Einst war dieses Algarve-Dorf eines der größten und wichtigsten des Bezirkes. Heute scheint es vor sich hin zu schlummern. Für Besucher gibt es dennoch viel zu sehen und zu genießen. Natur, Geschichte und Gastronomie. Die Wanderroute PR4 „Odeleite de perto e de longe“ führt an allen Besonderheiten entlang
Die Europäische Union finanzierte ein Projekt zur Wiederbelebung von typischen Algarve-Dörfern im Hinterland. Odeleite, im Bezirk Castro Marim, ist eines dieser elf Ortschaften. Häuser wurden traditionsgemäß renoviert, Straßen verbessert und mit elegante Straßenlampen und Blumentöpfen verschönert. Doch die Bevölkerung „hat dadurch nichts gewonnen“, so der zirka 50-jährige João Carlos, der einen Tante-Emma-Laden und ein kleines Café direkt vor der Casa de Odeleite (s. Zeitreise: Casa de Odeleite) betreibt. „Von Wiederbelebung kann nicht die Rede sein“, fügt er entschlossen hinzu.Doch was für die Bewohner negativ scheint, gefällt den Touristen. Odeleite hat seine Ursprünglichkeit behalten und ist von einer abwechslungsreichen Natur umgeben, die dank der Ribeira de Odeleite hier grüner als in den umliegenden Dörfern ist. Die Wanderroute PR4 Odeleite de perto e de longe verläuft zur Hälfte entlang des Ufers der Ribeira. Zudem führt sie an einem Abenteuer-Park und einer alten Wassermühle vorbei, durch mit Pinien und Lackzistrosen bewachsene Hügel und durch die Ortschaft, deren Häuser sich an einen steilen Hang schmiegen. Das besondere an Odeleite ist, dass der Friedhof hoch oben auf dem Hügel über den Häusern thront. Daher wird gesagt, dass hier die Toten über die Lebenden wachen. Am Friedhof beginnt auch der 11 km lange Rundgang. Statt, wie auf dem Wanderplan angegeben, gen Süden Richtung Fonte de Penedo zu starten, beschließen wir, in entgegengesetzte Richtung zu wandern. Wir steigen den Hang durch die schmalen Gassen bis zur Ribeira de Odeleite hinab. Zerfallene Bauten wechseln sich mit liebevoll renovierten Häuser ab, an dessen Fenster und Türen die verschiedensten Blumen blühen. Die Straße Eufrásia Gomes führt uns schließlich zu den Obst- und Gemüsegärten an der Ribeira. Wir folgen dem Weg gen Norden, gehen unter der Straße durch, die nach Foz de Odeleite führt, und biegen an der Kreuzung neben dem Radbrunnen gemäß Beschilderung rechts ab. Einige Meter bleiben wir direkt am linken Flussufer. Inmitten des Grüns sticht das Rosa des blühenden Oleanders hervor. Nach der Überquerung des Flusses führt die Route zwei Kilometer am rechten Ufer und an gepflegten Obst- und Gemüsegärten entlang. Auf diesem fruchtbaren Boden, der so stark in Kontrast mit den umliegenden, trockenen Hügeln steht, wird vor allem Wein angebaut. Es gibt aber auch viele Oliven-, Orangen- und Johannisbrot- sowie einige Granatäpfel- und Quitten-Bäume. Die mit Pinienbäumen bewachsenen Hügel links gehören zur Mata Nacional Terras da Ordem, ein 1.366 ha großer Pinienwald, der einst dem Christusorden gehörte und 1834 nach Abschaffung der religiösen Orden verstaatlicht wurde. Innerhalb der Terras da Ordem gibt es ebenfalls eine Wanderroute: die PR 5 Terras da Ordem (s. ESA 6/11). Das Schilf lässt uns den Verlauf der Ribeira de Odeleite erkennen und an einigen Stellen sieht man das Wasser. Eine Erfrischung ist jedoch erst an der alten Wassermühle möglich, soweit nach der trockenen Jahreszeit ausreichend Wasser vorhanden ist. Nach zirka 2 km erreichen wir den Parque Aventura de Odeleite, der vor einem Jahr eröffnet wurde. Der Abenteuerpark wurde im Rahmen eines portugiesisch-spanischen Programms zur grenzübergreifenden Kooperation gebaut und zu 75 % mit EU-Mitteln finanziert. Die E 140.000 teure Anlage verfügt über einen Hochseilgarten und eine Kletterwand. Zudem sollen dort Paintball, BTT, Orientierungslauf und Bogenschießen sowie Kanufahren auf dem Fluss ausgeübt werden. Ziel ist es, zur Entwicklung von Odeleite beizutragen. Doch die Anlage ist praktisch immer geschlossen. Lediglich das Rathaus von Castro Marim (Prof. Jorge Neves, Dept. de Desporto, Tel. 281 510 740) kann Auskunft über Öffnungstage geben. Für größere Gruppen wird die Anlage manchmal extra geöffnet.
Nur wenige Meter weiter kommen wir bei Moinho das Pernadas an. Diese vor kurzem renovierte Wassermühle spielte einst eine wichtige Rolle im Leben der Bewohner, die ihr Getreide hier mahlen ließen. Vor allem, weil es eine der wenigen in einem Umkreis von zirka 40 km ist. Laut einer Legende soll in dieser Mühle ein Müller Namens Zé gearbeitet haben. Da seine Arbeit von den Gezeiten abhing, musste er auch nachts arbeiten. Einen Abend sah er im Wasser etwas Goldenes schimmern. Es handelte sich um einen außergewöhnlichen Fisch mit vier Flossen und feuerroten Augen. Er fing den Fisch und in diesem Augenblick verwandelte sich der Fisch in eine Süßwasser-Meerjungfrau, mit blonden, gelockten Haaren und einer in allen Farben des Regenbogens schimmernden Schwanzflosse. „Danke, dass du mich gerettet hast“, sagte sie freundlich.
„Gerettet? Vor was?“, fragte der Müller verdutzt. „Vor über hundert Jahren wurde ich verzaubert“, erklärte die Meerjungfrau. „Ich lebte hier und wusch fast täglich meine Kleidung im Fluss. Eines Tages hatte ein Neunauge den Schaum meiner Seife satt und verwandelte mich in einen Fisch. Deine Berührung hat mich nun zu einer Meerjungfrau verzaubert“. Bis zum Morgengrauen unterhielten sie sich und auch die nächsten Abende trafen sie sich. Doch als der Vollmond kam, verwandelte sie sich erneut in einen Goldfisch und Zé musste nach jedem Vollmond den Zauber wieder brechen. Aus der Freundschaft wurde Liebe, doch sie waren sich bewusst, dass sie niemals zusammenleben könnten. Als sie sich eines Abends am Wasser unterhielten, wurden sie von Dona Hortense, einer alten Klatschbase aus dem Dorf gesehen, die schlecht schlafen konnte und daher kleine Ausflüge am Fluss unternahm. Diese erzählte den Bewohnern des Dorfes, was sie gesehen hatte. Niemand wollte ihr glauben und daher gingen sie am nächsten Abend gemeinsam zur Wassermühle, um den Erzählungen von Hortense nachzugehen. Der Zauber der Meerjungfrau ließ es jedoch nicht zu, dass sie von mehr als einer Person gesehen werden konnte und sie verschwand vor Zés Augen. Der Müller soll bis zu seinem Lebensende vergeblich auf seine Meerjungfrau gewartet haben und bis heute wird erzählt, dass man an ? Vollmondabenden den schimmernden Goldfisch in der Nähe der Wassermühle sehen kann.
An dieser Stelle, nur wenige Meter von der Wassermühle entfernt, vereint sich die Ribeira de Odeleite mit der Ribeira da Foupana, um 4 km weiter östlich in den Guadiana-Fluss zu münden. Dies ist auch die letzte Stelle der Route, an der wir den Fluss sehen. Bis Assador, einer ehemaligen großen Quinta, von der heute nur Ruinen übrig sind, ist es einen knappen Kilometer. Am Wegesrand wachsen viele Disteln, Fenchel, Schopf-Lavendel, Polei-Minzen und Artischocken. Von hier bis zum Dorf Alcaria sind es 2 km. Der Weg führt nun landeinwärts durch mit Pinien und Lackzistrosen bewachsene Hügel. In der Ferne erkennt man einige Häuser von Odeleite. Nach dem leichten Anstieg, sind rechts auch die ersten Häuser von Alcaria zu sehen. Kurz darauf biegen wir dem Wegweiser folgend rechts ab und sind kurz darauf in Alcaria, einem kleinen, verschlafenen Dorf, in dem die meisten Häuser dem Zerfall preisgegeben sind, es aber auch einige gibt, die sehr liebevoll gepflegt sind. Da uns in Odeleite gesagt wurde, dass sich ein Besuch der Ortschaft Fonte de Penedo nicht lohne, folgen wir in Alcaria dem rechts führenden Weg durch die Ortschaft und dann dem breiten Schotterweg gen Osten. Am Wegesrand reihen Kaktusfeigen aneinander und in der Ferne sehen wir den Stausee von Odeleite. Kurz nach dem leichten Anstieg zwischen den Pinien erreichen wir die Straße, die von Odeleite nach Foz de Odeleite führt. Nach einem kurzen Abschnitt auf dem Asphalt verlassen wir die Straße über einen nach links führenden Schotterweg. Von hier geht es bergab bis Odeleite, deren Häuser sich den Hang hinunter schmiegen, kurz danach sichtbar werden. Auch hier sind direkt am Fluss, wo die Erde fruchtbarer ist, Obst- und Gemüsegärten angelegt.
Als wir dann die Ribeira überqueren, muss ich leider feststellen, dass der Bau des Staudammes die Landschaft sehr verändert hat. Rechts von der Brücke ist eine Art Fluss-Strand, der früher Treffpunkt vieler Familien am Wochenende war. Hier wurde bei gutem Wetter gegrillt, gebadet und während der heißen Stunden im Schatten der Bäume ein Mittagsschläfchen gehalten. Vor allem am 1. Mai wurde hier kräftig gefeiert. Doch durch den Bau des Staudammes fliesst die Ribeira nicht mehr und das Wasser ist schmutzig. Statt einen Sprung ins Wasser zu wagen, den ich in Erinnerung an alte Zeiten geplant hatte, gehen wir weiter bis zur Kirche und von dort durch die schmalen Gassen bergan, am Gebäude des Gemeindeamtes, dessen Eingang Töpfe mit bunten Blumen schmücken, vorbei, bis zur Casa de Odeleite, ein ehemaliges Handelszentrum, das nun als Museum dient (s. S. 16). Von hier geht es weiter den Hang hinauf bis zur ältesten und bekanntesten Tasca von Odeleite, die Casa Merca (Tel. 281 495 761; für besondere, traditionelle Gerichte aus Odeleite ist eine Vorbestellung erforderlich). Auch sehr beliebt sind die Restaurants O Camponês (Tel. 281 495 826) und Bela Vista (Tel. 281 495 453). Hungrige Wanderer können sich hier mit leckerer Hausmannskost zu günstigen Preisen stärken.
Anabela Gaspar
ESA 10/13