Die Herstellung von Schinken scheint auf den ersten Blick eine einfache Angelegenheit zu sein. Man braucht lediglich Hinterkeulen, Salz, Luft und Zeit – so gesehen keine schwierigen Voraussetzungen. Doch der Prozess birgt einige Tücken. Rui Jerónimo erklärt wie es geht
Zu den bekanntesten Vertretern der luftgetrockneten Schinken gehören der Serrano-Schinken aus Spanien, Parma-Schinken aus Italien und der Bayonner-Schinken aus dem französischen Teil des Baskenlandes. Doch der des Familienunternehmens Feito no Zambujal kann durchaus mit ihnen mithalten. Seit jeher mästen, schlachten und verarbeiten die Familien im Hinterland der Algarve Schweine für den Eigenbedarf. Rui Jerónimos Familie war keine Ausnahme und er behält das traditionelle Schlachtfest (matança) in schöner Erinnerung. Ein Tag, der mit viel Arbeit aber auch mit viel Freude verbunden war, denn die ganze Familie kam zusammen. „Heute hilft mir meine Familie weiterhin, aber der Produktionsablauf und der Arbeitsrhythmus sind nicht mit dem der matança zu vergleichen“, so Rui. Das fängt schon damit an, dass sie nicht nur ein Schwein, sondern um die 180 pro Jahr verarbeiten.
Ruis Produktionsstätte liegt in Zambujal, dem Heimatdorf seiner Eltern nahe Martim Longo (Bezirk Alcoutim). Dort, wo er stets das Schlachtfest miterlebte und wo er seine Ferien verbrachte und glücklich war. Daher überlegte er nicht lange und wagte 2011, als Portugal tief in der Wirtschaftskrise unter den Rettungsschirm der Troika gelangte, einen beruflichen Neustart. „Das Leben auf dem Land war mir stets eine Freude, also überlegte ich, was ich hier auf die Beine stellen könnte“, erzählt er. „Die Schweinehaltung und die Produktion von chouriças und Schinken hat hier Tradition und mir war klar, dass man hochwertige Produkte erzeugen konnte. Die Idee und der Wille waren da, es fehlte nur die Finanzierung“, berichtet er weiter. Als er Ende 2012 EU-Fonds für sein Projekt erhielt, war es soweit. Der Bau der Produktionsstätte begann und die ersten Schweine der Rasse Porco Preto, auch Porco Alentejano genannt, zogen auf das etwa fünf Hektar große, mit Eichen und Olivenbäumen bewachsene Gelände an der Ortseinfahrt von Zambujal. Genetisch bedingt kann das Schwarze Schwein mehr Fett in seinen Muskeln aufnehmen, das erklärt die Marmorierung des Fleisches und macht es saftiger und geschmackvoller.
In diesem Monat, wenn die Temperaturen etwas kühler werden, beginnt die jährliche Produktionsphase. Bis April wird Rui zweimal pro Monat jeweils um die 15 Schweine schlachten. Allerdings nicht mehr selbst – wie bei der matança –, sondern in einem Schlachthof in Spanien. Denn seit 1984 ist in Portugal die Hausschlachtung von Tieren, die für den öffentlichen Konsum bestimmt sind, verboten. Da es in der Algarve keinen Schlachthof gibt, muss Rui die aufwendige Fahrt nach Spanien in Kauf nehmen, denn der Schlachthof in Beja schlachtet keine Schweine und der in Odemira liegt weiter entfernt als der spanische in Santa Bárbara de Casa bei Huelva. Doch für Rui lohnt sich die Fahrt allemal. „Die portugiesische Tradition der Schinkenherstellung ist nicht mit der spanischen vergleichbar. In Spanien wird die Hinterkeule als das edelste Stück des Schweins betrachtet und dementsprechend behutsam behandelt. Das fängt schon im Schlachthof an.“ erklärt er. Zudem hat er von der Schlachterfamilie, die selbst Schinken produziert, viel über das Lufttrocknen gelernt. „In der Herstellung von Wurstwaren sind die algarvios nicht zu toppen, aber was Schinken betrifft, verfügen die Spanier über ein größeres Wissen“, so Rui.
Zurück in Zambujal werden die Schweine verarbeitet. Dies erfolgt normalerweise innerhalb von fünf Tagen. „Das komplette Tier wird verwertet. Wie man es hier in der Serra do Caldeirão schon immer gemacht hat. Etwas anderes würde auch keinen Sinn machen, schon aus Respekt vor dem Schwein“, erklärt Rui überzeugt. Einige Teile werden geräuchert, andere gepökelt, andere frisch verkauft, zu Schmalz und Wurstwaren verarbeitet. In der darauffolgenden Woche sind weitere Arbeitsabläufe fällig wie die chouriças im Räucherraum wenden.
Die Herstellung der Schinken erfolgt zwar noch nach traditionellen Rezepturen, allerdings in modernen Trockenräumen, wo der natürliche Prozess mit technologischen Hilfsmitteln und unter optimalen hygienischen Bedingungen simuliert wird. Nach dem Auslösen werden die Hinterkeulen in Meersalz aus den Salinen von Castro Marim gepökelt und zwei Wochen kühl im Salz gelagert. Danach werden die Schinken gewaschen, um das überschüssige Salz von der Oberfläche zu entfernen. Es folgt ein zweimonatiger Trocknungsprozess, bei dem die Temperatur konstant bei 8° Grad und eine hohe Luftfeuchtigkeit gehalten wird. Optimal gesteuert, löst dieser Prozess eine Reihe von biochemischen Reaktionen in bestimmten Bestandteilen des Schinkens (Fett und Proteinen) aus und lässt das Salz langsam und gleichmäßig in das Fleisch eindringen. An die Trockenphase schließt sich die Reifephase an, in der die Schinken in einem Trockenraum aufgehängt werden und dort in aller Ruhe zwei bis drei Jahre ausreifen und ihre typischen Aroma- und Geschmacksstoffe entwickeln. „Es ist ein langer Reifeprozess, aber das ist das, was in Verbindung mit der Eigenschaft der Schweine eine hohe Qualität ausmacht und unsere Schinken von anderen unterscheidet. Als kleiner Produzent müssen wir auf höchste Qualität setzen, sonst können wir uns auf dem Markt nicht behaupten.“, erklärt Rui.
Während Rui bei der Herstellung der Schinken eher der spanischen Tradition folgt, verlässt er sich bei den Wurstwaren vollkommen auf das Wissen und die Erfahrung seiner Mutter, Großmütter und Tanten. „Die Schinken wurden hier in der serra viel zu lange in Salz gelagert. Die Menschen hatten nicht die Möglichkeit sie bei konstanter, niedriger Temperatur zum Trocknen aufzuhängen. Wenn es zu schnell warm wird, verderben die Schinken. Um dies zu verhindern, haben sie die Schinken einfach in Salz reifen lassen. Das führte zu sehr salzigen Endergebnissen“, weiß Rui zu berichten. „Aber was Wurstwaren betrifft, sind die Frauen aus dem Hinterland der Algarve wahre Experten!“, fügt er enthusiastisch hinzu. Trotzdem hat er die Gewürzmischung seiner Mutter leicht geändert, denn „man sollte sich zwar in allen Bereichen des Lebens auf die Tradition beziehen, aber eine Weiterentwicklung anstreben.“ Geräuchert wird daher auch nicht in der Küche bei offenem Feuer, wie es seine Großeltern taten, sondern in einem speziellen Räucherraum, aber weiterhin mit Steineiche und Lackzistrose.
Rui Jerónimo ist stolz auf das, was er in sieben Jahren erreicht hat. Er beliefert einige gehobene Restaurants und Tapas-Bars in der Algarve, wie Nó de Gosto in Tavira, Rafael in Vilamoura, Cafézique in Loulé, Tasca do João in Faro oder Moiras Encantadas in Albufeira, sowie im Großraum Lissabon, darunter das Ein-Sterne-Restaurant Epur. Wer seine Produkte kaufen möchte, kann sie im kleinen Gourmet-Laden Venda da Maria in Tavira oder direkt bei Rui in Zambujal beziehen. Bei größeren Bestellungen ist Rui auch gerne zu einer Lieferung frei Haus bereit.
Text & Foto: Anabela Gaspar
Veröffentlicht in ESA 10/2020
Feito no Zambujal
Rui Jerónimo
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