Qualitätssymbole wie die Blaue Flagge, die in mehr als 50 Ländern vergeben wird, sind zu touristischen Aushängeschildern geworden. Doch was bedeuten sie genau? Wir wollen Klarheit in Portugals Dschungel der Umweltzeichen bringen
Hätte ich für jedes Mal wenn man mir sagte, „du lebst dort, wo andere gerne Urlaub machen würden“ einen Cent gespart, wäre ich schon längst reich! Ja, die Algarve hat ohne Zweifel traumhaft schöne Strände, von denen einige zu den schönsten weltweit gehören und viele wahre Postkartenmotive darstellen. Türkisfarbenes Wasser, das zwar nicht so warm ist wie das Mittelmeer, aber auch nicht so kalt wie an Portugals Westküste, feiner Sand, unendliche Dünen im Osten, -geheimnisvolle Buchten, feuerrote und goldene Sandfelsen in der Zentralalgarve und schroffe Klippen im Westen, Dolinen und Höhlen, in denen Kinder von versteckten Schätzen träumen, bizarre Felsen, die bei Sonnenuntergang golden schimmern. Hinzu kommt ein hervorragendes Klima, mit tausenden Sonnenstunden und leichter Atlantikbrise. Und, dass zu Beginn der Bade-saison Rathäuser und regionale Tourismusbehörden mit der Anzahl der in ihren Gebieten mit dem europaweiten Qualitätssiegel Blaue Flagge gekennzeichneten Strände um sich werfen. Jedes Jahr werden Rekorde aufgestellt. Dieses Jahr liegt Portugal weltweit auf Rang sechs der Länder mit den meisten ausgezeichneten Stränden. Es sind erstmals knapp über 350; in der Algarve hissten 88 Strände die Flagge. Neben dieser Auszeichnung, die weltweit von der Stiftung für Umwelterziehung FEE ins Leben gerufen wurde und auf nationaler Ebene von der Nichtregierungsorganisation Associação Bandeira Azul da Europa (ABAE) verliehen wird, gibt es zwei weitere Qualitätssiegel von zwei Umweltschutzorganisationen: Quercus zeichnet Praias de Ouro (Gold-Strände) aus und ZERO Praias Zero Poluição (Sauberste Strände). Die Anzahl der jeweiligen Qualitätssiegel stimmt allerdings nicht überein, obwohl teilweise dieselben Kriterien erfüllt werden müssen.
Was die Wasserqualität betrifft, beziehen sich die drei genannten Organisationen auf die in der europäischen Badegewässer-Richtlinie 2006/7/EG festgelegten Werte für die Parameter Escherichia coli und Intestinale Enterokokken. Diese in der Regel harmlosen Bakterien kommen im Darm von Mensch und Tier vor und gelangen mit fäkalbelastetem Abwasser in die Gewässer. Ihr Vorkommen ist also Indikator einer fäkalen Verschmutzung des Badegewässers. Auf der Basis der Ergebnisse der vergangenen vier Saisons, mindestens jedoch anhand von 16 Proben, wird mit Hilfe einer Perzentilberechnung die Qualität bestimmt. Dabei wird zwischen Binnengewässern und Küsten-, beziehungsweise Übergangsgewässern unterschieden.
Um als „ausgezeichnet“ eingestuft zu werden, dürfen Küstengewässer nur 100 KbE (Koloniebildende Einheiten) Intestinale Enterokokken pro 100 ml aufweisen und maximal 250 KbE Escherichia coli. Für eine „gute“ Qualität gelten die Grenzwerte 200 KbE beziehungsweise 500 KbE.
ABAE wendet genau diese Zeitspanne und die Grenzwerte für „ausgezeichnete Qualität“ an. Das heißt, nur Strände, deren Wasseranalysen in den letzten vier Saisons 100 KbE Intestinale Enterokokken pro 100 ml beziehungsweise 250 KbE Escherichia coli nicht überschritten, dürfen die Blaue Flagge hissen. Praias de Ouro mussten bislang über fünf Badesaisons eine „ausgezeichnete Qualität“ aufweisen. Doch weil es in den letzten Jahren während des Sommers immer häufiger zur Aussprache von zeitweiligen Badeverboten kam oder vorübergehend vom Baden abgeraten wurde, wird Quercus ab 2019 die Kriterien ändern: Kein Badeverbot in der vorherigen Saison und in den vieren davor ausgezeichnete Wasserqualität. Die zu erfüllenden Kriterien um als Praia Zero Poluição ausgezeichnet zu werden, sind strenger: Lediglich Strände, deren Wasseranalysen der letzten drei Badesaisons Null koloniebildende Einheiten aufwiesen, dürfen dieses Qualitätssiegel tragen. Daher fällt die Anzahl der Praias Zero Poluição viel geringer aus.
2018 durfte die Blaue Flagge an 89 Algarve-Strände gehisst werden (332 landesweit), 98 wurden als Praia de Ouro ausgezeichnet (342 landesweit) und nur 11 als Praia Zero Poluição (44). Dieses Jahr wehen entlang der Küste der Algarve 88 Blaue Flaggen, 87 Praias de Ouro und 11 Praias Zero Poluição. Landesweit sind es 352 beziehungsweise 375 und 44.
Obwohl bei den Praias de Ouro die Analysen aus einem längeren Zeitraum herangezogen werden, ist deren Anzahl höher als die, an denen die Blaue Flagge weht, da beim weltweiten Umweltzeichen neben der Wasserqualität weitere Kriterien hinsichtlich Umweltbildung, Umweltmanagement und Dienstleistungsgüte zu erfüllen sind. So sollten eine gute Sonderabfall-Entsorgung und Sanitäranlagen am Strand vorhanden sein, aber auch geschulte Rettungsschwimmer müssen den Strand sichern und Erste Hilfe muss gewährleistet sein. Außerdem sollten am Strand Informationen über die Umwelt der Küstenzone, Verhaltensregeln und das Programm Blaue Flagge selbst ausgestellt sein sowie Umweltaktivitäten angeboten werden.
Die geringere Anzahl der Blauen Flagge kann auch dadurch erklärt werden, dass sich die Gemeinden für den Verleih dieses internationalen Qualitätszeichens bewerben müssen. Schätzungen zufolge kostet die Aufrechterhaltung der Zertifizierung jährlich einen fünfstelligen Betrag und nicht alle Gemeinden verfügen über volle Kassen. Andere Gemeinden stimmen den Kriterien nicht zu und reichen deswegen keine Bewerbung ein, so beispielsweise schon seit mehreren Jahren Sintra.
Um die Auszeichnungen der beiden Umweltschutzvereine müssen sich Rathäuser hingegen nicht bewerben. Sowohl Quercus als auch ZERO ziehen dafür über die portugiesische Umweltagentur APA die Wasseranalysen der jeweiligen regionalen Hydrographischen Behörden heran.
Die Anzahl der jährlich ausgezeichneten Stränden ist nie gleich. Einige kommen hinzu, andere werden gestrichen. Dieses Jahr verlor der Strand Pintadinho bei Ferragudo die Blaue Flagge. Albufeira erhielt sie zwar für seine 25 Strände und ist weiterhin der Bezirk mit den meisten Praias de Ouro (18), doch vier verloren diese Auszeichnung. Im Raum Lagoa verloren fünf Strände das Umweltzeichen Praia de Ouro, in Portimão waren es drei, um nur einige Beispiele zu nennen. Das Qualitätssiegel Zero Poluição mussten drei Strände bei Aljezur einbüßen, dafür wurde dort dieses Jahr der Strand Vale Figueiras ausgezeichnet. Vila do Bispo (5) und Tavira (3) sind unter dem nationalen Top 5 der Bezirke, mit den meisten Praias Zero Poluição.
Wieso die Strände die Auszeichnung verlieren wird selten oder nie erklärt. Bei der Blauen Flagge besteht die Möglichkeit, dass das zuständige Rathaus sich nicht mit dem betroffenen Strand um die Auszeichnung beworben hat, was nicht weiter besorgniserregend ist. Die andere Erklärung ist, dass der Strand die Auszeichnung verlor weil die Qualität des Wassers nicht die nötigen Kriterien erfüllte. Wenn dies so sein sollte, müssten die Badegäste auf jeden Fall darüber informiert werden. Schließlich ist es gesundheitsgefährdend in mit E-Coli verseuchten Gewässern zu baden.
Immer mehr Algarve-Strände hissen auch die Flagge Praia Acessível, die 2003 im Rahmen des europäischen Jahres der Menschen mit Behinderung ins Leben gerufen wurde. Sie kennzeichnet Strände, die für Gehbehinderte oder Menschen mit eingeschränkter Mobilität zugänglich sind. Folgende Kriterien müssen erfüllt werden: Fußgängerwege, reservierte Parkplätze, Zugang zum Strand über Rampe oder Steg und Erste Hilfe, behindertengerechte WCs und ausgebildete Bademeister. Die meisten dieser Strände verfügen auch über spezielle, wassertaugliche Rollstühle, mit denen behinderte Strandbesucher sich im Atlantik erfrischen können. Landesweit gibt es 204 behindertengerechte Strände, in der Algarve 45.
Egal ob in der Sand- oder Felsenalgarve, der absolut perfekte Strand ist also ein Zero Poluição Strand, der über Rettungsschwimmer und Erste-Hilfe verfügt und auch für Gehbehinderte zugänglich ist.
Text: Anabela Gaspar in ESA 07/2019
Fotos: ESA-Archiv