Ostern ohne den folar ist in Portugal undenkbar. Abhängend von der Region gibt es unterschiedliche Rezepte für das traditionelle Ostergebäck. Das bekannteste und beliebteste ist sicher der Folar de Olhão
In der Manufaktur João Mendes & Rita, Lda. wird, mit ein oder zwei Ausnahmen, der Folar de Olhão noch so gebacken, wie es Joãos Oma Adelina vor über einem halben Jahrhundert tat. Sie backte das traditionelle Ostergebäck für Freunde und Bekannte. Joãos Ex-Frau Anabela Rita, die heute die Bäckerei führt, beliefert mittlerweile alle großen Supermärkte sowie viele Lebensmittelgeschäfte der Algarve. Das Rezept, das natürlich streng geheim ist, ist das von der Oma. Doch inzwischen wird der Teig mit einer Knetmaschine hergestellt und statt im Holzofen, werden die folares in einem modernen Industrieofen gebacken. Alle anderen Produktionsschritte werden nach wie vor per Hand durchgeführt. Während die Oma alleine in der Küche stand, sind es heutzutage in der Vor- und Osterzeit etwa 25 Frauen. Alles läuft wie geschmiert ab. Der Rhythmus ist wahnsinnig! Jede Mitarbeiterin führt eine bestimmte Aufgabe aus. Die Übung macht den Meister und somit ist es kein Wunder, wie schnell und präzise sie jede Bewegung ausführen. Rund um zwei Werkbänke stehen jeweils zehn Mitarbeiterinnen. An jeder schneidet eine den Teig in kleine Würfel, die zwei andere durch eine Presse schieben, um die runden Teigblätter zu formen. Zwei weitere fetten kleine runde Töpfe ein, die als Backform dienen, und geben braunen Zucker und Zimt hinzu. Dann legen zwei weitere Frauen jeweils ein Teigblatt in die Töpfe und Anabela gibt einen Löffel geschmolzene Butter und Zucker und Zimt hinzu, bevor das nächste Teigblatt draufgelegt wird. Dieser Vorgang wird wiederholt bis in jedem Topf acht Teigblätter liegen. Zwei weitere Mitarbeiterinnen stellen die gefüllten Formen zur Seite und neue hin. Anabelas Schwester ist die einzige, die die folares in den Ofen stellt und wieder rausnimmt. Sie müssen auf den Punkt gebacken sein. Nachdem die Formen abgekühlt sind, werden sie kurz auf dem Herd erhitzt, damit der Karamell flüssig wird und der Kuchen aus der Form gelöst werden kann. Dies muss sehr behutsam durchgeführt werden, damit der folar nicht zerbricht. Der letzte Schritt ist das Einwickeln in Folie bevor sie in die Regale des Lagerraumes gestellt werden. Lange verweilen sie dort nicht, denn Anabelas Team produziert 1.500 folares pro Tag und kommt den Bestellungen fast nicht nach. Trotz Hektik und eintöniger Arbeitsabläufe herrscht beste Stimmung. Sie singen zur Musik aus der Stereoanlage und erzählen sich Anekdoten aus der letzten Produktion zur Vorosterzeit.
Stolz berichten sie, dass ihr Folar de Olhão einer der sieben portugiesischen Süßgebäckwunder ist. Es war Anabela höchstpersönlich, die für jede Phase des Wettbewerbs 7 Maravilhas Doces de Portugal einen folar backte. Keine weitere traditionelle Leckerei der Algarve kam unter die sieben Wunder oder schaffte es bis ins Finale. Der folar ist übrigens auch das einzige Süßgebäckwunder, das nicht aus Nordportugal stammt. Die anderen kommen aus Vila Real, Braga, Bragança und Viana do Castelo, wobei die beiden letzteren Städte jeweils durch zwei Süßgebäcke vertreten sind.
Obwohl es andere Bäckereien in Olhão gibt, die folar anbieten, ist João Mendes & Rita, Lda. die einzige, die den traditionellen folar, in dem der Teig in Schichten gelegt wird, backt. „Es ist ohne Zweifel ein sehr mühsamer und zeitaufwendiger Prozess, aber es lohnt sich allemal“, so Anabela überzeugt. Andere rollen den Teig wie eine Schnecke ein, aber auch was die Zutaten betrifft gibt es Unterschiede. Laut dem Rezept von Joãos Oma, sind für den Teig Mehl, Hefe, Zucker, Wasser, Butter und Zitrone nötig. „Eier und Orangensaft gehören, anders als oft angenommen wird, nicht dazu“, versichert Anabela. Die geheimen Zutaten, die dazu führen, dass ihr folar so beliebt ist, verrät sie natürlich nicht.
Neben einem Minifolar mit nur 300 g, gibt es einen mit 600 g und einen großen mit 900 g. Zu Ostern steckt das Team seine gesamten Kräfte in die Produktion der traditionellen folares, aber zum Angebot gehören auch andere Variationen des Osterkuchens. Es gibt unter anderem auch folar mit Nüssen und Mandeln, Schokolade, Feigen und Johannisbrot, mit Apfel, Cayote oder Anis. Zudem backen sie viele andere Kuchen und Kekse und stellen – wenn es nicht zu heiß ist – auch Pralinen her.
Die Wahrscheinlichkeit im Supermarkt einen Folar de Olhão zu bekommen, der von João Mendes & Rita ist, ist sehr groß, wer will kann aber auch direkt in der Manufaktur einen – oder mehrere – erwerben. Schließlich ist es Tradition, Familie und Freunden zu Ostern diesen Kuchen zu schenken. Die Wartezeit kann oft mit einem Stück frisch gebackenem folar überbrückt werden.
Legende des Folar da Páscoa
Die Legende besagt, dass in einem portugiesischen Dorf eine junge Frau namens Mariana lebte, deren einziger Wunsch es war, früh zu heiraten. Sie betete so sehr zur Heiligen Katharina, dass ihr Wunsch in Erfüllung ging und ihr bald zwei Bewerber erschienen: ein reicher Adeliger und ein armer Bauer, beide jung und schön. Die junge Frau bat die Heilige, ihr bei der richtigen Wahl zu helfen. Während sie sich auf ihr Gebet konzentrierte, klopfte Amaro, der arme Bauer, an und bat um eine Antwort bis zum Palmsonntag. Noch am selben Tag erschien auch der Adelige und bat ebenfalls um eine Entscheidung. Mariana wusste nicht, was sie tun sollte.
Am Palmsonntag eilte eine Nachbarin herbei, um Mariana zu warnen, dass der Adelige und der Bauer sich auf dem Weg zu ihrem Haus getroffen hatten und dabei seien sich zu duellieren. Mariana rannte zu ihnen und nachdem sie die Heilige Katharina erneut um Hilfe ersuchte, rief Mariana den Namen des armen Bauern aus.
Am Vorabend des Ostersonntags war Mariana sehr besorgt, denn man hatte ihr zugetragen, dass der Adelige an ihrem Hochzeitstag erscheinen würde, um Amaro zu töten. Sie bat wieder um Hilfe und das Heiligenbild soll sie angelächelt haben. Am nächsten Tag ging Mariana zur Kirche und legte Blumen auf den Altar. Als sie zu Hause ankam, fand sie einen mit gekochten Eiern geschmückten Kuchen und die Blumen, die sie auf den Altar gelegt hatte, auf ihrem Tisch. Sie rannte zu Amaro, der berichtete, dass er ebenfalls einen Kuchen erhalten hatte. Das Paar dachte, dass der Adelige dahintersteckte und wollte sich bei ihm bedanken, doch auch er hatte ein Kuchen bekommen. Mariana war daraufhin davon überzeugt, dass es das Werk der Heiligen Katharina war.
Im Laufe der Zeit wurde der folar zu einer Tradition, mit der Freundschaft und Versöhnung gefeiert werden. Während der christlichen Osterfeierlichkeiten ist es üblich, dass das Patenkind seinen Paten am Palmsonntag Veilchen schenkt und diese ihm dafür am Ostersonntag einen folar.
Text und Fotos: Anabela Gaspar in ESA 04/2020
João Mendes & Rita, Lda.
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joaomendeserita.com
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