Nördlich von Odiáxere befindet sich der Bravura-Stausee. Eine Oase mit ruhigem Gewässer, das von sanften Hügeln, engen Tälern und einer Vielzahl von Pfaden eingerahmt wird
Die nächsten Wochen sollten eine besinnliche Zeit werden. Doch wir wissen, dass die Vorweihnachtstage wegen der noch zu erledigenden Einkäufe eher die chaotischste Zeit des Jahres sind. Daher schlagen wir einen Ausflug vor, der zur Entspannung in frischer Luft mit einer herrlichen Landschaft einlädt.
Um zum Bravura-Stausee zu gelangen folgen wir an der Ampel-Kreuzung im Ortskern von Odiáxere dem Schild Barragem. Wir fahren durch den Ort, an der Windmühle vorbei und folgen kurz darauf dem Wegweiser Barragem. Man sollte sich auf keinen Fall auf die vom Navigationssystem oder von Google Maps angegebenen Routen verlassen. Diese geben merkwürdigerweise längere Varianten an; noch dazu teilweise über Schotterstraßen und Pfade, die nicht befahrbar sind! Bleiben Sie stets auf der EN 125-9 und folgen Sie den beiden weiteren Schildern. Nach knapp neun Kilometern erreicht man das nach einem Lied der Beatles benannte Restaurant Hello Goodbye, das im November leider geschlossen war. Vom Parkplatz genießt man einen wunderschönen Panoramablick über den Stausee. Dann gilt es, den am Gebäude angebrachten, gelben Schildern mit der dreisprachigen Aufschrift „Walking to the Wall/Staudamm/Barragem“ zu folgen. Dies sind allerdings die einzigen Wegweiser entlang dieser Wanderung. Die Route ist nicht ausgeschildert und bedarf, wegen der vielen Pfade, die zur Wahl stehen, etwas Orientierungssinn. Wer sich unsicher ist, keine Lust auf Anstiege hat oder einfach nur am Wasser entlang spazieren will, kann nach knapp vier Kilometern, am Ende des Uferweges, auf demselben Weg zurückkehren. Dies ist auch ohne Zweifel der schönere Abschnitt der Route. Wir folgen den gelben Schildern und kommen, nach einem Abstieg auf Steinstufen und einem Trampelpfad zur Staumauer. Sollte einem dieser Weg zu steil sein, kann man weiter der Straße bis zum zweiten Parkplatz folgen und von dort bis zur Staumauer gehen.
In den 1950er Jahren gebaut, wurde der Barragem da Bravura, zu Deutsch Stausee der Tapferkeit, 1958 in Betrieb genommen und diente der landwirtschaftlichen Bewässerung zwischen Lagos und Portimão. Das Wasser wird über ein 100 Kilometer langes Netz aus Bewässerungskanälen geleitet, den sogenannten levadas, die beispielsweise bei Mexilhoeira Grande direkt entlang der EN125 verlaufen. Seit 1981 dient er auch der städtischen Wasserversorgung im Kreis Portimão. Mit einer Größe von etwa 285 Hektar reicht der Stausee von der Gemeinde Bensafrim im Bezirk Lagos, bis Marmelete in Monchique. Wir gehen über die 41 Meter hohe imposante Staumauer und biegen am Ende nach links auf den Trampelpfad am Ufer ab. Sollte es die Tage vorher stark geregnet haben, empfiehlt es sich festes Schuhwerk – eventuell sogar Gummistiefel – zu tragen, denn es kann matschig werden. Mit Ausnahme der Staumauer – und zwei Privathäusern fern am anderen Ufer – führt die Route an keinem weiteren Bauwerk vorbei. Man ist von Wasser, Hügeln und Vogelgezwitscher umgeben. Also tief einatmen, die Ruhe, die frische Luft und den Duft der Eukalyptusbäume genießen.
Laut dem Raumordnungsplan des Stausees waren die Hügel in dieser Gegend früher von Korkeichen bewachsen. Nun sind diese eine Seltenheit. Gleich zu Beginn sind noch einige Erdbeerbäume am Wegesrand zu sehen, danach führt der gesamte Ausflug durch eine Eukalyptusplantage. Zwischen den Stämmen der Riesen aus Australien blühen zu dieser Jahreszeit die Baumheiden. Im Januar dürften dann auch die Lackzistrosen ihre weißen Blüten tragen. Eukalyptus mag derzeit ein unbeliebter Baum sein, da er im vergangenem Sommer wieder für die Hölle in Monchique sorgte und zu enormen Sach- und Umweltschäden beitrug, aber er verströmt einen herrlichen Duft, der hier am Stausee stark in der Luft liegt.
Die Sonne scheint, das Wasser bildet einen reizvollen Kontrast zum Uferrand und den Hügeln, die diese Gewässer umgeben, und bei Windstille ist die Spiegelung der Wolken im Wasser einfach traumhaft schön. Wir wandern stets dem linken Pfad am Wasser folgend im Schatten der enormen Eukalyptusbäume, deren Äste immer wieder den Blick auf den Wasserspiegel frei geben, und halten Ausschau nach einem der vielen Tiere, die hier ihren perfekten Lebensraum gefunden haben. Unter den Amphibien findet man Erdkröten, Spanische Wassermolche, Westliche Schlammtaucher, Iberische Wasserfrösche und Feuersalamander. Auch Reptilien wie die Maurische Bachschildkröte, der Algerische Sandläufer, die Iberische Smaragdeidechse und die Perleidechse oder die ungiftige Schlangenart Vipernatter leben hier. Der Stausee wird oft auch von Stockenten und Kormoranen aufgesucht. Zudem können dort Seiden- und Graureiher gesehen werden sowie Blässhühner und Eisvögel. Im Gebiet rund um den Stausee kommen einige interessante Säugetiere vor, wie der Fischotter, der Ichneumon, die Kleinfleck-Ginsterkatze, das Mauswiesel, der Europäische Dachs oder der Europäische Iltis. Doch hier, in der Eukalyptusplantage, werden wir diese sicher nicht treffen.
An der Landspitze, die sich schmal in den See erstreckt, sehen wir drei Stand Up Paddler. Nicht motorisierte Wassersportarten sind hier erlaubt, genauso wie Angeln. Allerdings muss man für Letzteres eine Lizenz für Binnengewässer (Licença de Pesca lúdica em Águas Interiores/Doces) erwerben. Residenten können dies problemlos am Geldautomaten erledigen, Touristen müssen sich an eine Zweigstelle des Naturschutzinstituts ICNF wenden (www2.icnf.pt/portal/pesca/pescludica/licencas).
Der Uferweg endet nun und der Pfad führt den Hügel hinauf an der Eukalyptusplantage entlang. Seit 2010 nimmt der Eukalyptus, trotz erhöhtem Waldbrandrisiko, den Großteil an Portugals Wäldern ein. Zwar wurde im Sommer 2017 eine neue Forstreform erlassen, deren umstrittenste Maßnahme der Verbot von neuen Eukalyptusplantagen war, doch hier sieht man am gesamten Hügel junge Bäume wachsen. Das liegt daran, dass die Eukalyptus-Fläche laut der nationalen Waldstrategie bis 2030 nicht erweitert werden soll, aber neue Bäume auf bereits bestehenden Plantagen gepflanzt werden dürfen. Dennoch wurden vergangenes Jahr weitere 18.000 Hektar Eukalyptus angepflanzt (86 % der gesamten Aufforstungen), weit mehr als in den Jahren davor. Pinien stellten 3,9 % (825 h) der Aufforstungen und Korkeichen 1,9 % (402 h) dar. Laut Umweltschützer lag dies an einem Wettlauf der Eukalyptusplantagen-Wirtschaft bevor die Forstreform im Februar 2018 in Kraft trat.
Kurz nach der Landspitze, zu Beginn des Anstieges, führen zwei Pfade den Hügel hinauf. Beide treffen an der Hügelspitze aufeinander. Wir entscheiden uns für den schmalen Pfad links, da dieser schöner ist und im Schatten der Bäume verläuft. Oben angekommen gibt es nach wenigen Metern eine weitere Gabelung, hier folgen wir dem rechten Weg. Entlang der nächsten Meter folgen in kurzen Abständen drei Gabelungen aufeinander. Wir folgen jeweils dem linken Pfad und bleiben somit stets am Rande des Waldes. Dann kommen wir zu einer Kreuzung, an der zwei Wege nach rechts führen. Wir nehmen den ganz rechten und wandern nun durch den Wald. Bei der nächsten Gabelung halten wir uns rechts und bleiben erneut am Waldrand. Nach wenigen Metern führt der Pfad links weiter am Wald-rand, während ein schmaler Weg durch den Eukalyptus rechts führt. Wir bleiben am Waldrand und können kurz darauf durch die Bäume wieder den Stausee in der Ferne sehen; daher laufen wir rechts hinunter. Kurz darauf führt ein schmaler Fußweg rechts ab – den wir ignorieren – und gleich danach folgt eine Kreuzung, bei der wir den rechten Pfad durch den Wald nehmen. Zirka 800 Meter weiter kommen wir zu einer Lichtung am Wasser, die wir zu Beginn der Wanderung passiert haben, folgen dem Weg nach links und sind kurz darauf wieder an der Staumauer.
Wenn man sich die Gegend bei Google Maps anschaut, ist deutlich zu sehen, dass eine Vielzahl von Pfaden durch und um die Eukalyptus-Plantage führen. Die Route kann also verlängert oder abgekürzt werden. Der Abschnitt am Ufer, ohne Anstiege und mit reichlich Schatten, ist auch für Kinder und Hunde zu jeder Jahreszeit gut geeignet.
Text und Fotos: Anabela Gaspar in ESA 12/2018