Schwereloses Schweben auf dem Wasser
Mitten im Naturreservat des Sumpfgebiets von Castro Marim und Vila Real de Santo António befindet sich eine gelungene Mischung aus traditioneller Salzgewinnung, Erlebnis-Tourismus, Gesundheit und Wellness
Auf den ersten Blick sieht das Gelände karg und trocken aus. Doch hinter dem Salzlager eröffnet sich die Wohlfühlwelt der Saline Barquinha: Eine hölzerne Pergola sorgt dafür, dass das „Wohnzimmer der Anlage“ Schatten bekommt; hier finden Veranstaltungen statt und gleich vor der Terrasse befinden sich die Salzbadebecken. Nebenan verströmt ein kleiner Biogarten angenehmen Duft, der sich mit der Frische des nahen Guadiana-Flusses mischt. Dies ist das Reich von Pedro Rosa und Luís Horta Correia. Beide sind Salzbauern aus Familientradition, aber vor allem aus Überzeugung. Ihr Unternehmen heißt Água-mãe, Mutterlauge, benannt also nach der Flüssigkeit, die nach der Verdunstung als eingedickte, starke natürliche Sole zurückbleibt.
Vor hundert Jahren hatte ein Urgroßvater der jetzigen Besitzer hier bei Castro Marim mit der Salzgewinnung begonnen. Die folgenden Generationen führten den Betrieb zunächst fort, wandten sich aber später aus wirtschaftlicher Not anderen Berufen zu und die Saline blieb verlassen zurück. Vor drei Jahren entschlossen sich Luís Horta Correia und sein Schwager Pedro Rosa, das Familienunternehmen neu zu beleben. Gut tausend Tonnen Schlamm und Geröll mussten weggeschafft werden, durchaus auch ein symbolischer Akt. Gelder aus dem landwirtschaftlichen Entwicklungsfonds PRODER halfen, den traditionellen Algarve-Produktionszweig zu fördern. Heute gehören Rosa und Horta Correia zu den größten Produzenten in der Region mit 135 Verdunstungsbecken.
Das wesentliche Kapital der Saline sei aber ihre geografisch schöne Lage. Pedro Rosa erzählt, die Familie habe sich lange darüber Gedanken gemacht, wie man diesen Vorteil nutzen könne. „Die Saline auch als Therapie- und Entspannungszentrum zu nutzen, war dafür die richtige Entscheidung“, bekräftigt Pedro Rosa. Das war gar nicht so leicht. Die Produktionsstätte für Salz mit einem touristischen Projekt zum Erleben und Erlernen und einer Gesundheits- und Wellnesskomponente zu verbinden, sei schwierig gewesen, erzählen die Besitzer, denn die Kombination solcher Aktivitäten sei in den amtlichen Vordrucken nicht vorgesehen: „Wenn jemand etwas nie Dagewesenes präsentiert, dann weiß unser Staat nicht, nach welchen Kriterien er das prüfen und genehmigen soll“, meint Luís Horta Correia. Aber irgendwie hat er es dann doch geschafft.
Die Saline Barquinha dient seit wenigen Wochen nicht mehr allein der Salzproduktion. Sie ist ein Natur-Spa, eine Wellnessanlage unter freiem Himmel: Zwei Becken von etwa neun mal fünfzehn Metern Größe stehen für Bäder in gesättigtem Mineralsalzwasser und in therapeutisch wirksamem Schlamm bereit. Die Salzkonzentration liegt bei 20 Grad Baumé (diese Maßeinheit für die Dichte von Flüssigkeiten entspricht nahezu den Werten des Toten Meeres und ist gut achtmal so hoch wie im Mittelmeer. Das führt dazu, dass man in dem Wasser nicht schwimmt, sondern schwebt als befände man sich in der Schwerelosigkeit. Der Körper treibt wie ein Korken auf der Wasseroberfläche. Dieser Zustand wird Floating genannt. Die Last des eigenen Körpergewichts entfällt.
Die Wassertemperatur beträgt morgens 29 Grad und steigt zum Ende des Tages auf über 34 Grad. Das entspricht nahezu der menschlichen Außenhauttemperatur. Man nimmt kaum einen Temperaturunterschied wahr und empfindet kaum Wärme oder Kälte. Der Körper ist ideal temperiert und muss keine Energie aufwenden, um Temperaturschwankungen auszugleichen. Dies, die absolute Stille der geschützten Umgebung und das Gefühl, vom Wasser getragen zu werden, helfen Körper und Geist sich vollkommen zu entspannen.
„Das Salinarwasser ist extrem reich an Mineralien, Magnesium, Kalium, Jod und Eisen“, sagt Pedro Rosa. Das Salz wirkt für die Haut wie ein natürliches Peeling und das Solebad erhält den natürlichen Feuchtigkeitshaushalt der Haut. Während ein normales Bad den Körper austrocknen kann, lagert sich das Salz auf der Hautoberfläche ab und bindet dort die Feuchtigkeit. Auch die Schlammbäder wirken kosmetisch und therapeutisch, denn wenn der Schlamm auf der Haut trocknet, nimmt er mit der Feuchtigkeit der Haut auch Unreinheiten auf“, erklärt die Naturtherapeutin Sofia Pimentão, die die Gäste bei der Suche nach der richtigen Anwendung berät. “Stellen Sie sich vor, statt in einen Jacuzzi zu steigen, setzen Sie sich in ein Schlammbad in den Salinen“, sagt sie. „Das tut den Muskeln so gut, dass zum Beispiel Sportler hier ihre Leistungsfähigkeit besser herstellen können als mit jeder anderen Behandlung.“
Noch eine weitere Aufgabe wird hier erfolgreich bewältigt: Viele Menschen kennen den Unterschied zwischen Industriesalzen und dem reinen, natürlichen Meersalz nicht, hat Luís Horta Correia über die Jahre hinweg erfahren. Doch „wenn man das Salz, seine Eigenschaften und seine Wirkung zu einer direkten körperlichen Erfahrung macht, dann spricht das Erlebnis für sich.“ Deshalb ist nicht nur das Bad, sondern die gesamte Saline dem Publikum zugänglich, bei Führungen wird die Geschichte des Salzes, seiner Gewinnung und Verwendung erläutert.
Viele Besucher fragen dann nach dem, was seit einigen Jahren in keiner guten Küche als Zutat fehlen darf: Die Salzblume, ‚Flor de Sal‘. Ihre Gewinnung hat vor allem mit Geduld und Genauigkeit zu tun: Flor de Sal bildet sich an heißen windstillen Tagen als hauchdünne Schicht an der Wasseroberfläche und wird von Hand mit einer Holzschaufel abgeschöpft. Eigentlich sei das einfach, meint Pedro Rosa. Bevor die Salzblume als kulinarisches Kleinod entdeckt wurde, so erläutert der Salzbauer, wurde die feine Schicht „auf der Oberfläche leicht angestoßen, damit sie nach unten sinkt und sich dort zu grobem Salz formt.“ Dieses andere, das grobe Salz, verlange Kraft und Technik bei der Ernte, um die Kristalle zu brechen, ohne dabei den Schlamm aufzuwirbeln, der sich darunter sammelt.
Die Anlage entwickelt sich zu einer touristischen Größe im Kreis Castro Marim. Nicht nur Menschen aus dem Umland interessieren sich für die Arbeit der Salzbauern, Besucher kommen von weit her. Und sie sehen auch, welche Rolle eine Saline für die Natur spielt: Im Bereich der Anlage nisten zahlreiche Vögel, die von Pedro Rosa und seinen Kollegen ornithologisch kundig vorgestellt werden. Ganz besonders beliebt ist auch die Teilnahme an der Salzernte, die den Besuchern eine ihnen gänzlich unbekannte Welt eröffnet und sie auch viel Neues über die Bedeutung des Wetters und der Gezeiten lehrt. Dass dies eine ganz eigene Wissenschaft ist, beweist Pedro Rosas Mitarbeiter Alcino, der das Wetter in den ersten beiden Wochen nach dem Jahreswechsel genau beobachtet und auswertet und danach den exakten, vom Wetter abhängigen Arbeitsplan für das ganz Jahr bestimmt „und das funktioniert immer“, staunt selbst der Chef.
Salina Barquinha
Salinenbesichtigung, Kunsthandwerk, Workshops, Yoga, Meditation, Reiki
(für Behandlungen ist eine Reservierung ratsam)
Castro Marim
GPS: N 37°12’50.00“ – W 27°26’10.1“
Tel. (+351) 965 404 888
turismo@aguamae.pt
www.aguamae.pt
Text: Bruno Filipe Pires
ESA 09/15