Auf den Spuren der Mauren
Portugal blickt auf eine lange, reiche Geschichte zurück. Die Völker, die einst hier hausten, hinterließen viele Spuren. Silves gehört sicher zu den Städten mit dem größten historischen Erbe – vor allem aus der Zeit, in der die Region unter muslimischer Herrschaft lag und Silves eine der wichtigsten Städte der Iberischen Halbinsel war
Die Burg von Silves ist heute fast so uneinnehmbar wie zu Zeiten der Mauren. Das Tor steht Besuchern zwar offen – gegen einen Eintrittspreis –, aber Parkmöglichkeiten in der Nähe sind Mangelware. Eine halbe Stunde fuhren wir durch die schmalen Gassen, gaben es dann auf und parkten am Fluss.
Die ersten Eindrücke sammeln wir am Platz Praça Al-Mutamid, benannt nach dem ehemaligen maurischen Herrscher. Mit den Statuen aus verschiedenen Steinarten wie Marmor und Grés, dem roten Sandstein aus Silves, die dort zu sehen sind, ehrt der Bildhauer António Quina die Bewohner von Xelb, wie Silves zu Zeiten der maurischen Besetzung hieß. Während die Einwohner heute stolz auf ihre islamische Vergangenheit zurückblicken, kam es damals zwischen Christen und Mauren zu blutigen Auseinandersetzungen. -Einer der Hauptakteure dieser war der König D. Sancho I. Im Rahmen der Reconquista belagerten er und seine Kreuzritter Mitte Juli 1189 die Burganlage. Berichten zufolge war es eine sehr gewalttätige Belagerung, bei der schweres Geschoss zum Einsatz kam, das mehrere Türme und Teile der Stadtmauer zerstörte und zur Kapitulation der Siedlung am 2. September führte.
D. Sancho I, seine Kreuzritter, der maurische Herrscher Al-Mutamid und weitere Mauren wurden 2016 ebenfalls an diesem Platz verewigt, und zwar an einer Mauer gegenüber der städtischen Bibliothek. Zuständig für das Mural waren die Graffiti-Künstler Hélder José und Filipe Gusmão. Wenige Meter weiter stellen wir mit Freude fest, dass das Haus Nr. 25 in der Rua Cruz de Portugal derzeit renoviert wird. Es ist ein wunderschönes, in hellblauen Fliesen mit Blumenmotiven verkleidetes, zweistöckiges Haus, das jahrelang dem Verfall überlassen war. Die Straße verdankt ihren Namen einem in Stein gemeißeltem Kreuz am Ende dieser Straße am Platz vor dem Gericht, das seit 1910 als nationales Denkmal eingestuft ist. Ein genaues Erstellungsdatum steht nicht fest. Die Theorie mit den meisten Anhänger ist, dass das Cruz de Portugal ein Geschenk von König D. Manuel I. an Silves war, als dieser die Stadt im Rahmen der Überführung der Leiche von D. João II. von der Kathedrale zum Mosteiro da Batalha 1499 besuchte. Im Sockel ist allerdings das Jahr 1824 eingeritzt. Das etwa drei Meter hohe Kreuz aus weißem Kalkstein zeigt auf einer Seiten Jesus Christus am Kreuz und auf der anderen die Heilige Mutter mit ihrem Sohn in den Armen. Der Name Cruz de Portugal könnte darauf hindeuten, dass das Kreuz von außerhalb der Algarve stammt, da es damals das Königreich von Portugal und der Algarve war; oder auch weil es an der Straße nach „Portugal“ stand. Nachdem das Kreuz an verschiedenen Stellen von Silves stand, unter anderen in den 1940er Jahren neben der Kathedrale, steht es seit 1957 nahe der ursprünglichen Stelle.
Vom Al-Mutamid-Platz schlendern wir gemütlich bis zum Largo do Município unterhalb des Rathauses, an dem sich die Porta da Almedina und der Pelourinho befinden. Das prachtvolle Gebäude des Rathauses, dessen Bau Ende des 19. Jh. begann und erst in den 1930er Jahren fertiggestellt wurde, ist ein Zeuge des Reichtums der Stadt, als die Industrialisierung hier Einkehr fand und Silves sich entwickelte. Aus dem 18. Jh. stammt der kleine Pranger, an dem Verurteilte angebunden und der allgemeinen Verachtung ausgesetzt wurden. Dieser ist leicht zu übersehen, denn direkt hinter ihm erhebt sich imposant der Torreão das Portas da Cidade, auch Porta da Almedina genannt. Dieser Turm ist der einzige der drei ehemaligen Eingänge zur Medina, der nicht der Zeit – und den Angriffen – zum Opfer fiel.
Von diesem Nationaldenkmal schlendern wir zum nächsten: Die Kathedrale, vor deren Eingang sich die cardo maximus und die decumanus kreuzten, die beiden Straßen, die während der römischen Herrschaft die Hauptverbindungen der Stadt waren. Der Bau der Sé Velha wurde während der Herrschaft von König Afonso III. Mitte des 13. Jh. in Angriff genommen – möglicherweise an der Stelle der alten Moschee – und war ein Jahrhundert später immer noch nicht fertiggestellt. Daher auch die Mischung aus Gotik und Barock. Im 15. Jh. wurde die Kathedrale noch einmal umgebaut, wobei man auf einen schlichteren Stil setzte – eventuell auch weil die finanziellen Mittel der Diözese begrenzt waren.
Direkt gegenüber dem Haupteingang der Kathedrale fängt das kleine Seitenportal der Igreja da Misericórdia die Blicke der Aufmerksamen ein. Laut dem Historiker Manuel Ramos stammt es aus den 20er Jahren des 16. Jh. und ist ein gutes Beispiel für die sogenannte „naturalistische Schule”. Die Türpfosten und der Türsturz sind wunderschön geschnitzt, mit knorrigen Stämmen und üppigem Laubwerk. Eine Hymne an die Natur, an der auch zwei menschliche Gesichter, aus deren Mündern dicke Pflanzenstängel herausragen, zu sehen sind. Ein lokaler Bildhauer erklärte uns vor einigen Jahren, dass es sich um Bananen handelt, die die Portugiesen 1500 mit der Entdeckung von Brasilien erstmals gekostet hatten und von denen sie begeistert waren.
Weiter oben durchqueren wir die Eingangspforte zum aus rotem Sandstein erbauten Castelo dos Mouros, das, zusammen mit der Stadtmauer, ebenfalls seit 1910 als Nationaldenkmal eingestuft ist. Die Stadtmauer – die noch an einigen Stellen sichtbar ist – soll aus dem 11. Jh. stammen und diente dem Schutz einer circa 10 Hektar großen Medina. Damals war die Iberische Halbinsel in mehrere unabhängige Staaten, die sogenannten Taifas, aufgeteilt und Silves war unter der Herrschaft von Al-Mutamid für längere Zeit Hauptstadt des maurischen Taifa-Emirates der Algarve. Mit der Ankunft der Almohaden Mitte des 12. Jh. gewann die Stadt noch weiter an Bedeutung und Pracht. Vor allem die alcáçova, d. h. die Siedlung innerhalb des Kastells, in der die Elite lebte. Die Almohaden waren die ersten, die in die Höhe bauten. Im Kastell sind die Ruinen eines zweistöckigen Almohaden-Palastes zu sehen. Es ist schwer vorstellbar, dass an dieser Stelle ein Palast stand. Von dem daneben angebrachten Schild entnimmt man lediglich, aus wie vielen Räumen der Palast bestand und dass die sogenannte alcova durch die Nachbildung der verzierten Torbögen und Säulen gekennzeichnet ist. Die alcova war der Hauptraum des Palastes, in dem der Herr des Hauses seine Gäste und Geschäftspartner empfing, seine Mahlzeiten einnahm und sich ausruhte. Ein Zeichen dafür, dass in der Burg von Silves reiche Menschen lebten, sind zudem die Ruinen privater statt öffentlicher Bäder.
Ein gutes Beispiel für die Baukunst der Muslimen ist auch das algibe. In Silves soll ein aus mehreren Kanälen und Schöpfrädern bestehendes System, das Wasser vom Fluss und vom Brunnen, der im Archäologie-Museum zu sehen ist, zur Burg geleitet haben. Gespeichert wurde es im algibe, einem 820 Quadratmeter großen Reservoir mit einer Kapazität von 1.300.000 Kubiklitern. Auch während eines feindlichen Angriffes war die Wasserversorgung der Bewohner der Medina und der alcáçova für Monate gesichert. Derzeit ist in diesem unterirdischen Reservoir eine Ausstellung zum Iberischen Luchs zu sehen. Nicht uninteressant, aber dennoch verdient dieser beeindruckende Bau eine ehrwürdigere Ausstellung.
Nach einem kleinen Rundgang durch die Burg, verabschieden wir uns von D. Sancho I., dessen Skulptur am Eingang Wache hält. Übrigens fiel Silves nur zwei Jahre nach seinem blutigen Angriff wieder in die Hände der Mauren. Die Gegenoffensive der Almohaden unter dem Befehl des Kalifen Almançor im Jahr 1191 führte zum Verlust aller christlichen Eroberungen in den Gebieten südlich des Tejo-Flusses – einzige Ausnahme war Évora. Im Jahr 1242 versuchten die Ritter des Santiago-Ordens unter dem Kommando von Paio Peres Correia, Silves zurückzuerobern, das jedoch erst unter der Herrschaft von König Afonso III. im Jahr 1253 endgültig in portugiesische Hände zurückkehrte.
Im Archäologie-Museum, das unterhalb der Kathedrale liegt, sind tausende Fundstücke zu sehen, die bei Ausgrabungen in der Burg, der Stadt und der Umgebung entdeckt wurden und die Geschichte von Silves von der Altsteinzeit bis zum 17. Jh. erzählen. Vor allem die muslimische Herrschaft, die vom 8. bis zum 13. Jh. reichte, ist reichlich dokumentiert. Besucher sollten sich nicht wundern, wenn sie plötzlich inmitten der Fundstücke ein rotes Spielzeugauto entdecken. Es handelt sich um Werke des Künstlers Charlie Holt, die Teil einer Ausstellung in mehreren regionalen Museen sind und der damit zeigen will, auf was für Fundstücke Archäologen in Zukunft stoßen könnten. Zentralstück und Perle des Museums ist der Almohaden-Brunnen aus dem 12. oder 13. Jh., um den der Architekt das Gebäude geplant hat. Der Brunnen ist 18 Meter tief und eine Treppe führt um in ihn herum hinab. Eine Besichtigung ist nur nach vorheriger Absprache möglich (Tel. 282 440 838).
Nachdem wir das historische Erbe und die Denkmäler von Silves erkundet haben, beschließen wir durch die Gassen hinab zum Fluss zu schlendern. Dabei fällt uns auf, dass die Stadt aus der Ferne ein schönes Postkartenmotiv bietet, doch beim näheren Betrachten das schöne Bild einige Makel aufweist. Die Burganlage und die Stadtmauer sind gut erhalten, dafür sind leider viele der Häuser dem Verfall überlassen. Selbst die Herrenhäuser nahe der Markthalle, in deren Erdgeschosse sich einige gut besuchte Cafés befinden, oder das Palais der Viscondes de Lagoa bei der Post, die im Stadtplan als Sehenswürdigkeiten gekennzeichnet sind, fallen der Zeit zum Opfer. Apropos Markthalle: Die Renovierungsarbeiten sind fast durch und die nun gelb gestrichene Markthalle sieht noch schöner aus. Direkt daneben wurde jedoch einer deutschen Lebensmittelkette erlaubt, einen Glas- und Betonklotz zu bauen, der wirklich nicht ins Stadtbild passt.
Text und fotos: Anabela Gaspar in ESA 12/2021