MUSIK
Keine Krise für Klassik
Was wäre die Welt ohne Musik und Live-Konzerte? Ein Super-GAU für unsere auditiven und visuellen Wahrnehmungen. Dass es soweit nicht kommt, dafür leisten die Amigos da Música einen nicht unerheblichen Beitrag
Éric Le Sage Jean-Marc Luísada Lucy Parham Pavel Fischer
Sa Chen
Yevgeny Sudbin
Tim Hugh
Michala Petri & Lars Hannibal
Marc Grauwels
n den Zeiten wirtschaftlicher Rezession wird gespart. Während die Bürger ihr Konsumverhalten verändern, auf Anschaffungen, Restaurantbesuche oder Urlaub verzichten, streichen Städte und Kommunen gerade in Portugal radikal ihre Etats für Kunst und Kultur, was sehr bedauerlich ist, bereichern doch gerade diese ,,schönen Dinge“ durch ihre Vielfalt, Ästhetik und Kreativität unser aller Alltag und sind ein Grundbedürfnis jeglicher Zivilisation. Im deutschen Grundgesetz weist Artikel 5,3 ausdrücklich darauf hin, dass Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre frei sind. Nehmen wir zum Beispiel die Musik, die ja einen Teil der darstellenden Kunst bildet. Wie traurig wäre es, wenn es keine Live-Konzerte mehr geben würde? Unmöglich! Klassik-Konzerte in der Algarve waren in den 1980er und 1990er Jahren so selten wie eine Blaue Mauritius. Was also sollte man tun, wenn man gerne Vivaldi, Bach, Mozart, Chopin oder Rachmaninow hören wollte? Nach London, Berlin, Paris fliegen oder nach Lissabon fahren? Durchaus denkbar, aber ziemlich teuer. Musiker einfliegen lassen, wäre eine Alternative, dann könnte 22
zumindest eine größere Gruppe davon profitieren. Also schlossen sich vor etwa 30 Jahren Residenten aus Loulé, Almancil, Quinta do Lago und São Brás de Alportel zusammen, gründeten den Verein Amigos da Música de São Lourenço, mit der Intension, Klassik-Konzerte zu veranstalten in erster Linie zum eigenen Vergnügen. Am 7. März 1981 debütierten im Centro Cultural São Lourenço in Almancil Clotilde Rosa (Harfe), Luiza Vasconcelos (Violoncello) und Carlos Franco (Flöte). Das Konzert war ein voller Erfolg. Es folgten viele weitere Musikaufführungen mit nationalen und internationalen Künstlern. Und dem multikulturellen Publikum wurde im Laufe der Jahre wirklich einiges geboten, nicht nur Klassik, auch Fado, Jazz, Musicals, Flamenco, Irish Folk Music, Boogie-Woogie und Blues. Das Konzept der Amigos ist einfach und erfolgreich. Man ,,schenkt“ den Künstlern quasi einen Urlaub in der sonnigen Algarve, erhält als Gegenleistung ein Konzert und gewinnt gleichzeitig neue Freunde, mit denen man nach musikalischem Abschluss gerne gemütlich in familiärer Atmosphäre zusammensitzt. Selbst Stars wie Jack Liebeck, Piers Lane oder Akiko Yamamoto, die auf den großen Bühnen der Welt Zuhause
sind, kommen gerne hierher. Für sie gelten die gleichen Konditionen wie für alle anderen auch: Kosten für Flüge, Mietwagen, Villa mit Pool übernimmt der Verein. Selbstverständlich dürfen die Musiker Freunde oder ihre Familie mitbringen. Eigens für Klavier-Interpretationen wurde ein wertvoller lackschwarzer Yamaha-Flügel angeschafft, der stets perfekt gestimmt ist. Inzwischen treten die Amigos auch als Förderer junger talentierter Künstler auf und finanzieren dank einer großzügigen Stiftung Meisterkurse, die von dem bekannten britischen Pianisten und langjährigen Direktor der London Sinfonietta, Professor Paul Crossley, geleitet werden und an dem ausgewählte Studenten portugiesischer Musikschulen teilnehmen können. Dieses Projekt erfolgt in Kooperation mit dem Vale do Lobo Resort und ermöglicht dem besten Teilnehmer der Meisterklasse ein Jahresstipendium an einem ausländischen Konservatorium. Und der wird sich dann später mit einem Konzert bei seinen Gönnern und Mäzenen bedanken. So schließt sich der musikalische Kreis, denn Klassik kennt keine Krise nicht in der Algarve.
Bernd Keiner
ESA 06/11