Das verwunschene Kleinstädtchen, südlich vom Alqueva-Staudamm im unteren Alentejo, überrascht mit seinem arabischen Kulturerbe, mit florierender Landwirtschaft und mit moderner pulsierender Geschäftigkeit
Die Strecke von Beja nach Moura führt durch sanfte Hügel, dazwischen wellenartig eingeschmiegt, liegen schattige Täler. Im Frühjahr sind die Felder satt grün und mit Wildblumen bunt bewachsen. Sie säumen die Landstraße N 258-1, die den Besucher am Stausee Pedrogão vorbei, bis nach Moura bringt. Schwarze Schweine, Schafe und Rinder weiden auf weitläufigem Terrain. Plantagen mit knorrigen Ölbäumen, denen man ihr Alter gleich am zerfurchten Stamm ansieht, breiten sich aus wie ein silbrig grüner Teppich. Auf freien Flächen dazwischen entstehen neue Haine. Abertausende Olivenbaum-Setzlinge bis zum Horizont.
Die Region im Gemeindebezirk Moura ist außergewöhnlich fruchtbar. Dem Grenzfluss Guadiana und seinem nährstoffreichen Schlamm sowie der zusätzlich möglichen Bewässerung durch den Stausee Alqueva gedankt, verfügt die Gegend kurz vor der spanischen Grenze trotz heißer, trockener Sommerperioden über ausreichend Wasser und Mutterboden. Aber nicht bloß Oliven gedeihen hier seit Jahrhunderten, auch Amarena-Sauerkirschen für den portugiesischen Ginja-Kirschlikör werden neben Weinreben, Korkeichen und Getreide erwerbsmäßig und seit einigen Jahren wieder mit steigender Tendenz kultiviert.
Die letzte Steigung der Straße endet scheinbar im Himmel, doch kaum die Kuppe überwunden, erhebt sich die schlafende Schöne, Moura, auf einer Hügelkuppe. Das Wahrzeichen Mouras begrüßt den Ankommenden. Der einstige Wachturm, Torre de Menagem, überragt die Stadt und die Burg und wirft seinen Schatten voraus. Im sprichwörtlichen Sinne. So habe einst die maurische Burgherrin -Salúquia die Burg für ihre Hochzeit geschmückt und voller Vorfreude ihren Bräutigam, Brafma aus Aroche, erwartet. Ganz Moura war eingeladen zu diesem Fest. Die Burg ähnelte einem Märchenschloss. Die Turmwächter kündigten Brafme und sein Gefolge an und Salúquia ließ die Tore zur Stadt und zur Burg öffnen. Hereingestürmt kam aber nicht ihr Bräutigam, sondern die Kreuzritterbrüder D. Pedro und D. Álvaro Rodrigues und nahmen Moura ein, im Schneiderstreich. Brafme und sein Gefolge waren den Brüdern in die Falle gegangen und tot. Salúquia, zutiefst verzweifelt über ihre Dummheit, schloss sich im Wachtturm ein und stürzte sich von hoch droben hinab in den Freitod. Wenn die Sonne tief steht und der Turm seinen Schatten wirft, sieht man Salúquias Schatten bis heute noch, sagt man, und die tote Prinzessin blieb als tragische Figur im Stadtwappen verewigt.
Endgültig rückerobert wurde die maurische Enklave an der Grenze zu Kastilien Ende des 13. Jahrhunderts. König D. Dinis, bekannt als der Bauernkönig, verlieh dem Ort Stadtrechte und förderte speziell den Ölbaum-Anbau. Im Laufe des Restaurierungskrieges von 1640 bis 1668 zwischen Spanien und Portugal, zählte Moura zu den meist umkämpften Kleinstädten des Landes. Zwar blieb Moura portugiesisches Territorium, aber bis heute schielt stets ein Auge gen Osten nach Spanien, sagen Mouras Bewohner.
Ein Spaziergang durch die einst königliche Stadt beginnt am besten am Largo da Mouraria, im ehemaligen maurischen Viertel. Hier lebt der Nebelschweif der Vergangenheit aus dem einstigen Großreich Gharb Al-Andalus auf der iberischen Halbinsel fort. Wie Sternenstrahlen schlängeln sich schmale Gassen von der Zubringerstraße am ehemaligen Schlachthaus Matadouro Municipal, Richtung Marktplatz am Fuße der Burg. Eng zusammengerückt stehen weiß gekalkte Bauernhäuser Spalier, geschmückt mit Blumentöpfen entlang der Hauswände, so wie in den Patios der einstigen Königsstadt Cordoba in Andalusien. Zugang zu den Häusern gewähren niedrige Holztüren. Kleine Fenster spenden dem Innenraum Licht. Patios, in denen sich die Nachbarschaft trifft, umgeben von blühenden Pflanztrögen, charakterisieren diesen noch beinahe vollständig erhaltenen ursprünglichen Stadtteil.
Vom ehemaligen Marktplatz aus, der heute als Herz der Altstadt fungiert, mit Cafés, Geschäften, Markt, Stadtpark, Bibliothek, Kino und Rathaus, gelangt der Besucher über eine neu angelegte Rampe in die Festung und nicht mehr an den einstigen Thermalquellen vorbei, durch einen Tunnel im Berg. Im Wachturm im Castelo de Moura ist eine Kollektion antiker Waffen ausgestellt. Ein Rundgang durch die Bastion gewährt Weitblick bis zum Staudamm am Alqueva-Stausee gen Norden. Im Osten nach Spanien und Richtung Süden gen Pias und Serpa.
Für den Aufstieg in den Uhrenturm gegenüber sollte man allerdings schwindelfrei sein. Die Stufen sind unterschiedlich hoch, ein Handlauf fehlt. Der Blick aus dem Uhrenturm gewährt Aussicht auf die Dächer der Mouraria und die zahlreichen zylindrisch rund gebauten Schornsteinessen mit Zipfelhut aus Ziegelstein sowie auf die Kirche Igreja de São João Baptista mit ihrem manuelinischen Portal, und in den Park Dr. Santiago mit der einstigen Herberge, Kiosk-Café, Brunnengrotte und Musikpavillon.
Im Anschluss an das frühere Maurenviertel grenzt die jüngere Altstadt von Moura mit Hauptstraße und Nebenstraßen, mit hübschen Stadtpalais, Boutiquen, Kunsthandwerk-Ateliers und vielen anderen Geschäften mit Produkten, Kleidung und Kulinarischem aus der Region. Auch hier begegnet man auf Schritt und Tritt maurischem Kulturerbe wie hufeisenförmigen Fenstern, azulejos mit arabischen Mustern, Pflanztrögen und schmiedeeisernen Balkongittern.
Das Schmiedehandwerk in Moura blickt zurück auf mehrere tausend Jahre Tradition. Im Pátio dos Rolins, neben dem Dr. Santiago-Park und hinter der Igreja de São João Baptista, ist das Tourismusbüro und eine zum Museum umgestaltete, antike Schmiede untergebracht. Die mestres für Feuer und Metallurgie umgab in Moura eine ganz eigene Mystik. Wussten die Schmiedemeister nicht bloß den Weidetieren die Klauen zu schneiden, Pferden und Mulis die Hufen zu beschlagen und beherrschten die Materie des Feuergottes, sie kannten sich auch aus mit Schmerz. Mensch und Tier, half der ferreiro mit seinem Wissen welchen Nerv er brennen musste, um den Schmerz zu töten.
Hinter dem Hotel de Moura und der Kirche Santo Agostinho am Stadtgarten Jardim dos Mal Encarados, verbirgt sich ein ungewöhnlicher Park. O Jardim das Oliveiras Miguel Hernández. Lavendel und Rosmarinbüsche parfümieren die Luft, der Park ist geometrisch rund um einen Brunnen angelegt, die Wege führen im Kreis und vorbei an Ölbäumen. Jeder trägt eine andere Sorte Olivenfrucht aus Moura und ist markiert mit Namensschild und Sorte. Ein schattiger, kleiner Naturlehrpfad. Bevor hochmoderne Maschinen den edlen Saft aus den bitteren Früchten pressten, war die Produktion von Olivenöl reine Schwerstarbeit. Das Pressen geschah mit mächtigen Mühlsteinen und mit Zugtieren, die die Mühlsteine mit ihrer Zugkraft antrieben.
Gegenüber des Ölbaumgartens sind im Museu do Azeite – Lagar de Varas do Fojo die einstige Olivenölpresse des Ortes und andere Geräte für die Erzeugung des grünen Goldes ausgestellt. Schritt für Schritt erfährt man hier anhand der ausgestellten Arbeitsgeräte, wie der Saft aus der Olive vor dem Industriezeitalter seinen Weg vom Baum bis in die Flasche fand und was mit Kernen und Maische passierte.
Verkosten kann man den göttlichen Saft im CEPAAL (Centro de Estudos e Promoção do Azeite do Alentejo), praktisch nebenan, wo sich 26 Olivenölproduzenten zu einer Kooperative zusammengeschlossen haben und gemeinsam ihre Produkte vermarkten.
Die maurische Vergangenheit spiegelt sich in Moura jedoch nicht bloß im Stadtbild wieder. Die Kulturfusion zwischen den benachbarten Ländern setzt sich kulinarisch fort. So findet ein Gast, nach einem ausgiebigen Bummel durch das Städtchen, familiär geführte Lokale, in denen Speisen aus dem Alentejo frisch und mit Herz zubereitet serviert werden. Tapas gehören zu Mouras Tischleindeckdich dazu, nebst alentejanischen Spezialitäten vom Schwarzen Schwein, begleitet vom Hauswein aus der hiesig typischen Traubensorte Castelão, abgerundet mit eisgekühltem Naschwerk aus Krokant-Eischaumcreme encharcado mit Zimt.
Moura liegt inmitten der Naturschutzzone Zona de Proteção Especial de Moura/Mourão/Barrancos, die die vorhandene Biodiversität entlang der Bäche, Flüsse und Seen aufrecht hält. Ausflüge in eine der acht umliegenden Gemeinden, Wanderungen, Bootsfahrten oder Ausritte in die Umgebung sowie an den beiden Stauseen, runden den touristischen Erlebniswert ab und küren die schlafende Schöne zu einem weiteren möglichen Ziel für einen romantischen Wochenendausflug in den Alentejo.
Infos
Museu do Azeite – Lagar de Varas do Fojo, Rua São João de Deus
Der Ölbaumgarten Jardim das Oliveiras liegt genau gegenüber Museu Municipal, Rua de Romeira 19
Museu Gordillo – Zeitgenössische Goldschmiedekunst, Rua Vista Alegre
Igreja de São Pedro – Sakrale Kunst, Rua da República
Casa do Poço Árabe – Archäologische Fundstücke aus dem Maurenviertel
CEPAAL, Praça Gago Coutinho 2
Text und Fotos: Catrin George Ponciano in ESA 02/2019