Märchenlandschaft in Monchique
Die Wanderroute Trilho dos Moinhos führt zu einem meiner Lieblingsorte in der Algarve. Eine grüne Idylle namens Barranco dos Pisões bei Monchique, in der man von fließendem Wasser und üppiger Vegetation umgeben ist
Eigentlich beginnt die Tour am Hauptplatz in Monchique und führt durch die schmalen Gassen im Zentrum Richtung Norden. Uns stehen jedoch 9,4 Kilometer mit 485 Höhenmetern bevor und da es um einen Ausflug in der Natur, nicht um einen Stadtrundgang geht, beschließen wir, etwas weiter zu fahren und den Spaziergang durch Monchique auf dem Rückweg zu unternehmen. Wir fahren am Hauptplatz vorbei, biegen kurz nach der Feuerwehr links Richtung Stadtzentrum und Rathaus ab und folgen wenig später dem Wegweiser Barranco dos Pisões nach rechts. An der Gabelung mit den Müllcontainern und dem zweistöckigen Haus stellen wir das Auto am Straßenrand neben dem Kastanienbaum ab. Am Strommast rechter Hand entdecken wir auch gleich die rot-gelbe Markierung für diese Route. Der Weg führt zwischen verfallenen Häusern, die dennoch vom Reichtum vergangener Zeiten deuten, und einer alten Steinmauer, die in Terrassen angelegte Gemüsegärten von der Straße trennt. Gleich nach der prächtigen Kamelie, die zu einem Baum herangewachsen ist, kommen wir zur Fonte da Mata-Porcas, eine von vielen Quellen, Bächen und kleinen Wasserfällen in der Serra de Monchique, die dazu führen, dass die Landschaft hier ewig grün ist. Weiter die Straße entlang und am Wasserreservoir vorbei, dringen wir in einen Wald mit imposanten Eichen und Kastanienbäumen ein. Wenn ich in Monchique bin, habe ich stets den Eindruck, die Algarve verlassen zu haben und mich in einer anderen Region zu befinden. Auch dieser Ausflug ist keine Ausnahme. Das unter meinen Füßen raschelnde Laub, die Eicheln und Kastanien erinnern mich an einen herbstlichen Waldspaziergang in Deutschland. Schmunzelnd denke ich dabei auch an die Kindergeschichte „Das Waldmännlein“, die ich in meiner Kindheit gelesen habe.
Einst spielten die Kastanien, die in der Algarve nur in Monchique – dem feuchten Mikroklima sei Dank – vorkommen, eine wichtige wirtschaftliche Rolle im Bezirk. Angesichts all der Kastanien, die heute hier herumliegen, ist es nicht mehr so. Niemand scheint sie zu sammeln.
Wir verlassen den Wald und wandern nun durch Eukalyptusgebiet. Dieses wurde beim letzten großen Waldbrand im Jahr 2018 hart getroffen. Hier und da entdecken wir zwischen den jungen Bäumen abgebrannte Stämme und der Farn hat sein sonst sattgrünes Kleid durch ein dunkel orangenes ersetzt. Dafür wachsen und gedeihen die jungen Eukalypten und haben bereits drei Meter Höhe erreicht. Ich bedauere, dass man nichts aus der Vergangenheit gelernt hat und den Brennstoff für den nächsten verheerenden Waldbrand wieder wachsen lässt. Das einzig Positive ist der Duft, der in der Luft liegt. Kurz darauf geht es erstmals seit Beginn der Wanderung bergab und wir atmen erleichtert auf. Der Pfad führt nun entlang enormer Korkeichen und Erdbeerbäumen. Wir pflücken einige der kleinen feuerroten Früchte, aus denen der beliebte Medronho-Schnaps gebrannt wird und entdecken am mit Moos bedeckten Wegesrand Pilze.
Eine Stunde nach Start erreichen wir Barranco dos Pisões. In Monchique ist einfach alles anders. Das üppig wuchernde Grün, das lediglich einige Lichtstrahlen durchblitzen lässt, der Duft, der in der Luft liegt und das strömende Wasser. Inmitten des Grüns genießen wir die Aromen der Serra und lauschen dem Plätschern des Wassers, das sich mit dem Gesang der Vögel vermischt. Selbst im Hochsommer strömt die Ribeira de Seixe hier schnell zwischen den Steinen und dem überall wachsenden Grün. Das Dickicht entlang des Wasserlaufes ist Lebensraum vieler Tiere. Darunter Eisvögel, Nachtigallen, Amseln und Eichelhäher, hispanische Ginsterkatzen, Füchse und Kaninchen sowie Fische, Frösche und Iberische Smaragdeidechsen. Das besondere Mikroklima ermöglicht es, dass neben der typischen mediterranen Vegetation auch Bäume und Pflanzen wachsen, die eigentlich in feuchteren Klimazonen zu Hause sind, wie die bereits genannten Kastanien und Kamelien sowie Platanen, von denen hier ein über 150 Jahre altes, prächtiges Exemplar zu sehen ist. Diese Morgenländische Platane nimmt den Ehrenplatz in der Anlage ein und steht unter Schutz. Schon vor circa hundert Jahren soll dieser idyllischer Ort Treffpunkt der Bewohner der umliegenden Dörfer gewesen sein. Mittlerweile wurde der Barranco dos Pisões vom Rathaus zu einer Picknickanlage ausgebaut.
Bevor wir weiter der Route folgen, machen wir einen kleinen Abstecher. Der Straße folgend erreichen wir etwa 200 Meter weiter die Wassermühle Moinho do Poucochinho. Die starke Strömung des Wasserlaufes führte dazu, dass entlang der Ribeira de Seixe mehrere Wassermühlen gebaut wurden. Erstens wurde hier Getreide gemahlen, weiterhin die aus Wolle hergestellten, dicken Decken mit Hilfe von Baumstämmen, sogenannte pisões, die am Schöpfwerk der Mühle angebracht wurden, weich geschlagen. Daher auch der Name des Ortes. Die Wassermühle, die früher Eigentum der Familie Poucochinho war, wurde vom Rathaus restauriert und wird nun ebenfalls als Picknickanlage genutzt. Ich bin der Ansicht, dass der Barranco dos Pisões ein idealer Drehort für Filme rund um Hobbits und Elfen wäre.
Zurück an der großen Platane folgen wir nun weiter der Route, die auf der anderen Straßenseite den Hang hinaufführt. Hier wurde vor Kurzem abgeholzt und der Weg ist fast nicht als solcher zu erkennen. In der Ferne hören wir das Geräusch von Motorsägen. Wenige Meter weiter vermissen wir an einer Gabelung die Wegmarkierung. Schließlich gelingt es uns unter dem Gestrüpp einen Stein zu entdecken, auf dem ein rot-gelbes Kreuz gemalt ist. Wir müssen also rechts bleiben und steigen weiter den Hang hinauf. Rund um uns erstrecken sich die Hügel, die das Gebirge Serra de Monchique und die natürliche Grenze zum Alentejo bilden. Ihnen ist es auch zu verdanken, dass die Küstengebiete weitgehend vom kalten Nordwind verschont bleiben. Am höchsten Punkt angelangt -sehen wir, wie einige Männer Eukalyptusbäume fällen und die Stämme stapeln. Ich frage mich, ob hier nun heimische, feuerfeste Bäume gepflanzt werden oder doch wieder dieser schnellwachsende Eindringling, der bereits so viel Leid verursacht hat…
Wenig später verlassen wir die Eukalyptusplantage und den Trampelpfad. Nun führt die Route an der Straße entlang und an abgelegenen Häusern vorbei bis wir den Barranco do Carvalho erreichen. Zwar vernehmen wir das Plätschern, aber den Bach sehen wir nicht und die Landschafft hier ist keineswegs mit der am Barranco dos Pisões vergleichbar. Laut Wanderführer befindet sich hier ein kleiner Wald aus Gemeinen Stechpalmen, eine unter Schutz stehende Pflanzenart, die in Südportugal äußerst selten vorkommt. Ich muss jedoch gestehen, dass wir keine einzige sehen. Entweder fehlt uns die botanische Kenntnis oder wir sind schon ziemlich erschöpft.
Dann erreichen wir die ersten Häuser von Portela das Eiras. Kurz darauf übersehen wir eine Wegmarkierung. An einer Gabelung mitten im Ort hätten wir rechts, an der Hauptstraße bleiben sollen, gehen aber geradeaus weiter und folgen somit der alten gepflasterten Straße, die Portela das Eiras und Sítio das Relvinhas mit Monchique verbindet. Diese verläuft praktisch parallel zur Route, führt aber nicht zum Kloster Convento Nossa Senhora do Desterro. In Monchique erklärt man uns, wie wir zum 1631 erbauten Kloster gelangen. Im selben Atemzug aber auch, dass sich der Anstieg nicht lohnt. Die schönen azulejos, die einst dort zu sehen waren, wurden von einem Mann, der dort hauste, abgerissen und an Touristen verkauft. Es sei nichts übriggeblieben und das Gebäude in sehr schlechtem Zustand.
Etwa dreieinhalb Stunden nach dem Start kommen wir am Hauptplatz von Monchique an. Der
schönste Abschnitt war der bis zum Barranco dos Pisões. Dort kann man eigentlich umkehren und zurücklaufen, denn der Rest der Route ist anstrengend, landschaftlich nicht sehr sehenswert und führt praktisch stets an der Straße entlang. Mit diesen Gedanken lassen wir uns auf einer sonnigen Terrasse nieder und genießen die assadura, in Fett frittiertes klein geschnittenes Schweinefleisch mit Olivenöl, Zitronensaft, Knoblauch und Koriander, dazu Pommes und Salat. Em Roma sê romano! (Man isst das wo man ist).
Text: Anabela Gaspar in ESA 01/2021
Fotos: Anabela Gaspar; Miranda Opmeer