zu kaufen. Während er im Laden einige Akkordeons ausprobierte, zog er die Aufmerksamkeit von Mornet auf sich, der daraufhin João einlud, im folgenden Jahr einen Sommerkurs für Akkordeonisten aus der ganzen Welt im CNIMA zu besuchen. „Eine unvergessliche Erfahrung! Ich traf dort die besten Akkordeonspieler der Welt und improvisierte gemeinsam mit ihnen“, erinnert er sich.
Zu seiner musikalischen Laufbahn gehören Auftritte mit nationalen und internationalen Musikern wie Gil do Carmo, Zé Eduardo, Mariza, Mayra Andrade, Paulo de Carvalho, Marenostrum, Marian Petrescu, Ivo Papasov oder Stanley Jordan. Zudem wirkte er bei über zwanzig Alben mit, darunter Canto der Fadosängerin Carminho, Cores von Luís Represas und Iridescent von Maria João und Mário Laginha. 2013 veröffentlichte er zusammen mit Munir Hossn sein erstes Album Piriquitos & Botonetes, bei dem auch die kapverdische Sängerin Mayra Andrade mitwirkt. „Das Album wurde praktisch an der Praia do Chiringuito, östlich von Praia da Galé, zusammengestellt“, erzählt er. „Munir war mit Mayra auf Tour, wir trafen uns am Strand und es war alles sehr spontan.“
Derzeit nimmt er sein erstes Solo-Album auf, das Mitte des Jahres herauskommen soll und bis Ende des Jahres will er Duette mit nationalen Musikern wie Rão Kyao und Mário Laginha aufnehmen.
Text: Anabela Gaspar
ESA 02/2017
Coupe Mondiale
2019 soll die Coupe Mondiale der Welt-Konföderation des Akkordeons in der Algarve ausgetragen werden. Für die Organisation vor Ort wird Mito Algarvio zuständig sein, zu deren Ehrenmitglieder João Frade und sein ehemaliger Professor Hermenegildo Guerreiro zählen. Bei der letzten Akkordeon-Welttrophäe, die im vergangenen Oktober in Portimão stattfand, wurden drei junge Musiker aus der Algarve ausgezeichnet. Hugo Madeira aus Altura, 9 Jahre alt, wurde zum Weltmeister in der Kategorie unter 10 Jahre gekürt; João Filipe Guerreiro aus Montenegro ist erneut der Vize-Weltmeister in der Kategorie Sénior Varieté und Francisco Monteiro aus Portimão erreichte den zweiten Platz in der Kategorie unter 17 Jahre. Über hundert Akkordeonisten aus 26 Ländern nahmen an der Welttrophäe teil.