Im Tragschrauber über die Ostalgarve fliegen und dabei eine fast uneingeschränkte Aussicht über eine beeindruckende und abwechslungsreiche Landschaft genießen, ist ein unvergessliches Erlebnis und absolutes Muss
Vor einigen Jahren bin ich bei einem Tandemsprung aus 4.300 Meter Höhe aus einem Flugzeug gesprungen. Damals dachte ich, „Was kann jetzt noch Spannenderes kommen?“. Die Antwort erhielt ich dank Pedro Cotovio von SkyXpedition, der Rundflüge im Tragschrauber, auch Girokopter genannt, über die Ostalgarve anbietet. Sein Stützpunkt liegt mitten im Naturschutzgebiet von Castro Marim und Vila Real de Santo António.
Pedro ist ein Vollblutabenteurer, der stets auf der Suche nach dem ultimativen Kick ist. Ende der 1990er bot er Touren im Heißluftballon an, danach Ausflüge in Pontonbooten auf dem Sado. 2005 überquerte er den Atlantik von Alcácer do Sal bis zu den Azoren in einem zehn Meter langen, motorisierten Schlauchboot. „Ohne Zwischenstopps in 46 Stunden“, so Pedro stolz, der mit diesem abenteuerlichen Unternehmen im Guinness Book aufgenommen wurde. Es folgten unter anderem Bootsausflüge im Raum Lissabon und Heißluftballontouren in Angola. „Zuletzt hatte ich einen ‚richtigen Job‘ als Manager in einer physiotherapeutischen Klinik. Ganz mein Geschmack!“, so Pedro gut gelaunt. Die „kleine Pause“ legte er ein, um die Familie zu unterstützen. Dann war es höchste Zeit für ein neues Abenteuer. Als sich Pedro auf den Weg nach Vila Real de Santo António machte, der Heimatstadt seiner Mutter, hatte er auch schon eine Idee im Gepäck: Rundflüge anbieten. „Die meisten Werbevideos für Reiseziele zeigen faszinierende Luftaufnahmen. Die für die Algarve sind keine Ausnahme. Doch dann hat man oft keine Möglichkeit, das Reiseziel tatsächlich von der Vogelperspektive aus zu entdecken. Ich finde dies ziemlich frustrierend. Natürlich gibt es Google Earth und Drohnen, aber die Perspektiven sind keineswegs mit denen bei einem Rundflug zu vergleichen!“, erklärt Pedro. Nur die Art des Fluggeräts stand damals noch nicht fest.
Erste Tests machte er mit einem Drachen-Trike, einem motorisierten Gleitschirm. Doch er kam zu dem Ergebnis, das dies nicht das geeignete Ultraleichtflugzeug für sein Vorhaben war und entschied sich für den Tragschrauber. Dieser gilt durch seine Konstruktion als eines der sichersten Fluggeräte und ist durch die Europäische Agentur für Flugsicherheit zertifiziert. Das besondere am Tragschrauber ist, dass der Rotor, der den Auftrieb erzeugt, selbst nicht durch Motorkraft angetrieben wird, sondern durch den Fahrtwind. Für den Vortrieb ist der Propeller im Heck verantwortlich. Da der Rotor passiv durch den Fahrtwind in Drehung versetzt wird (Autorotation), ist ein Ausfall des Antriebs, anders als beim Helikopter, relativ ungefährlich. Der Hubschrauber geht bei Motorausfall zur Autorotation über, aber eine Notlandung mit Autorotation gilt als sehr schwieriges Manöver. Der Tragschrauber dagegen befindet sich ständig in Autorotation, dadurch entfällt die beim Hubschrauber entstehende Umschaltzeit, in der der Hubschrauberrotor an Drehzahl verliert. Weitere Vorteile sind, dass der Tragschrauber nicht in Strömungsabriss geraten kann; im Vergleich mit Flächenflugzeugen kürzere Start- und Landestrecke braucht; anders als Hubschrauber und Flächenflugzeug, unempfindlicher gegen Turbulenzen ist und daher ruhiger fliegt. Zuletzt bietet kein anderes Flugzeug eine so tolle Rundumsicht. Ich kam aus dem Staunen nicht mehr heraus!
Seit Ende der 1980er Jahre nenne ich das Gebiet am Guadiana-Fluss meine Heimat. Ich kenne mich sowohl im Bezirk Vila Real de Santo António als auch in dem von Castro Marim sehr gut aus, unternahm viele Ausflüge und habe viel gesehen und erlebt. Aber was sich mir während des Rundfluges bot, war eine schöne neue Welt. Nicht eine wie die von Aldous Huxley in seinem gleichnamigen dystopischen Roman, sondern eine naturbelassene, atemberaubende Welt. In nur 15 Minuten ist es möglich gleich drei wichtige Naturschutzgebiete der Algarve zu überfliegen: Das Sapal de Castro Marim e Vila Real de Santo António, die Mata Nacional das Dunas de Vila Real de Santo António und die Ria Formosa.
Jedes der Naturreservate bietet eine andere Landschaft. Die Salzgärten rund um Castro Marim sind ein beeindruckendes Mosaik aus kleinen und großen Becken, die abhängend von der Salzkonzentration in unterschiedlichen Farben in der Sonne schimmern. Erst von der Luft aus ist man sich darüber bewusst, wie weitläufig das aus Nebenflüssen, kleinen Wasserläufen, Watt- und Sumpfgebieten bestehende Naturreservat ist sowie der Dimension und der Komplexität der von den Menschen angelegten Salinen. Inmitten der Salzgärten scheint Castro Marim samt Burg und Festung ein kleines Dorf zu sein.
Von der Vogelperspektive aus entfaltet sich dem Betrachter auch die komplette Schönheit der „Quadratestadt der Algarve“, die der Marquês de Pombal in Folge des Erdbebens von 1755 als Planstadt an der Mündung des Guadiana errichten ließ. Und ich sehe, dass Vila Real de Santo António praktisch komplett von Wasser umgeben ist. Am anderen Ufer liegt das spanische Ayamonte, ebenfalls von einem traumhaft schönen Wattgebiet umgeben. Dann fliegen wir über die Flussmündung und den Pinienwald direkt an der Küste von Vila Real, der als letztes Refugium der Chamäleons der Algarve gilt, über die weitläufigen Strände von Monte Gordo, Praia Verde und Altura und erreichen in Cacela Velha eines der Juwele der Algarve: die Ria Formosa. Das Lagunensystem samt vorgelagerter Inseln und Sandbänken ist Touristen, die mit dem Flugzeug in die Region reisen, bekannt. Aber bei Cacela Velha ist die Küste praktisch unbebaut und im Wasser liegen nur einzelne kleine Fischerboote. Auf den Sandbänken vor der kleinen Ortschaft sieht man lediglich eine Handvoll Badegäste. Selbst eine Strandbude ist weit und breit nicht zu sehen! Eine (fast) unberührte Natur, die mich ins Schwärmen bringt.
Mein erster Gedanke nach der Landung war: „Das musst du unbedingt wieder machen!“. Eine tolle Art meine Heimat einmal aus einer ganz anderen Perspektive zu sehen und ein unvergessliches Erlebnis, das ich allen empfehle.
SkyXpedition
Pedro Cotovio
Mob. 919 445 868
info@skyxpedition.com
www.skyxpedition.com
FB: SkyXpedition
Rundflüge: 10, 15, 30, 45 oder 60 Min; ab € 60
Vom Guadiana bis zur Insel Culatra im Westen und Alcoutim im Norden. Weitere Rundflüge und Startpunkte auf Anfrage möglich.
Fluggäste max. 2 m/120 Kg
Auch für Gehbehinderte zugänglich (Hebehilfe vorhanden).
Text und Fotos: Anabela Gaspar in ESA 10/2019


