Vor der Skyline von Armação de Pêra befindet sich ein weitläufiges Gebiet für einen gemütlichen Spaziergang, zu dem man sich besonders im Frühling hinreißen lassen sollte
Als meine Kollegin Anabela Gaspar mich Anfang Februar aus persönlichen Gründen bat, „ihren“ Ausflug zu übernehmen, hatte ich sofort meine Lieblingsroute im Kopf, die ich mit meiner Hündin Stella fast jedes Wochenende ausgiebig genieße. Ein Spaziergang ohne große Anforderungen, auf überwiegend breiten ebenen Sandwegen, der zu jeder Jahreszeit seine Vorzüge hat. Im Winter steht nach langen Regenfällen oftmals ein Teil der Ebene unter Wasser und man kann beim Durchlaufen schon mal nasse Füße bekommen. An den riesigen Regenpfützen sind viele Vögel zu beobachten, die nach Würmern und Insekten suchen oder ein Bad nehmen. Meine Stella liebt es, hier Häschen und Vögel aufzustöbern, an heißen Tagen in dem seichten Wasser der Ribeira de Alcantarilha eine kleine Abkühlung zu nehmen oder eine Runde mit den herrenlosen Hunden herumzutollen, die dieses Paradies ihr Zuhause nennen. Bienen bringen ihren kostbaren Blütennektar in die versteckten Kästen, die von Hobbyimkern aufgestellt werden, und Pferde grasen friedlich im Marschland. Selten begegnen mir Menschen auf dieser Strecke, hier und da Reiter, Hundehalter oder Radfahrer, die wissen wie unendlich viele Möglichkeiten es gibt, dieses über zehn Hektar große Areal zu erkunden.
Die meisten Spaziergänger laufen derweil über den nahegelegenen Holzsteg entlang der Salgados-Lagune, unwissend dass sich nur einige Meter entfernt ein unberührtes Kleinod befindet. Das mag daran liegen, dass Naturliebhaber die Skyline von Armação de Pêra abschreckt, mit der man automatisch konfrontiert wird, wenn man von der Lagune aus weiter in Richtung Westen läuft, und die immer wieder ins Blickfeld gerät. So hässlich man die Architektur dieser touristischen Hochburg auch empfinden mag, es ist ein Ort mit portugiesischer Seele, der seine Ursprünglichkeit nicht verloren hat. Das kann man aber nur herausfinden, wenn man in das Herz der Altstadt vordringt und sich von der typisch portugiesischen Geschäftigkeit treiben lässt. Während der Hochsaison beleben überwiegend Urlauber aus Nordportugal die Straßen, in den ruhigeren Monaten treffen sich hier Langzeiturlauber aus aller Herren Länder. Besonders unter Campern ist der Ort sehr beliebt.
Mein kleines Idyll, das ich dieses Mal nicht nur mit Leine sondern auch mit Kameraausrüstung durchstreife, liegt zwischen dem langen Sandstrand Praia Grande und der Landstraße M526. Zwischenzeitlich ist es immer wieder Gegenstand öffentlicher Diskussionen, da Investoren dieses Gebiet gerne für ein touristisches Großprojekt nutzen würden. Geplant ist ein Eco-Resort mit drei Hotels, zwei Wohnanlagen, einem Einkaufszentrum und einem 18-Loch-Golfplatz, das der jetzige Eigentümer, die Bank Millenium BCP, gerne an den Mann bringen würde. Doch alle Vorhaben sind bis dato aus Naturschutzgründen und Interessenkonflikten auf Eis gelegt und ich hoffe, dass es für immer so bleiben wird.
Ich genieße meine Runden, die ich stets individuell gestalte, da es zahlreiche Wege und Trampelpfade gibt, die sich immer wieder kreuzen, vorbei an alten Mühlen, Gehöften und Ruinen. Man kann den Spaziergang zum Beispiel am Parkplatz von Praia Grande beginnen und dem Verlauf der Ribeira de Alcantarilha folgen, der direkt bei Armação de Pêra ins Meer mündet, oder sich einen Startpunkt an der Hauptstraße bei Pêra suchen. Obwohl es keine Wegweiser gibt, kann man das Gebiet nicht verfehlen und sich keinesfalls verlaufen.
Zur jetzigen Jahreszeit ist die grüne Ebene übersät mit einem Meer aus den Blüten des Brautschleier-Strauches (Retama Monosperma). Diese weißblühende Ginsterart beherrscht das Areal über gut zwei Drittel der Gesamtfläche und ich kann mich kaum sattsehen an den langen weißen Rispen, die mich umgeben und einen intensiven Duft verströmen.
Auf meinem Weg begegnet mir der heimische Schäfer mit seiner relativ großen Herde aus Ziegen und Schafen. Er ist immer gerne zu einem Gespräch bereit und wir unterhalten uns einen Augenblick über Gott und die Welt. Seine Tiere dienen überwiegend zur Zucht, also Fleischproduktion, und nicht, wie ich im Stillen hoffte, für leckeren Käse. Als ich ihn frage, ob alle seine Tiere einen Namen haben, lacht er nur und stellt die Gegenfrage ob ich ein Foto von ihm machen wolle. Als ich ihm daraufhin den Abdruck seiner Herde und vor allem seiner Person in unserem Magazin in Aussicht stelle wird er sehr neugierig und ich muss ihm versprechen ein Exemplar vorbeizubringen. Dann wird er plötzlich unruhig und pfeift nch seinen Hunden, die sofort wissen was zu tun ist. Ich habe ihn wohl so abgelenkt, dass er ein wenig die Kontrolle über seine Herde verlor, die sich langsam aber stetig Richtung Straße bewegt. Er fragt ob ich ihm folgen würde, aber ich ziehe es vor das „Schäferstündchen“ zu beenden, zumal meine Stella an der Leine routiert, weil sie sehr gerne beim Eintreiben, vor allem der springenden blökenden Lämmchen, geholfen hätte.
Ich setze meinen Spaziergang langsam in Richtung Ausgangspunkt fort und frage mich – in Anbetracht der bevorstehenden Veröffentlichung – ob mir in Zukunft wohl mehr Menschen begegnen werden…!
Text und Fotos: Susanne Röhl in ESA 03/2019